Reilingen. In der Januarsitzung des Gemeinderates wurde der Haushaltsplan für das laufende Jahr eingebracht und löste ein Beben am Ratstisch aus: Im Ergebnishaushalt klaffte eine Lücke von zwei Millionen Euro und selbst bei den bereinigten Zahlen war es der Gemeinde seit langer Zeit nicht mehr gelungen, mit den laufenden Einnahmen die laufenden Ausgaben zu decken. Obendrein drohte eine Neuverschuldung von über neun Millionen Euro.
Bis zur Verabschiedung des Haushaltes in der Sitzung an diesem Montag, der Februarsitzung, wurde in Verwaltung und Rat viel diskutiert, auf einer Klausurtagung kräftig der Rotstift angesetzt. Womit Bürgermeister Stefan Weisbrod dem Rat nun einen Haushaltsplan vorlegen konnte, bei dem im Ergebnishaushalt nur noch eine Lücke von 1,6 Millionen Euro klafft, die geplante Kreditaufnahme auf sechs Millionen Euro gedrückt werden konnte. Kleine Verbesserungen, die nicht darüber hinwegtäuschen können, dass die fetten Jahre für die Gemeinde vorüber sind. Was nicht zuletzt auch daran liegt, wie die Sprecher aller Fraktionen betonten, dass der Kommune immer mehr Aufgaben von Land und Bund übertragen werden, ohne dass diese dafür geradestehen. Stichwort: Wer bestellt, der bezahlt.
Reilingen ist nur eine von vielen Kommunen mit negativen Haushalt im Kreis
Das geringfügig verbesserte Defizit im Ergebnishaushalt wollte Patricia Faber (FW) nicht trösten, zumal es höher ist als im Vorjahr und weiter ansteigen wird – 2027 rechnet der Kämmerer mit einem negativen ordentlichen Ergebnis von 3,6 Millionen Euro. Insgesamt, so die Gemeinderätin, reiht sich Reilingen in die Masse der Kommunen im Rhein-Neckar-Kreis ein, die ihren Haushalt nicht ausgleichen können.
Für die Verschlechterung der Haushaltszahlen machte Faber die immer größer werdenden Aufgaben verantwortlich, die den Kommunen von Bund und Land übertragen werden, „ohne hier auf einen finanziellen Ausgleich zu achten“. Dies gelte besonders für die gestiegenen Betreuungskosten für Kinder und Jugendliche. Mittel, an denen Faber nicht rütteln will: „Wir wissen, dass jede Investition in die Bildung, sei es im Kindergarten oder der Schule, eine Investition in die Zukunft ist.“
Doch die immer neuen Auflagen in den Bildungseinrichtungen hätten die Kosten maßlos in die Höhe getrieben, klagte Faber und verwies auf den Zuschuss an die Kindergartenträger, der mittlerweile bei 3,6 Millionen Euro liege – 14 Prozent des Haushaltsvolumens. Nun stünden erneut Investitionen von neuen Millionen Euro für einen neuen Kindergarten und die Erweiterung der Schule im Raum. „Wie lange können wir, aber auch andere Kommunen diese finanzielle Belastung alleine stemmen“, fragte Faber in die Runde.
Steigende Personalkosten lassen Reilingen kaum Spielraum für Investitionen
Gleichfalls ein Dorn im Auge sind Faber die steigenden Personalkosten, die im Vergleich zum Vorjahr um über 23 Prozent gestiegen sind und nun bei über sechs Millionen Euro liegen. Es sei wichtig, so Faber, die Mitarbeiter wertzuschätzen, doch würden die steigenden Fixkosten den Spielraum für notwendige Investitionen der Gemeinde weiter einschränken.
Gerade in Zeiten knapper Kassen sei es wichtig, Investitionen in die Infrastruktur nicht aus den Augen zu verlieren, betonte die FW-Fraktionssprecherin und nannte als Beispiele die Erweiterung des Einkaufsmarktes, den sozialen Wohnungsbau, das geplante Ärztehaus oder Investitionen in den Katastrophenschutz. Angesichts dieser vielen Aufgaben sei es wichtig, jede einzelne Maßnahme genau abzuwägen.
Schon im vergangenen Jahr habe man darauf hingewiesen, dass die Gemeinde große finanzielle Probleme bekommen werde, stellte SPD-Fraktionssprecher Dieter Rösch in seiner Stellungnahme zum Haushaltsplan fest und sah durch die aktuellen, negativen Zahlen seine düstere Prognose weiter übertroffen.
