Plankstadt. Auch Straßennamen unterliegen einem Wandel, ja sogar manchmal, wenn es sich um geografische Bezeichnungen handelt, die im Allgemeinen ja als wert-, ideologiefrei und eigentlich auch unveränderlich anzusehen sind. Umso häufiger aber kommt es zu Umbenennungen, wenn bei der Namensgebung der Straßen Personen Pate standen, deren Bedeutung unter subjektiver heutiger Betrachtungsweise dem Wandel der Zeiten nicht standhält oder nicht standzuhalten scheint.
Wir erleben ja gerade in unseren Tagen – zwar nicht in Plankstadt, aber anderswo – eine Fülle von Veränderungen, von Anträgen auf Umbenennung oder Streichung im Zuge einer neuen geänderten Denkweise, was Ereignisse oder Personen der Vergangenheit und ihre politische Einordnung betrifft. Allein in deutschen Großstädten haben wir zum Teil Hunderte von Straßen, die nach Auffassung der Antragsteller umbenannt werden müssten. War es zur Zeit des Nationalsozialismus an der Tagesordnung, dass Politikernamen aus der Weimarer Republik verschwanden, so wurden nach dem Untergang des NS-Reiches nach 1945 alle Straßennamen und Plätze mit Namen aus dem NS-Regime aus dem Straßenregister gestrichen und umbenannt.
In unseren Zeiten ist es der Begriff „Cancel Culture“, der meist mit Absage-, Lösch- oder Zensurkultur übersetzt wird und der so manches heutige Denken beeinflusst. Dass es in einer Zeit der Meinungsvielfalt und der schnellen Verbreitung durch die sozialen Netzwerke schnell zu Anträgen auf Straßenumbenennungen oder Denkmalsentfernungen kommen kann, ist verständlich. Aber jedem Wunsch aus Furcht vor lautstarken Minderheiten nachzukommen, ist auch keine Lösung. Als Beispiele mögen hier nur mal Onkel-Tom-Straße, Pacelli-Allee oder Mohrenstraße dienen. Mussten früher Umweltaktivisten oder pazifistische Gruppen gefährliche und halsbrecherische Aktionen starten, um Aufmerksamkeit zu erregen oder Veränderungen herbeizuführen, so genügen für das Auslösen von Protestwellen heute ein Smartphone und ein Sofa. So berechtigt manche Anliegen auch sein mögen, so sind durch die Art der Debattenführung in sozialen Netzwerken kaum schlüssige und vernünftige Lösungen zu erreichen.
Kein Vorwurf an die Vorfahren
Wenn heute Straßennamen aus vergangenen Jahrhunderten Anstoß erregen, so kann man unseren Vorfahren nicht vorwerfen, dass für sie Werte selbstverständlich waren, die heute vielleicht ablehnenswert erscheinen. Diese vielen Forderungen der „Cancel Culture“ reichen ja noch viel weiter: Die ganze Literatur einschließlich der Kinderbücher müsste umgeschrieben werden, wenn dabei nicht eine geschlechterneutrale Sprache verwendet wird, welche die Diskriminierung jeglicher Minderheiten ausschließt, wobei es sich dabei ja meist nur um (bewusst) falsch verstandene grammatikalische Formen handelt. Straßennamen und Denkmale mit kolonialpolitischem Hintergrund sind nicht mehr salonfähig, so auch viele Straßen, deren Namensträger mit antisemitischem oder rassistischem Gedankengut in Verbindung gebracht werden könnten.
Es soll hier überhaupt nicht wegdiskutiert worden, dass in früherer Zeit im Namen einer wie immer definierten weißen Überlegenheit Verbrechen bis hin zum Völkermord, Ungerechtigkeiten und Ausbeutung begangen und sogar als Errungenschaft bezeichnet wurden. Hier könnte bei einem Straßenschild oft eine Information in Form eines Zusatzschildes die notwendige Erläuterung zu einem Namen bieten.
Allerdings ist oft auch Vorsicht geboten, denn Geistesgrößen der Vergangenheit wie Platon, Aristoteles, Kant, Goethe, Schiller, die mittelalterlichen Kirchenlehrer aller Kontinente und viele, viele andere hatten ganz andere Vorstellungen als wir heute, und deren Gedankenwelt ist nicht ohne weiteres in allen Facetten mit heutigem Denken vereinbar.
Zurück in unsere Heimat Plankstadt: Auch einige Plankstadter Straßen könnten von diesem Wandel ein Lied singen, so sie der Sprache mächtig wären. Es bedarf keiner großen Fantasie, um nachzuvollziehen, dass Kaiserreich, Weimarer Republik (von Älteren oft auch „Zwischenreich“ genannt) und Nationalsozialismus in diesem Bereich auch in unserer Heimatgemeinde ihre Spuren hinterlassen haben.
Die meisten dieser Umstände geraten davon leicht in Vergessenheit, dagegen erhalten sich Straßennamen, die eigentlich nie offiziell waren, die aber der Volksmund unauslöschbar verinnerlicht hat, wie zum Beispiel der Viehweg (Leopoldstraße), das Backoffegässl (Leonhardstraße) oder das Frühmesspädl (Paul-Bönner-Straße nach Schwetzingen)!
