Reilingen. Aufregende Monate liegen hinter Anthea Reeb aus Reilingen. Neue Freunde, Familienmitglieder, Erfahrungen und Erlebnisse – die für immer bleiben – hat sie dazugewonnen. Seit Mitte Juni ist die 17-Jährige zurück in ihrer Heimat – nach fast einem Jahr in den USA. Ende August 2022 ist sie in die USA geflogen. Sie hat das Parlamentarische Patenschaftsprogramm (PPP) bekommen, ein Stipendium des deutschen Bundestags in Kooperation mit dem US-Congress. Zehn Monate lebte sie nun bei einer Gastfamilie in Batesville, Indiana.
„Nach Hause zu kommen, war krass. Ich konnte kaum glauben, dass es vorbei ist“, sagt Anthea über ihre Rückkehr und betont: „Es war ein Jahr, das ich so nie mehr erleben werde. Ich werde nie mehr das erste Mal auf eine amerikanische High School gehen oder mit einem gelben Schulbus fahren.“ Auch wenn die Reilingerin auf ihre Zeit in den USA wehmütig zurückblickt, „ist es schön, wieder bei der Familie zu sein“. Mit Luftballons wurde Anthea am Flughafen von dieser in Empfang genommen. Der Abschied von ihrer Gastfamilie ist da schon drei Tage her, aber auch ein paar Wochen später bekommt sie noch Gänsehaut und hat mit den Tränen zu kämpfen, wenn sie an ihre letzten Tage in den Vereinigten Staaten zurückdenkt.
„Ende Mai begannen die Sommerferien. Ich habe die knapp zwei Wochen bis zu meiner Reise intensiv mit meinen Freunden und meiner Gastfamilie verbracht – die Zeit so gut es ging genutzt“, erzählt sie, dass Glück und Trauer dennoch die ganze Zeit nah beieinander lagen. „Es war ein unglaubliches Gefühl. Ich wusste gar nicht, wie ich damit umgehen soll“, beschreibt sie ihre Emotionen. Am 16. Juni bestieg sie den Flieger nach Washington, wo sie mit den anderen PPP-Stipendiaten das Wochenende verbrachte. Sie tauschten sich über die vergangenen Monate aus und wurden auf die Reise nach Deutschland vorbereitet.
Den Abend vorm Abflug in die US-Hauptstadt verbrachte Anthea mit ihrer Gastfamilie in einem Restaurant. „Ich habe sie zu meinem Lieblingsmexikaner eingeladen. Und danach saßen wir zu Hause noch zusammen“, erzählt sie, bevor es am nächsten Morgen an den Flughafen ging – es war emotional, es flossen Tränen. Eine neu gewonnene Familie und Freunde ließ Anthea in Batesville zurück. Doch der Kontakt bleibt. „Ich habe meine Gastfamilie bereits für nächstes Jahr nach Deutschland eingeladen“, verrät sie, dass sie den Kontakt zu ihrer „Wahlverwandtschaft“ weiterhin pflegen wird.
Unabhängigkeit fehlt in den USA
Was die 17-Jährige in den USA vermisste, war die Unabhängigkeit. Hier, zu Hause, steigt sie in den Zug oder den Bus, um an ihren Zielort zu gelangen. Das ging in Batesville nicht. „Ich war immer auf das Auto angewiesen und musste daher von meinen Gasteltern gefahren werden, weil ich ja noch keinen Führerschein habe“, erzählt sie, dass die Abhängigkeit vom Auto in den Vereinigten Staaten „extrem ist, vor allem halt in den ländlichen Gebieten“. Doch ein Gutes hatte das für sie auch, wie sie sagt. „Ich mache jetzt meinen Führerschein. Mein Aufenthalt in den USA hat diesen Wunsch verstärkt. Auch, wenn es hier viel teurer ist als in den USA“, sagt Anthea, die ihre ersten Theoriestunden schon hinter sich hat.
Auch, wenn sie die Abhängigkeit vom Auto störte, hat sie etwas aus den USA für sich persönlich mitgenommen – die Mentalität der Amerikaner. „Sie sind ganz anders als wir, machen viel mehr Komplimente. Das habe ich übernommen, weil ich das auch schön finde“, verrät sie, dass sie nun einfach mal ihren Freunden etwas Nettes zu einer gelungenen Frisur oder einem Shirt sagt, das ihr wirklich gut gefällt.