Die Klausurtagung von Rat und Verwaltung hat in den Augen von Rösch an der schlechten finanziellen Lage nur wenig geändert, noch immer müssten rund sechs Millionen Euro neue Schulden gemacht werden und: „Wir schaffen es nicht, den Haushalt auszugleichen.“ Dabei ist es für Rösch nur ein geringer Trost, innerhalb der Gemeinden im Kreis in guter Gesellschaft zu sein.
Kommunen wie Reilingen hadern mit den Zuweisungen von Bund und Land
Auch der Sozialdemokrat macht externe Grüne für die Misere verantwortlich. Beispielsweise seien die Zuweisungen von Bund und Land an die Gemeinde weiter gestiegen, würden jedoch von den Umlagen, die Reilingen wiederum abführen müssen, aufgezehrt. Unterm Strich eine Steigerung im Saldo von einer halben Million Euro, die die Gemeinde weniger in der Kasse hat.
Als Beispiel nannte Rösch die Kreisumlage, die um drei Prozentpunkte auf nunmehr 27,5 Prozentpunkte steigt. Rechnet man die Prozentpunkte auf die Gemeinde um, so ergibt sich in realen Zahlen eine Steigerung um 870 000 Euro, was rund 30 Prozent entspreche. Wobei, fügte der Sozialdemokrat hinzu, er keineswegs den Kreis als Schuldigen hinstellen wolle. Dieser leide genauso unter den Sachzwängen, müsse Millionen für die Krankenhäuser oder den ÖPNV aufbringen. „Und Krankenhäuser will keiner schließen“, steht für Rösch fest.
Fakt sei auch, so Rösch, dass die Gemeinde kaum Sparpotenzial habe, die Tarifsteigerungen beim Personal oder die Ausgaben für Betreuung und Erziehung seien nicht zu beeinflussen. Dennoch, die Investitionen in Schule und einen neuen Kindergarten müssten zum Teil zurückgestellt werden – „wir sind Leidtragende einer Politik, die uns im Regen stehen lässt“.
Nahversorgung und sozialer Wohnungsbau: Reilingen muss genau abwägen
Rösch forderte dazu auf, Investitionen klug abzuwägen, in die Daseinsfürsorge, Nahversorgung und sozialen Wohnungsbau zu investieren und dabei den Aspekt der Nachhaltigkeit als Primat zu nehmen. Positiv erwähnte er, dass weder Gebühren noch Steuern erhöht würden, an der Vereinsförderung ebenso festgehalten werden wie an der Unterstützung für die Feuerwehr oder die Musikschule. Letztlich stimmte Rösch dem Zahlenwerk – „trotz großer Bauchschmerzen“ – zu.
Sie seien nicht schön, aber Realität, urteilte Peter Kneis angesichts der Zahlen des Haushaltes und sah die Gemeinde im Rhein-Neckar-Kreis nicht alleine dastehen mit dem negativen Ergebnis.
Angesichts der Prognosen für die nahe Zukunft bezeichnet es der Sprecher der CDU-Gemeinderatsfraktion als immer schwieriger, einen ausgeglichenen Haushalt zu planen. „Vor allem die gesetzlichen Vorgaben zwingen uns, viel Geld in die Hand zu nehmen“, klagte Kneis und nannte beispielhaft die Vorgaben für die Kinderbetreuung. Natürlich wolle man eine hochwertige Betreuung, doch seien die Kosten gleichfalls sehr hoch, würden Jahr um Jahr explodieren.
Reilingen muss 3,7 Millionen Euro für die Kinderbetreuung aufbringen
Rund 3,7 Millionen Euro müsse die Gemeinde für die Kinderbetreuung aufbringen - „eine wahnsinnige Summe“. Und das Geld nehme der Gemeinde die Handlungsfreiheit für freiwillige Leistungen. Vor dem Hintergrund der knappen Finanzen habe man einen Kindergarten im E-Gebäude der Schule untergebracht, nun herrsche Platznot und müsse eine Containerlösung her – „schnell und günstig“.
Begrüßt wurde von Kneis die Erweiterung des Einkaufsmarktes – eine Investition in die Nahversorgung, die einkaufen vor Ort und ohne Fahraufwand ermögliche. Weiterhin gelte es für die Gemeinde zu investieren, beispielsweise in den Erhalt der Straßen und der Kanalisation.
