Ortsgeschichte

Plankstadt Widerstand: Pfarrer Franz Stattelmann im Kampf gegen das Dritte Reich

Am 20. Juli 1944 jährt sich das Attentat auf Hitler. Schon früher gab es Widerstand gegen das NS-Regime, wie der Pfarrer Franz Stattelmann zeigte. Seine kritische Predigt führte zu seiner Verhaftung und Prozess, doch seine Gemeinde hielt zu ihm.

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Gunther Treiber
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Seine Meinung zum NS-Regime sagte er deutlich – und das wurde ihm beinahe zum Verhängnis: der katholische Pfarrer Franz Stattelmann. © Treiber

Plankstadt. Heute jährt sich der 20. Juli 1944, Tag des Attentats der Offiziere auf Hitler. Widerstand gegen das Dritte Reich gab es schon früher, man denke an Friedrich Schweiger und seine Schwetzinger Sozialdemokraten, aber auch an den katholischen Pfarrer Franz Stattelmann in Plankstadt. Die Katholiken stellten hier die Mehrheit der Bevölkerung, bei den letzten halbwegs freien Wahlen am 5. März 1933 endete die Zentrumspartei in der Gemeinde als Sieger knapp vor der NSDAP.

Am 11. August 1935 predigte Stattelmann in seiner voll besetzten Kirche St. Nikolaus zu Lukas 19,42, dem Einzug Jesu in Jerusalem, der bekanntlich mit der Tempelaustreibung endete. Er machte dabei seinem Ärger über den Umgang der Nationalsozialisten mit seiner Kirche Luft. „Käme der Heiland heute wieder“, so der Pfarrer „würde er weinen über unser geliebtes deutsches Vaterland“. Heute seien die Zeitungen voll von gehässigen Berichten über das Fehlverhalten von Priestern und Bischöfen. Der Staat, fuhr er fort, „achtet das vierte Gebot nicht und darf sich nicht wundern, wenn die Jugend später das fünfte Gebot nicht achtet und ihre Hand erhebt gegen die jetzigen Machthaber“. Werde eine Konfession mit Füßen getreten, werde es nie Friede und Einigkeit geben. Es gehe jetzt um die Religion, das müsse gesagt werden, ob es angenehm sei oder nicht und sollte man sie vor Gericht stellen. „Wir haben Rechenschaft abzulegen vor unserm Gott“, so Stattelmann. Die Reiche der Römer und Griechen seien längst zerfallen, während die Religion immer noch bestehe.

Mutiger Pfarrer in Plankstadt: Starke Worte mit Folgen für den Widerstand gegen das Dritte Reich

Das waren fürwahr starke Worte und wer unter den 1200 Zuhörern verstehen wollte, der verstand. Er ahnte allerdings auch, dass eine solche Kritik Folgen haben könnte. Diese ließen nicht lange auf sich warten. Die Kirchenbesucherin A.E., Mitglied der NS-Frauenschaft, hatte aufmerksam zugehört und verfügte über ein gutes Gedächtnis (oder hatte mitgeschrieben). Als sie anderntags SA-Sturmführer Zimmer traf, beschwerte sie sich über „die Ausfälle“ des Pfarrers. Er unterrichtete die Ortsgruppe, diese meldete den Vorfall der Kreisleitung in Mannheim, die sich an das Sondergericht wandte, das die Gestapo in Marsch setzte. Sie vernahm die Denunziantin, die sich genau der Worte des Pfarrers erinnerte. Sie bat, ihren Namen nicht zu nennen. Auch Stattelmann wurde vernommen. Er blieb sperrig, lehnte jede Stellungnahme ab. Er sei nur seinem Bischof Rechenschaft schuldig.

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Zwei Wochen gingen ins Land, bis am 29. August um 12.30 Uhr Stattelmann überraschend festgenommen und ins Schutzhaftlager Kislau bei Bruchsal eingeliefert wurde. Schon am nächsten Tag rechnete „Der Führer“, die Gauzeitung der NSDAP, mit dem Pfarrer ab: „Sein staatsfeindliches Treiben“ sei bekannt, er habe die „bisher ihm entgegengebrachte Nachsicht des NS-Staates in überheblicher und geradezu herausfordernder Weise missbraucht“. Seine Predigt stelle „geradezu eine Entweihung des Gotteshauses und daher schlimmsten Missbrauch der Kanzel dar“. Der abschließende, scheinheilige Kommentar lässt keinen Zweifel an der Härte, mit der die Partei gegen solches Verhalten vorzugehen gewillt war. „Die Sorte Seelsorger, die sich nicht scheut, das Gotteshaus und die Kanzel für ihre Zwecke zu missbrauchen, kann den Kampf haben…“. Er werde anders ausgehen, als sie sich erhoffen und schließt: Es gelte „ die Stattelmänner auszurotten. Ihre Ausrottung dient dem Volk und der Kirche.“

