Reilingen. Für Anthea Reeb (16) beginnt im August eine besondere Reise. Sie fliegt in die USA, denn sie hat des Parlamentarische Patenschafts-Programm (PPP), ein Stipendium des deutschen Bundestags in Kooperation mit dem US-Congress, bekommen. Geplant war, dass es am 2. August losgeht. Nun gibt es aber Probleme mit der Suche nach Gastfamilien – und auch die 16-Jährige hat noch keine. Ihre Austauschorganisation Experiment führe dies auf die momentan schwierige wirtschaftliche Lage, Inflation und Unsicherheiten zurück. Daher verzögert sich die Abreise von Anthea Reeb, bevor sie dann Mitte Juni 2023 zurück nach Deutschland kommt.
Bis zu ihrer Abreise möchte die 16-Jährige noch Gastgeschenke besorgen. Was genau es wird, darüber ist sie sich noch nicht ganz klar, aber das Grundgesetz hat sie bereits auf Englisch. Das soll auf jeden Fall Teil des Geschenks werden. Wir haben mit Anthea Reeb über ihre Reise in die USA, ihre Erwartungen und die Zukunft im Reilinger Jugendgemeinderat gesprochen.
Warum hast du dich für PPP beworben?
Anthea Reeb: Die USA haben mich schon immer interessiert. Dort herrscht eine ganz andere Kultur und Lebensweise. Meine Englischlehrerin hat mir in der achten Klasse erzählt, dass sie zeitweise in den USA studiert hat. Das ist eigentlich eine super Sache, dachte ich. Ich fing immer mehr an, mich darüber zu informieren und bin auf das PPP gestoßen. Ich sehe einen solchen Austausch als sehr bereichernd an. Das alltägliche Leben einer amerikanischen Familie ist bestimmt spannend. Es ist eine Chance, die man so nicht mehr bekommt. Auf die Highschool gehen, Thanksgiving feiern – einfach alles, was dazugehört, möchte ich erleben. Natürlich repräsentiert man auch Deutschland und möchte in den USA zum Austausch beitragen – sei es deutsche Geschichte, Politik oder Kultur.
Wann hast du die Entscheidung getroffen, dass du Teil davon sein möchtest?
Reeb: Ich habe mich zuerst einmal selbst im Internet informiert. Als alles ein wenig konkreter wurde, habe ich auch Messen besucht. Es gibt so viele Organisationen die einen Austausch anbieten, da ist es nicht einfach, sich für eine zu entscheiden. Während meiner Recherche bin ich auf das PPP gestoßen, was sehr interessant klang. Außerdem spielt auch der Kostenfaktor eine Rolle, denn ein Auslandsjahr ist eine kostspielige Angelegenheit und vom PPP werden nun die meisten Kosten übernommen.
Wie hat deine Familie auf deinen Wunsch reagiert, ein Jahr im Ausland zu verbringen?
Reeb: Mein Vater hat selbst mal eine kurze Sprachreise in Großbritannien gemacht. Meine Eltern haben mich von Sekunde eins an unterstützt. Es ist natürlich nicht einfach, sein Kind, seine Jugendliche für zehn Monate wegzulassen. Und dazu noch in eine neue Familie und in ein Land, das nicht mal eben schnell mit dem Auto erreichbar ist. Deshalb bin ich sehr dankbar für ihre Unterstützung.
Wie wird der Austausch organisiert?
Reeb: Für mich organisiert das der Verein Experiment. Sie kümmern sich vor allem um die Vor- und Nachbetreuung und waren auch Teil des Bewerbungsprozesses des PPP. Im Mai gab es bereits ein Vorbereitungsseminar mit den anderen Stipendiaten, die von Experiment betreut werden. Es ging dabei um kulturelle Unterschiede und wie man mit gewissen Situationen umgeht. Auch Input zu amerikanischer und deutscher Geschichte gab es, genauso wie zu der gemeinsamen Vergangenheit. Auch aktuelle Politik und Wahlsysteme haben wir genauer beleuchtet. Um das Visum für die USA habe ich mich selbst gekümmert. Auch das Ausfüllen von Unterlagen, unter anderem ein Brief an die mögliche Gastfamilie, in dem man sich selbst vorstellt und seine Interessen beschreibt, gehört dazu. Die Betreuung in den USA und Gastfamiliensuche übernimmt die amerikanische Partnerorganisation von Experiment, CIEE.
Auf was freust du dich am meisten?