Vor dem Hintergrund der knappen Finanzen habe sich die Union entschieden, keine Anträge zu stellen, so Kneis, der einige Zukunftsprojekte ansprach, die der Union am Herzen liegen. So das Ärztehaus, die Unterstützung der Feuerwehr oder die Erweiterung der Schillerschule. Gleichfalls ein wichtiges Projekt sei die Schaffung von sozialem Wohnraum – „eine soziale Ausgrenzung darf es nicht geben“.
Weiterhin gelte es, die Kosten im Blick zu haben, so Kneis, der den wachsenden Schuldenstand der Gemeinde als noch unkritisch bezeichnete – ein Großteil der neuen Kredite werde an die Eigenbetriebe weitergereicht – „das Geld kommt zurück“.
Reilinger Grüne setzen auf ein "gemeinsam schaffen"
Eigentlich könne man dem Haushalt nicht zustimmen, stellte Simon Schell für die Grünen angesichts des Minus im Ergebnishaushalt fest. Wenn sie es letztlich dennoch taten, dann aus der Zuversicht heraus, „das vorliegende Haushaltsjahr zusammen zu schaffen“.
Schell verwies auf die gestiegene Kreisumlage, auf die mehr abzuführende Finanzausgleichsumlage und die gestiegenen Personalkosten sowie die gestiegenen Zuschüsse an die Kindergartenträger. Zwar stiegen auch die Einnahmen der Gemeinde, doch mache diese die allgemein inflationsbedingt gestiegenen Kosten „vorne und hinten nicht wett“.
Die Notwendigkeit der abzuführenden Mittel wollte der Grüne nicht bestreiten, insbesondere der Kreis brauche Geld für das Defizit der GRN-Kliniken. Ferner würden dadurch Gemeinden alimentiert, die finanziell schlechter dastehen als „unser Dorf“. Auch die gestiegenen Personalkosten sah Schell nicht negativ – „die Beschäftigten müssen angemessen bezahlt werden“. Denn auch diese würden unter der Inflation leiden.
Geplante Maßnahme für die Reilinger Feuerwehr und örtliche Vereine sind wichtig
Schell ging auch auf geplante Maßnahme ein, „wichtige Investitionen, die uns allen zugutekommen sollen“. Er nannte die Beschaffungen für die Wehr, die Umstellung der EDV im Rathaus, die LED-Beleuchtung der Straßen oder die Unterstützung der örtlichen Vereine.
Eine große finanzielle Herausforderung werde der Umbau der Schule in den kommenden Jahren sein. Dieser sei zum einen dem „bewährten Prinzip der Gemeinschaftsschule“ geschuldet, zum anderen der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an der Grundschule, wie noch von der Großen Koalition beschlossen.
Allerdings, wollte Schell nicht zu schwarz sehen, Förderprogramme seien bereits auf dem Weg, die Gemeinde werde nicht alleine gelassen. Zudem könne man von anderen Kommunen lernen, die für die Erweiterung ihrer Schule einen Generalunternehmer eingeschaltet hätten und so die Kosten senkten.
Neuer Kindergarten und Sanierungen: Weitere Investitionen in Reilingen nötig
Weitere Investitionen würden für den neuen Kindergarten und die Sanierung des Fachwerks des Dorfgemeinschaftshauses benötigt. Gleiches gelte für den Bau von Immobilien, der nachhaltig erfolgen soll. Für solche Projekte, betonte Schell, sei es sinnvoll, Steuergeld in die Hand zu nehmen.
Begrüßt wurden von ihm die Investitionen der KWG in bezahlbaren Wohnraum, in die Nahversorgung und in Photovoltaik – diese seien nachhaltig und würden sich schnell amortisieren. Obendrein seien sie ein Beitrag der Gemeinde für den Klimaschutz.
Reilinger Kämmerer wird mit einem Handballtorwart verglichen
Peter Schell (FDP) zeigte sich zufrieden, dass es dem Gemeinderat und der Verwaltung in vielen Gesprächen und Beratungen gelungen sei, das Defizit im Haushalt zu senken. Dennoch, „wir schwimmen nicht im Geld“, sah der Liberale die Aufgabe von Kämmerer Bickle darin, analog einem Handballtorwart die „finanziellen Einschläge abzuwehren“.
Viele Maßnahmen sei bei den Beratungen gestrichen oder gestreckt worden, sah Schell die Gemeinde auf einem vernünftigen Weg und riet dazu, Wünschenswertes von Machbarem zu trennen.
Letztlich wurde dem Haushaltsplan für das laufende Jahr samt dem Wirtschaftsplan der Eigenbetriebe und der Kommunalen Wohnungsbaugesellschaft (KWG) vom Rat geschlossen zugestimmt.
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