Vandalismus

Kaputte Obstbäume in Plankstadt: Appell an Vernunft

Sobald Obstbäume die ersten Früchte tragen, fallen sie wilden Pflückern zum Opfer – was abgerissene Äste für den Baum bedeuten, zeigt ein Exkurs in den Gärtneralltag.

Von 
Rolf Simianer
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Eine riesige Schlitzwunde an einem Kirschjungbaum. Einer von drei Leittrieben der Pyramidenkrone wurde abgerissen. © Rolf Simianer

Plankstadt. Vandalismus an Obstbäumen auf freier Flur ist kein spezielles Plankstadter Problem. Es entsteht mehr oder weniger überall dort, wo fruchtende Obstbäume von der Allgemeinheit abgeerntet werden dürfen. Als in Brühl vor vielen Jahren die an den Wanderwegen entlang des Leimbachs gepflanzten Apfel-, Birnen-, Kirschen-, Mirabellen- und Pflaumenbäume in die Ertragsphase kamen, wurden über mehrere Jahre hinweg so viele Kronen zerrissen und verstümmelt, dass die Gemeindegärtnerei entschied, den regelmäßigen Pflege- und Erziehungsschnitt nach und nach wegen Zwecklosigkeit einzustellen.

In der Folge überließ man die Bäume und Baumruinen den Insekten und Vögeln und entfernte nur noch Wurzel- und Stammaustriebe sowie zu niedrig wachsende Äste über den Wegen.

Mit sehr viel Muskelkraft herausgebrochener Mitteltrieb an einem Kirschjungbaum. Die angelegte Pyramidenkrone ist dadurch zerstört. © Rolf Simianer

Eine ähnliche Gefahr besteht nun auch auf Plankstadter Gemarkung, weil dort im Moment viele der weit über 500 gepflanzten Obstbäume zu fruchten beginnen. Die folgenden Beispiele von Vandalismus sollen erklären, was manche Pflücker den jungen Baumlebewesen durch brutales Abreißen ganzer Kronenteile antun.

Wie Bäume entlang der Felder gepflegt werden

Um sich die Folgen der Verletzungen besser vorstellen zu können, ist es nützlich zu wissen, dass die meisten der in freier Natur gepflanzten Obstbaumarten in Form einer Pyramidenkrone erzogen werden. Dabei versucht der Gärtner, durch Belassen von drei bis vier günstig zueinanderstehender Seitentriebe am Mitteltrieb (Stammverlängerung) des Baumes ein optimal das Sonnenlicht ausnutzendes Kronengerüst aufzubauen. Dazu sind jährliche Schnittmaßnahmen erforderlich, auch Erziehungsschnitt genannt.

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Eine gut angelegte Pyramidenkrone an einem Kirschbaum erkennt man an den Seitenästen des Mitteltriebes, die optimal verteilt zum Licht stehen. Fiktive Linien von der Spitze des Mitteltriebes zu den Spitzen der drei Leitäste ergeben die Form einer Pyramide. Daher der Name. In einer Pyramidenkrone können die Früchte an jeder Stelle des Baumes bestens ausreifen.

In Plankstadt gibt es ein Baumexemplar, aus dem mit Muskelkraft ein Mitteltrieb herausgebrochen wurde. Die angelegte Pyramidenkrone des jungen Kirschbaums ist dadurch zerstört. Aufgrund der schweren Verletzung muss entschieden werden, ob der Baum ersetzt oder ob auf einem der Seitentriebe mit viel Geschick und Arbeitsaufwand ein neuer Mitteltrieb gezogen wird. Auch besteht die Möglichkeit, den Baum ohne den Mitteltrieb als sogenannte Hohl- oder Trichterkrone zu erziehen. Ein anderer Kirschbaum weist eine Verletzung an der Unterseite des rechten Leittriebes auf – höchstwahrscheinlich ein Anfahrschaden durch einen Traktor. Denn mit Muskelkraft allein ist es kaum möglich, den betreffenden Ast seitlich nach unten herauszureißen.

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Durch die Größe der Schlitzwunde ist eine sehr große Pilzeintrittspforte entstanden. Es ist daher besser, den Seitenast demnächst am Stamm ganz abzunehmen, weil dadurch eine kleinere Wunde entsteht.

Eine riesige Schlitzwunde an einem Kirschjungbaum weist ebenfalls auf Vandalismus hin. Einer von drei Leittrieben der Pyramidenkrone wurde abgerissen. Der Baum wird nicht in der Lage sein, diese Wunde zu überwallen (mit neu gebildetem Zellgewebe zu umschließen). Er ist sowohl in seiner Lebenserwartung als auch in seiner Form so schwer beschädigt, dass Gärtner ihn besser ganz entfernen und durch einen neuen Baum ersetzen. An dem zum Tatzeitpunkt waren noch nicht einmal die Kirschen reif: Eine Wunde dieser Größe kann der Baum zwar gerade noch verkraften, doch ist die Balance innerhalb der Krone durch den fehlenden Ast aus den Fugen geraten. Weitere Schnittmaßnahmen müssen daher die Förderung der linken Baumseite zum Ziel haben.

Maßnahmen gegen die Zerstörung der Pflanzen

Als Maßnahme gegen das Abreißen von Ästen kommt das Pflanzen von Obstbaum-Hochstämmen mit einem angestrebten Kronenansatz um die 2,50 Meter in Betracht. Vielerorts weicht man bereits auf nicht oder kaum essbare Obstsorten wie Wildkirsche, Vogelbeere oder Speierling aus, die nur wenige Experten zum Pflücken anlocken.

Wenn man aber will, dass die Bürger in den Genuss selbstgepflückter Früchte von zu Fuß erreichbaren Bäumen kommen, dann muss ernsthaft über die Einstellung von ausgebildeten Feldhütern diskutiert werden. Diese können neben Mahnen und Strafzettel verteilen den Leuten auch freundlich vor Ort erklären, wie man richtig pflückt.

Es ist schön, wenn Gemeinderäte beschließen, für die Allgemeinheit aus Steuermitteln Obstbaumalleen anzulegen. Es ist schön, wenn Eltern ihren Kindern am Beispiel der Obstbäume den Wechsel der Jahreszeiten und das Wirken der Natur erklären.

Es ist schön, wenn Kinder an einen Kirschbaum herantreten und beim Selbstpflücken und Kosten riechen und schmecken, was ein gutes Lebensmittel ausmacht. Doch es ist nicht sicher, ob Appelle an die Vernunft diejenigen erreichen, die mit roher Gewalt diese einzigartigen Natur– und Erlebnisräume angreifen.

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