Reeb: Auf das ganz normale tägliche Leben. Mit der Gastfamilie Traditionen und Kulturen erleben. Ich will die amerikanische Kultur kennenlernen und ihnen die deutsche näherbringen. Auf die Highschool gehen, neue Sportarten ausprobieren, neues Essen – ich will einfach die neue Umgebung wahrnehmen und das alltägliche Leben leben.
Was erhoffst du dir von deinem Jahr in den Vereinigten Staaten?
Reeb: Ich will meine Englischkenntnisse verbessern. Wenn man zehn Monate nur Englisch spricht, wird sich das sehr wahrscheinlich verbessern. Außerdem wird man durch so ein Auslandsjahr selbstständiger, eben weil man nicht die Eltern direkt in der Nähe hat und um Hilfe bitten kann. Man muss dann eigenständig seine Probleme lösen. Zum Beispiel auf der Highschool neue Leute kennenlernen, neue Freunde finden und auf die Menschen zugehen.
Wie hast du dich auf diese neue Erfahrung vorbereitet?
Reeb: Zum einen war ich – wie vorhin schon erwähnt – bei einem Vorbereitungsseminar. Zum anderen tausche ich mich mit anderen PPP-Stipendiaten aus. Das hilft total. Wir haben auch eine Whatsapp-Gruppe mit aktuellen PPPlern, die aber leider mit mehr als 250 Mitgliedern ihr Limit erreicht hat. Auch mit ehemaligen Austauschschülern habe ich schon gesprochen.
Gibt es etwas, wovor du Angst oder Respekt hast?
Reeb: Ich probiere sehr offen an die Situation zu gehen und alles anzunehmen. Selbst wenn mir etwas nicht gefällt, betrachte ich es als eine Erfahrung. Ich bin Vegetarierin und könnte mir vorstellen, dass das etwas schwieriger werden könnte. Die Nahrung in den USA ist vermutlich eher fleischlastig. Aber dann esse ich Beilagen (lacht). Ich mache mir da insgesamt noch nicht so viele Gedanken. Allerdings glaube ich, dass ich natürlich meine Familie und Freunde vermissen werden, insbesondere an Feier- oder Geburtstagen.
Wie vereinbart sich das Jahr in den USA mit deinem Amt im Jugendgemeinderat?
Reeb: Natürlich ist es schade, dass ich durch meine Zeit im Ausland nicht mehr in Präsenz dabei sein kann. Das Amt als Jugendgemeinderätin macht mir wirklich sehr großen Spaß. In den aktuellen Richtlinien gibt es dazu keine eindeutige Aussage. Vermutlich würde ich nicht ausscheiden, weil ich meinen Hauptwohnsitz nicht ändere. Damit die Sachlage einfacher wird, hat der Jugendgemeinderat bei seiner letzten Sitzung beschlossen, dass ich auf jeden Fall Teil des Jugendgemeinderates bleibe, was mich sehr freut. Dass ich nicht in Präsenz teilnehmen kann, ist aber kein Hindernis für mich, trotzdem ein aktiver Teil des Teams zu bleiben. Denn es ist möglich, an den Sitzungen online teilzunehmen. Ich plane, zu jeder Sitzung online dabei zu sein, und bin zuversichtlich, dass das klappt.
Hast du deinen Paten Olav Gutting bereits kennengelernt?
Reeb: Ja. Mit der Auswahl zum PPP kamen wir ins Gespräch. Danach sprach ich noch mal mit Olav Gutting und bat um einen Praktikumsplatz, weil ich das Bogy-Praktikum nächstes Jahr nicht machen kann. Ich habe Anfang Juli dann das Praktikum bei ihm in Berlin im Bundestagsbüro gemacht. Es hat mir viel Spaß gemacht. Mit meinem Praktikantenausweis konnte ich mich relativ frei in allen Gebäuden bewegen. Ich war auch auf der Tribüne des Plenarsaals, als es eine Debatte gab. Das war natürlich etwas ganz anderes als das nur im Fernsehen zu sehen. Auch bei Ausschüssen in Arbeitsgruppen und Fraktionssitzungen war ich dabei. Das war sehr interessant.
Willst du in der Zukunft mehr in Richtung Politik machen – eventuell auch beruflich?
Reeb: Ich würde mal sagen: Sag niemals nie. Ich könnte es mir grundsätzlich schon vorstellen, aber ich weiß es noch nicht. Je nachdem, was die Zukunft bringt.
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