Reilingen. Für Bürgermeister Stefan Weisbrod kam die Nachricht der über einen Sechser im Lotto gleich: Die Hausarztversorgung in der Gemeinde ist für die nächsten Jahre ein Stück sicherer, auch wenn sich Dr. Michael Eckstein aufs Altenteil zurückzieht. Wie bei einem Gespräch im Reilinger Rathaus zu erfahren war, wird die Praxis von Dr. Eckstein im Frühjahr von Dr. Stefan Reschke übernommen. Ein gleitender Übergang, Dr. Eckstein wird noch einige Zeit in der Praxis mitarbeiten.
Dr. Stefan Reschke ist in der Gemeinde kein Unbekannter, seit einiger Zeit gehört er dem Gemeinderat für die Liste der FDP an. Dr. Reschke hat eine Praxis in Walldorf und wird die beiden Praxen zusammenführen, sprich künftig an zwei Standorten tätig sein. Da in der Walldorfer Praxis mehrere Ärzte arbeiten bedeutet dies für Reilingen eine deutliche Verbesserung. Und, machte Reschke deutlich, das Personal der Praxis wird komplett übernommen.
In 25 Jahren in Reilingen hat Dr. Eckstein gelernt, was es heißt ein Landarzt zu sein
Für Eckstein nicht nur wegen der Ankündigung der Übergabe seiner Hausarztpraxis ein denkwürdiger Termin, sondern auch, weil er dieselbe vor exakt einem Vierteljahrhundert übernommen hat, wie er sich im Gespräch mit Bürgermeister Weisbrod und Dr. Reschke erinnert. Er sei damals Krankenhausmediziner gewesen, als er sich zu diesem Schritt entschloss, erinnert sich Eckstein: „Ich habe lernen müssen, was es heißt ein Landarzt zu sein.“
Übernommen hat er seine Praxis von Prof. Dr. Georg Härter, der vor 25 Jahren in der Wilhelmstraße praktizierte. Gut anderthalb Jahre später erfolgte der Umzug der Praxis in die Hauptstraße, an der Ecke zur Kirchenstraße, wo sie noch heute ihren Platz hat.
Eckstein ist seit Jahren berufspolitisch aktiv, ist Vorsitzender des Ärztenetzwerkes Hockenheim und stellvertretender Landesvorsitzender des Medi-Verbundes. Weshalb eine Praxisübergabe nach einem Vierteljahrhundert nicht ohne einen Vergleich der Zeiten und dem Aufzeigen der Veränderungen auskommt. Gravierend für Eckstein: Dr. Härter zog sich damals aus Altersgründen zurück, praktizierende Ärzte über 68 Jahren gab es vor 25 Jahren nicht. Heute, wo der Mangel an Hausärzten eklatant ist, gilt dies nicht mehr, berichtet er von der wohl ältesten Medizinerin im Land, einer 94-Jährigen im Schwarzwald.
Früher mussten sich Ärzte für die Übernahme einer Praxis bewerben
Und man musste sich um die Nachfolge einer Praxis bewerben, erinnert sich Eckstein, damals nicht allein gewesen zu sein. Doch er sei sich schnell mit Dr. Härter einig gewesen, habe die Praxis samt Mitarbeiterinnen übernommen. Als dann der Neubau in der Hauptstraße anstand, sei der Umzug erfolgt, hier habe er sich optimal nach seinen Vorstellungen einrichten können.
Nun ist ein Vierteljahrhundert ins Land gegangen, Reilingen fast zur Heimat von Eckstein geworden, der vor Ort fast jeden kennt. Weshalb es in seinen Augen nicht vorstellbar war, die Praxis abzuschließen und die Leute allein zu lassen – „ich hätte ein schlechtes Gewissen gehabt“. Und so findet es auch Dr. Eckstein „superklasse“, dass er einen Nachfolger gefunden hat.
Wäre es nicht so gekommen, hätte es für die Menschen in Reilingen schlecht ausgesehen. Denn seine Patienten wären dann ohne Arzt dagestanden, erläutert der Mediziner. Zwar ist er nicht der einzige Arzt vor Ort, doch so wie vor Jahren, als er nach der Schließung der Praxis von Dr. Frank Harter über 300 Patienten übernommen hat, gehe es heute nicht mehr. Die Hälfte aller Hausärzte in der Verwaltungsgemeinschaft hätten einen Aufnahmestopp, schätzt er, da sei es für den einzelnen Patienten nicht leicht, einen neuen Arzt in der Nähe zu finden und auf seine 1000 Patienten wäre ein großes Problem zugekommen. Und viele Ärzte müssten Nein sagen, so Dr. Eckstein, weil es einfach nicht mehr anders gehe, die Arbeitsbelastung zu hoch sei.
Das Hauptproblem in den Augen des Hausarztes ist der fehlende Nachwuchs. Die überbordende Bürokratie, die Arbeitsbelastung und im Vergleich geringen Erträge würden viele Jungmediziner abschrecken. Und wer will sich heute noch für 25 Jahre binden, will Eckstein wissen und freut sich umso mehr, mit Reschke einen Nachfolger gefunden zu haben.
Wie Dr. Reschke ausführt, wird die Reilinger Praxis zur Zweigstelle seiner Walldorfer Einrichtung, die Patientendaten der zwei Praxen zu einem verschmolzen. Für Reilingen ein Vorteil – die Zahl der Ärzte vor Ort wird sich erhöhen, vor Ort wird immer ein Ansprechpartner verfügbar sein. Auch werden sich durch den größeren Mitarbeiterpool die Schließtage verringern.
Und, hält Dr. Reschke fest, er ist ein Anhänger der digitalen Medizin, in seiner Praxis gibt es kaum noch Papier, dafür eine App als Mittel der Kommunikation, Videosprechstunden und vieles mehr, was die Arbeit im Alltag erleichtert. Und Reschke wird das breite Spektrum seiner Walldorfer Praxis auch in Reilingen anbieten – von der Ernährungsmedizin bis hin zur Rheumatologie deckt die Praxis mehr ab, als man es von einer Hausarztpraxis gewohnt ist. Was für Dr. Reschke ein Weg in die Zukunft ist – künftig werden es immer mehr medizinische Zentren mit Spezialisierungen geben, ist er überzeugt.
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