Plankstadt. In der Schubert-Apotheke sind die Regale noch gut gefüllt. „Schaut man aber auf die Dosierungen oder bestimmte Marken, sind überall Lücken“, sagt Samira Pfeil. Die pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte (PKA) ist unter anderem für den Einkauf zuständig. Ob Aspirin, Nasenspray oder Magentropfen: Manche Produkte seien schon lange nicht mehr lieferbar.
Den Medikamentenmangel spüre man mehr denn je, bestätigt Apotheker Dr. Jürgen Sommer. Er ist Inhaber der Schubert-Apotheke und drei weiterer in der Region. Als Beispiel nennt er ein Antibiotikum, welches nach Augenoperationen eingesetzt werde und seit Langem nicht mehr bestellbar sei. „Ich habe schon von Patienten und Praxen gehört, dass Operationen verschoben werden mussten, weil es das Medikament nicht gibt“, sagt er.
Nicht immer gibt es einen Ersatz
Bei den Fiebersäften für Kinder hätte sich die Situation mittlerweile entschärft, sagt Apothekerin Maria Sybre. Die Inhaberin der Luisen-Apotheke in Plankstadt betont aber, dass Antibiotika für Erwachsene zurzeit Mangelware seien. Die Arzneiknappheit ziehe sich querbeet durch das gesamte Sortiment. „Um die 150 Arzneimittel sind gerade nicht verfügbar“, sagt sie. „Von der Marke Ratiopharm gibt es aktuell kein Nasenspray.“ Natürlich könnten Kunden in diesem Fall mit alternativen Produkten von anderen Herstellern versorgt werden.
Das ist aber nicht immer möglich, wie Apotheker Jürgen Sommer erklärt. Im Bereich der Psychopharmaka sei der Arzneistoff Fluoxetin aktuell nicht zu bekommen – ein Wirkstoff, der zur Behandlung von Depressionen eingesetzt wird. „Diese Patienten sind darauf angewiesen und können nicht so einfach auf ein anderes Medikament umgestellt werden.“
Wenn ein Kunde mit einem Rezept in die Apotheke komme und das verschriebene Produkt nicht verfügbar sei, versuchen die Mitarbeiter, eine Lösung zu finden. „Entweder ein Ersatzpräparat mit gleichem Wirkstoff oder eine andere Stärke oder Packungsgröße“, sagt Jürgen Sommer. „Ich denke, ich spreche für alle Kollegen, wenn ich sage, dass sich die Apotheken permanent ein Bein ausreißen.“ Manchmal lasse sich das Medikament oder eine Alternative davon auftreiben. Unter seinen vier Apotheken in Schwetzingen, Plankstadt, Brühl und Mannheim werden immer wieder Arzneien ausgetauscht – je nachdem, in welcher Apotheke etwas benötigt wird. „Einzelne Apotheken haben es schwerer“, sagt er. „Uns sind aber die Hände gebunden, wenn es nichts mehr gibt.“
Rücksprache mit der Arztpraxis
Eine vergleichbare Situation hat Apothekerin Maria Sybre in über 30 Berufsjahren noch nie erlebt. „In der Vergangenheit hat sich immer eine neue Quelle auftun lassen.“
Mittlerweile sei es so, dass neben den anfallenden Aufgaben wie etwa Kundenberatung viel Zeit für die Recherche draufgeht. „Eine Mitarbeiterin ist bei uns immer am Telefon“, sagt sie. Wenn Produkte nicht verfügbar sind, müsse zunächst mit der Arztpraxis Rücksprache gehalten werden, ob eine Alternative verabreicht werden kann. „Das ist das Problem, dass viele Ärzte nicht mehr telefonisch erreichbar sind.“ Oftmals sei das Telefon nicht besetzt, weil es in der Praxis selbst viel zu tun gebe. In diesem Fall dauert die Kundenberatung noch länger, weil keine direkten Absprachen mit dem behandelnden Arzt erfolgen kann.
Was können Kunden tun, wenn es das gewünschte Medikament nicht gibt? „Von Apotheke zu Apotheke gehen“, sagt Jürgen Sommer. Außerdem wünscht er sich mehr Verständnis. „Viele Patienten können sich nicht so einfach umstellen, weil sie das Medikament eines ganz bestimmten Herstellers haben möchten.“
Aus seiner Sicht könne die Medikamentenknappheit mehrere Gründe haben. „Es war schon immer der Fall, dass manche Hersteller in Verzug sind und erst in ein oder zwei Wochen liefern können.“ Zum anderen gebe es Probleme in der Lieferkette. Beispielsweise könne der Wirkstoff vorhanden sein, aber dafür keine Flaschen, in der die Arznei abgefüllt werden könne.
Wieder in Europa produzieren
Dass Fiebersäfte, Antibiotika und Magentropfen fehlen, kann auch eine wirtschaftliche Ursache haben. Für viele Unternehmen ist es schlicht und ergreifend nicht rentabel genug, ein Medikament herzustellen.
„Wenn das der Fall ist, ist es auch schwieriger, eine Alternative von einem anderen Hersteller zu bekommen“, sagt Jürgen Sommer. Er wünscht sich, dass die Politik und insbesondere Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach etwas aktiv gegen den Medikamentenmangel unternehmen. „Bislang ist meines Wissens noch nicht viel passiert.“ Das Versorgungsproblem sei in den vergangenen Jahren durch die Gesundheitspolitik in Deutschland gewachsen. Medienberichten zufolge will die EU ein Maßnahmenpaket auf den Weg bringen.
Mitgliedsstaaten sollen bei Engpässen Medikamente untereinander austauschen und die Produktion der Arzneien in Europa für die Pharmaindustrie wieder attraktiv gemacht werden. Die Europäische Arzneimittelbehörde solle außerdem die kritisch verfügbaren Medikamente im Blick behalten und deren Lieferketten und Verfügbarkeiten überprüfen.
Dass schon bald wieder alle Medikamente verfügbar sind, daran glauben Jürgen Sommer und Maria Sybre nicht. Die beiden Apotheken-Inhaber setzten stattdessen weiterhin darauf, Vorräte anzuschaffen, wenn denn mal wieder ein Produkt verfügbar ist.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Plankstadt Fehlende Arzneimittel in Plankstadt und der Region: Ein Armutszeugnis