Alte Akten geben Auskunft
So wird schon mancher, der ortsgeschichtlich nicht so versiert war, gegrübelt haben, warum es ausgerechnet in Plankstadt eine Scipiostraße gibt. Welche geheimnisvolle Verbindung mag zwischen dem großen Feldherrn Scipio Africanus d.J. und der badischen Tabakbaugemeinde Plankstadt wohl bestanden haben? Die Antwort ist einfach: Gar keine! Die alten Akten geben darüber beredt Auskunft: Darin springt einem sofort ein mit wunderschöner Handschrift geschriebener Brief, unterzeichnet von Bürgermeister Peter Helmling, förmlich ins Auge. Adressiert ist er an den Kommerzienrat Ferdinand Scipio in Mannheim, in welchem er ihm mitteilt, dass ihm ob seiner großherzigen Spende für die Geschädigten der großen Brandkatastrophe von 1895 im Gemeindegässel die Ehre zuteilwird, dass dieses Gässchen in Plankstadt künftig seinen Namen tragen wird.
Im Jahre 1901 entstand bei der Umlegung des Gewanns Sandgarten die Friedrichstraße; ebenso entstanden im Ortsetter aus den Querstraßen I und II die Luisen- und die Wilhelmstraße. Aus der Viehwegstraße wurde die Leopoldstraße, aus der Kiesgrubenstraße die Ludwigstraße. Am 24. Juli 1922 unterzeichneten Anwohner der Wilhelmstraße eine Eingabe an den Gemeinderat, in welchem sie sich gegen die Umbenennung der Wilhelmstraße in Rathenaustraße heftig zur Wehr setzten. Dabei war dies kein Einwand gegen den ermordeten Weimarer Politiker Walter Rathenau, dies betonten die Bürger ausdrücklich, sondern sie wollten die Erinnerung an den Plankstadter Schmied Wilhelm Wacker gewahrt wissen, der als erster sein Anwesen an dieser Straße erstellt hatte (heute Wilhelmstraße 5).
In einem Antwortschreiben an Wilhelm Wacker bedauerte der Gemeinderat seine Entscheidung, sah sich jedoch nicht mehr zu einer Revision in der Lage. Aus diesem Schreiben geht auch hervor, dass dem Gemeinderat bei seiner Änderungsentscheidung offenbar die Namensgebung nach dem Schmied Wilhelm Wacker gar nicht mehr gegenwärtig war.
Die Goethestraße hatte früher die Bezeichnung II. Ringstraße und wurde am 30. Oktober 1924 in ihre heutige Bezeichnung umbenannt. Die Straße vom Anwesen des Hauptlehrers Seitz aus in Richtung Schwetzingen erhielt am 19. Januar 1926 den Namen Friedrich-Ebert-Straße (heute Paul-Bönner-Straße). Ebenso wurde dem Straßenteil von der Heidelberger Straße (heute Schwetzinger Straße) in Richtung Rosentalstraße (Eisenbahnersiedlung) der Name Hebelstraße zugeordnet.
Informativ ist auch ein Leserbrief in der Schwetzinger Zeitung vom 15. Oktober 1927, in dem sich der nicht näher bezeichnete Verfasser über einige Kuriositäten bei der Benennung der Ortsstraßen mokiert.
Darin wird ein Aufruf des Deutschen Sprachvereins zitiert, nach dem bei der Straßenbenennung darauf zu achten sei, dass bei den Namen nicht immer nur das ermüdende „Straße“ angehängt wird, sondern auch Worte wie „Pfad, Gasse, Weg, Ring, Graben, Allee usw.“ Eingang finden.
Gnadenloses Umtaufen
In dem betreffenden Leserbrief heißt es weiter: „Wohl gibt es im Volksmund einen Waldpfad, einen Viehweg, ein Backofengässl, eine Kreuzgasse, einen Sandgarten und einen Eppelheimer Weg. Aber all diese schönen Namen von so erfreulicher Frische fanden bei der amtlichen Umtaufe in der Nachrevolutionszeit keine Gnade. So musste zum Beispiel Eppelheimerweg partout in Eppelheimerwegstraße und der schöne einfache Waldpfad in Waldpfadstraße umgetauft werden, was allerdings vornehmer klingt. Wer noch keine Wegstraße oder Pfadstraße gesehen hat, wir haben solche! Auch das Gedächtnis des Mannes, der den schönen Schwetzinger Schlossgarten schuf, musste unbedingt getilgt werden; man schreibt die Karl-Theodor-Straße jetzt Gareisstraße. ...“
Bereits am 31. Oktober 1927 hatte der Gemeinderat ein Einsehen – und somit wurde die Rückbenennung der Waldpfadstraße in Waldpfad und der Eppelheimerwegstraße in Eppelheimer Straße beschlossen.
Am 19. März 1929 bekam die Lessingstraße ihren Namen. Dabei wurde festgelegt, dass sie ihren Anfang am Anwesen Graab nimmt und ihr Ende am Anwesen Sauer (bisher Bahnstraße rechts) hat.
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