Zeugenaussagen gegen den Pfarrer aus Plankstadt: Gemeinde steht trotz NS-Regime zu ihm

Eine einzige Zeugin war dem Staatsanwalt zu wenig. So forderte er von der Gestapo weitere Zeugen, um die politische Einstellung und Betätigung des Pfarrers zu ermitteln. A.E. wurde erneut vernommen. Sie blieb nicht nur bei ihren Aussagen, sondern verschärfte diese noch. Sie stehe mit dem Pfarrer nicht auf schlechtem Fuße. Sie gab an, die Wirtin der Gaststätte „Zum Pflug“ hätte geäußert, der Pfarrer habe in seiner Predigt „ganz schön gewettert“. Diese wurde gehört und bestätigte die Aussagen. Sie wisse die Zusammenhänge nicht mehr, könne nur sagen, dass die Predigt „eine einzige Kritik“ war. Sie nannte zwei weitere Kirchenbesucherinnen, denen die Gestapo aber nichts entlockte. Sie konnten oder wollten sich nicht mehr an die Predigt erinnern, über die sie sich nicht aufgeregt hätten. Es seien noch mehr Parteigenossen in der Kirche gewesen, er habe aber keine weiteren Beschwerden vernommen, so SA-Mann Zimmer. Man „hüte sich ängstlich, über Predigt und Schutzhaft des Pfarrers etwas verlauten zu lassen“. Die Gemeinde war offensichtlich schockiert, hielt aber zu ihrem Pfarrer.

Zwei Lehrer, die im Jahr zuvor eine heftige Auseinandersetzung mit dem Pfarrer hatten – es ging dabei wohl um die katholische Jugendarbeit, die mit der Hitlerjugend konkurrierte – machten belastende Aussagen zu seiner Einstellung gegenüber dem Regime. Mit einem dreistündigen Verhör durch die Gestapo im Lager Kislau, in dem er angab, Mitglied des Zentrums gewesen zu sein, die Predigt frei gehalten zu haben und die ihm zur Last gelegten Äußerungen einräumte, waren die Ermittlungen abgeschlossen. Nach sechswöchiger Haft wurde Stattelmann am 14. Oktober 1935 aus der Schutzhaft entlassen.

Sondergerichte hatte das NS-Regime schon im März 1933 eingerichtet. Sie sollten zuständig sein für die Aburteilung aller politischen Straftaten. Das strafrechtliche Verfahren wurde zum Nachteil des Angeklagten stark vereinfacht, unter anderem konnte er keine Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen. Die Rolle des Verteidigers beschränkte sich in der Regel auf die Forderung nach einer milderen Strafe. Das Heimtückegesetz von 1934 stellte alle kritischen Äußerungen, die das Wohl des Reiches, das Ansehen der Regierung, der NSDAP und außerdem ihrer Verbände schädigten, unter Strafe und erstickte so den letzten Rest der Rede- und Meinungsfreiheit im Reich.

Heimtückegesetz: Anklage gegen den kämpferischen Plankstadter Pfarrer Stattelmann

Die Staatsanwaltschaft des Sondergerichts Mannheim meldete am 28. September an den Reichsjustizminister, dass sie das Verfahren gegen Stattelmann gemäß Heimtückegesetz eingeleitet habe. Die Anklageschrift vom 14. November warf ihm vor, er habe „öffentlich gehässige, hetzerische und von niedriger Gesinnung zeugende Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates und der NSDAP, die geeignet sind, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben […] zum Gegenstand einer Verkündigung gemacht“.

Zum Prozesstermin im Dezember meldete sich Stattelmann krank. Am 7. Februar 1936 schließlich hielt der Ankläger eine Lobrede auf die Errungenschaften des Regimes und warf dem Angeklagten „maßlose Übertreibung und Verblendung“ vor. Stattelmann verteidigte sich mutig und beredt. Es half nichts: Mit neun Monaten Haft blieb das Urteil allerdings unter der Forderung des Staatsanwalts, habe doch Stattelmann als Träger des Frontkämpferehrenkreuzes im Krieg „seine Schuldigkeit getan“.

Ein Gnadengesuch des Erzbistums und Krankheit schoben den Haftantritt auf. Erst am 17. Juni schlossen sich hinter ihm die Tore der Haftanstalt in Mannheim. Anfang Oktober wandte sich der Erzbischof persönlich an den Reichsjustizminister. „Eine Begnadigung werde dazu beitragen, die Gemeinde zu beruhigen“. Gefängnisdirektor und Gericht befürworteten das Gesuch. Einen Tag vor Weihnachten kam Stattelmann frei. Zu seiner Gemeinde, die fest zu ihm gehalten hatte, durfte er nicht zurückkehren. Er wurde nach Kirrlach versetzt und blieb weiter unter polizeilicher Beobachtung.

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