Reilingen. Wo brütet auf der Gemarkung der Gemeinde die Kohlmeise, wo sind Kolonie-Brutkästen gefragt und wo hat sich im vergangenen Jahr kein Brutpaar blicken lassen? Das sind nur einige der Fragen, die Herbert Nehiba mit einem kurzen Blick in seine Kladde umgehenden beantworten kann. Den gelernten Schreiner kann man getrost als den Herrn der Nistkästen bezeichnen – liebevoll und voller Elan kümmert er sich um die Reilinger Vogelwelt und sorgt dafür, dass die rund 200 über das gesamte Gemeindegebiet verteilte Nistkästen in Schuss sind.
„In Schuss sind“ bedeutet im Fall von Nehiba im Frühjahr jede Menge Arbeit. An drei Wochenenden war er heuer im Einsatz, um alle Nistkästen aufzusuchen, zu säubern oder – falls sie nicht angenommen worden waren – über neue Standorte zu entscheiden. Seit mittlerweile einem Dutzend Jahren hat sich Nehiba der Aufgabe verschrieben und ein Ende ist lange noch nicht in Sicht. Zumal die Ornithologie sein Hobby, der Schutz der Natur und ihrer Lebewesen ihm ein Anliegen ist.
Nistkästen-Pflege in Reilingen: Leidenschaft trifft Handwerk
Bei rund 200 in der Gemeinde hängenden Kästen muss betont werden – sie stammen von dem Schreiner. 2012 hat er damit begonnen, vorhandene Kästen vor der Brutsaison zu säubern. Kästen, die von 30, 40 Jahren von der Jugendfeuerwehr gereinigt wurden. Wer sie letztlich aufgehängt hat, darüber schweigt die Chronik.
Die Kästen müssen im Frühjahr von Unrat und alten Nestern befreit werden, in denen Krankheitserreger lauern können. Doch so recht hat wohl keiner der Kästen den Ansprüchen von Nehiba entsprochen, weshalb er sich im kommenden Winter in seine Werkstatt begab und begann, eigene Nistkästen aus Holz anzufertigen. Im Februar 2013 konnte er dann die ersten 20 Kästen aus eigener Produktion aufhängen. Später stieg er um auf die Kästen der Firma Schwegler, von der nun das Gros in der Gemeinde hängt.
Reilinger Bauhof unterstützt tatkräftig
Zupass kam dem Schreiner damals, dass er im Bauhof der Gemeinde beschäftigt war und die vorhandenen Maschinen nutzen durfte. Mittlerweile ist er als Hausmeister für alle Kindergärten der Gemeinde zuständig, wo er perfekt sein handwerkliches Können einbringen kann.
Bis 2020 hatte Nehiba rund 150 Kästen aufgehängt, von der Begegnungsstätte über Friedhof und Reiterplatz, Burgweg, Kleingärten bis hin zu Fritz-Mannherz-Hallen, Wasser und Anglersee. Vor zwei Jahren – „nach acht Monaten Corona-bedingt verzögerter Lieferzeit – kam 50 weitere hinzu, von denen er einen Großteil am Anglersee aufhängte. Und nach und nach hat er alle Holznistkästen gegen Holzbeton-Nistkästen der Firma Schwegler ausgetauscht, die einfacher zu reinigen sind.
Erfolgsgeschichte in Reilingen: Anpassung der Nistkästen
Wie Nehiba in den vergangenen Jahren überhaupt ein Fachmann für Nistkästen geworden ist. Er kennt die Größe der Schlupflöcher, die von den einzelnen Arten bevorzugt werden und er kann anhand des vorgefundenen Materials genau sagen, welcher Vogel in dem Kasten gebrütet hat. Meisen bevorzugen weiches Moos, Stare haben es gerne etwas rustikaler und der Kleiber stattet seinen Kasten mit den Schuppen von Tannenzapfen und Rindenstücken aus.
Und dann gibt es Kästen mit einem Schlupfloch, quasi ein Einfamilienhaus, oder solche, die in Reihe gebaut sind, Reihenhäuser eben, die von Kolonievögeln wie den Spatzen bevorzugt werden. Daneben gibt es Nistkästen, die ihr Schlupfloch seitlich haben, was der Baumläufer bevorzugt.
Engagement und Naturschutz in Reilingen: Nehibas Mission
Und ganz wichtig für Nehiba: 2019 hat er begonnen, seine Kästen zu nummerieren, seit 2020 dokumentiert er alle Ereignisse rund um die Kästen penibel in seiner Kladde. Die Genauigkeit ist dabei der Aufgabe geschuldet, denn wenn ein Kasten zweimal hintereinander nicht belegt war, wird er ausgetauscht.
Als Beispiel führt er den Burgweg an, wo er an einem Baum zuerst einen Dreilochkasten aufgehängt hatte. Ohne Erfolg. Dann probierte er einen Einlochkasten – gleiches Ergebnis. Erst als er die Größe des Schlupfloches variierte, stellte sich der Erfolg ein – der Kasten ist belegt. „Man muss beobachten, schauen, woran es liegen könnte, wenn der Kasten nicht angenommen wird“, umreißt er seine Geduld, gestützt auf eine große Datenlage, die ihn am Ende immer ans Ziel führt.
Sein Wirken wird übrigens von der Gemeinde geschätzt, bricht Nehiba im Frühjahr zu seiner Putztour auf, wird ihm vom Bauhof ein Piaggio zur Verfügung gestellt, mit dem er Leiter und Material transportiert und seine Runden dreht.
Vom Hobby zur nachhaltigen Vogelpflege
„Es ist halt ein Hobby“, begründet er sein weit über das Übliche hinausgehende Engagement. Wobei, merkt er an, die Liebe zu den Vögeln die hat er vom Vater geerbt, schon früher sei immer Leben im Garten gewesen, seien die Meisen und Co. gefüttert worden.
Was er auch macht, er hat sogar ein eigenes Verfahren entwickelt, die Knödel ohne Netze oder anderes Material aufzuhängen – „nachhaltig“, wie er betont.
Was das Füttern von Vögeln anbelangt, hält er es mit der Wissenschaft, die dazu rät – auch im Sommer gibt es immer weniger Insekten, die den Tieren als Nahrung dienen können. Er selbst hat die Erfahrung gemacht, dass die Alttiere in der Brutzeit die Jungen mit Insekten füttern, sich selbst am Knödel bedienen, das natürliche Futter fast schon rationieren.
Weshalb Nehiba hofft, dass bald in der ganzen Gesellschaft ein Umdenken einsetzt, der Naturschutz an Bedeutung gewinnt und sich die Lebensgrundlagen der Tiere hierzuladen deutlich verbessern. Zum Wohle auch der Menschen.
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