Reilingen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich am Freitag die Nachricht vom Tod des Ehrenbürgers Philipp Bickle in der Region, löste Bestürzung und Trauer weit über die Grenzen der Gemarkung hinaus aus. Und für viele ist es noch immer nicht fassbar, dass der Ortschronist nicht mehr unter den Lebenden weilt, welche Lücke sein Tod in der Gemeinde hinterlässt.
Im Dezember 2021 feiert die Gemeinde ihren Ehrenbürger Philipp Bickle, der in der Nacht von Donnerstag auf Freitag verstarb, mit einem Empfang zu seinem 80. Geburtstag im Dorfgemeinschaftshaus „Zum Löwen“, unter dessen Dach sich auch das Heimatmuseum befindet. Ein Kleinod, das seit diesem Tag den Namen „Philipp-Bickle-Heimatmuseum“ trägt und die Erinnerung wach hält an einen Sohn der Gemeinde, wie es lange keinen zweiten mehr gibt.
Zwar lag da der Geburtstag schon einige Tage zurück, Philipp Bickle erblickt am 18. November 1941 das Licht der Welt, dennoch sollte sich der Empfang als Glücksfall erweisen – die Corona-Pandemie war auf dem Rückzug und in abgespeckter Form und unter der Beachtung der Sicherheitsvorschriften konnte die Gemeinde ihrem Ehrenbürger ihre Reverenz erweisen.
Museum trägt seinen Namen
Bei diesem Empfang wurde dem Ehrenbürger nicht nur die Namensgebung fürs Heimatmuseum angetragen, sondern er wurde zugleich zum Ehrenmitglied der Kultur- und Sportgemeinschaft ernannt. Zwei Bereiche, die das Leben des Pädagogen dominierten – die Geschichte und die dörfliche Gemeinschaft. Für ihn zwei Seiten derselben Medaille.
Das Reilinger Urgestein, wie ihn Bürgermeister Stefan Weisbrod nannte, lebte, fest verwurzelt in der Gegenwart, die Geschichte. Zusammen mit seiner Ehefrau Hildegard, die vor sieben Jahren im Alter von 72 verstarb, ließ Philipp Bickle das Großherzogtum Baden auferstehen, dem das Paar Leben einhauchte, das es zeitgemäß in Szene setzte.
Hildegard Bickle unterrichtete lange Jahre an der Schillerschule in Reilingen, Philipp Bickle war zuletzt Konrektor an der Schule in Neulußheim und beide wussten mit Geschick, das Wissen der Ahnen der Jugend näherzubringen. Und seine Frau hielt ihm den Rücken frei, für die vielen Talente, die er in die dörfliche Gemeinschaft einzubringen wusste. Ob Spargelbruderschaft, Oster- und Kunsthandwerkermarkt, Sommertagszug oder Tag des Denkmals – der Ortschronist war stets zur Stelle, wenn es galt, Geschichte aufzubereiten.
Philipp Bickle initiierte und gründete die „Freunde Reilinger Geschichte“, deren Herzstück das Heimatmuseum ist, das vom Ehrenbürger mit viel Herzblut aufgebaut wurde. Unzählige Führungen durch das Museum mit seinen Alltagsgegenständen aus der Welt der Ur- und Großeltern brachten vielen Menschen die Geschichte näher, Kurse in Sütterlin ermöglichten es Interessierten, die Kochbücher ihrer Vorfahren im Original zu lesen, und stets war das Heimatmuseum eine Anlaufstelle für Schulklassen, die der Pädagoge kenntnisreich durch die Geschichte führte.
Doch mit seinen Kenntnissen um die Geschichte hielt Philipp Bickle nicht hinterm Berg, kaum eine Festschrift oder Vereinschronik, die nicht aus seiner Feder stammte. Sein Wissen war gefragt und wurde geschätzt.
Bei der Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Philipp Bickle brachte der frühere Bürgermeister Helmut Müller, selbst ein Träger dieser höchsten Auszeichnung der Gemeinde, als Laudator das Wirken von Bickle auf den Punkt: Er pries als besonderes Talent von Bickle denn Fähigkeit, „Menschen zusammenzuführen, sie für eine gemeinsame Sache zu begeistern und unermüdlich präsent zu sein. Heimat- und Traditionspflege heißt nicht, Asche von Vergangenem aufzubewahren, sondern die Glut am Glühen zu halten“, würdigte Müller den neuen Ehrenbürger.
Vielfach ausgezeichnet
Für seine Verdienste war Bickle vielfach ausgezeichnet worden. Er war Träger der Landesehrennadel des Landes Baden-Württemberg, war Träger der Ehrennadel des Arbeitskreises Heimatpflege und wurde von der Gemeinde mit der Bürgermedaille ausgezeichnet, der sich später die Ehrenbürgerwürde anschloss.
Nun heißt es Abschied zu nehmen von der „Legende unserer Heimat- und Brauchtumspflege“, wie es Bürgermeister Weisbrod in seinem Nachruf formuliert. Beim Empfang zum 80. Geburtstag des Ehrenbürgers hatte der Gemeindechef mit trefflichen Worten angedeutet, wie groß die Lücke ist, die der Verstorbene in der Gemeinde hinterlässt: „Er gehört zum Ort wie der Hase zum Wappen.“
Unsere Anteilnahme gilt seiner Familie und allen Menschen, die ihn kannten, schätzten und in Erinnerung behalten werden.
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