An der Highschool sammelte die 17-Jährige viele verschiedene Erfahrungen und probierte sich aus. Nachdem sie das Bogenschießen im ersten Semester mit ihrem Team bei den State-Meisterschaften erfolgreich hinter sich brachte, entschied sie sich im zweiten Semester für die Kurse Leichtathletik und Musical. Sechs Mal die Woche stand Leichtathletiktraining an. „Es hat Spaß gemacht und es waren tolle Leute dabei. Ich war nicht die Beste, aber hatte meinen Spaß“, erinnert sich Anthea an diese Zeit zurück und betont, dass die Highschools schon sehr wettbewerbsorientiert seien.
Als Musical führte die Gruppe „Addams Family“ auf. „Ich kannte das vorher nicht“, gibt Anthea zu, hatte jedoch trotzdem Spaß und lernte viele tolle Leute kennen. „Es dann aufzuführen, war richtig toll und für mich war es spannend, dass ich das ausprobiert habe“, sagt sie, auch wenn sie nur eine kleine Rolle hatte. Dennoch war bei der Aufführung ihre Gastfamilie samt Großeltern da, worüber sie sich sehr gefreut hat.
Abschlussball ein Erlebnis
Ein ganz besonderes Erlebnis für die 17-Jährige waren der Prom und die Senior Night (Abschlussball und Abschluss der Absolventen, Anm. d. Red.). Die Senior Night war, wie man sie aus typisch amerikanischen Highschool-Filmen kennt, verrät Anthea. Die Absolventen trugen den Talar und den Doktorhut, den sie klassisch in die Luft warfen. „Ich selbst habe es nicht getragen, weil ich ja keinen Abschluss gemacht habe. Aber bei der Feier wurden die Austauschschüler geehrt. Wir haben eine Decke mit Namen und Logo der Schule bekommen“, erzählt Anthea, dass dies ein ganz besonderes Andenken ist.
Besonders war auch der Prom, der Abschlussball am Ende eines Highschooljahres. Gemeinsam mit Freunden hat die Reilingerin sich für dieses Event schick gemacht und am Abend viele Stunden getanzt und einfach den Moment genossen. Damit sie für den Abend kleidertechnisch ausgestattet ist, war sie im Vorfeld gemeinsam mit ihrer Gastmutter und -schwester shoppen, um das richtige Dress zu finden.
Urlaub in Florida
Neben all diesen Momenten in der Schule machte Anthea in den Frühlingsferien noch mal Urlaub mit ihrer Gastfamilie in Florida, genauer in Panama City Beach. Und auch ansonsten erlebte sie im Alltag viel, denn neben ihren Aktivitäten macht auch ihre Gastschwester noch Leichtathletik, ihr Gastbruder spielt Golf. Immer wieder standen Wettkämpfe an, die die Familie gemeinsam besuchte. Ihre Freizeit verbrachte sie außerdem mit Freunden im Freibad und bei anderen Aktivitäten. Doch hin und wieder kam es vor, dass nicht jeder dabei sein konnte. „Ich habe das Gefühl, dass viel mehr Teenager in den USA neben der Schule einen Job haben. Es ist krass, wie sie das beides miteinander vereinbaren“, sagt Anthea, die selbst keinen Nebenjob hatte. Zum einen fehlte ihr die Arbeitserlaubnis, zum anderen ist es während des PPP-Stipendiums auch nicht erlaubt.
Den Kontakt in die Heimat hielt sie während ihres Aufenthalts vor allem über Whatsapp. „Zum Ende hin wurde der Kontakt wieder intensiver, weil ich mich auch auf zu Hause gefreut habe“, verrät sie. Der Familie und Freunden schickte sie immer wieder Bilder von ihren Erlebnissen. Auch der Kontakt zum Jugendgemeinderat war kein Problem: An den Sitzungen nahm Anthea digital teil und konnte sich daher jederzeit einbringen.
Um ein Stück Heimat in die vier Wände in Batesville zu holen, kaufte sich Anthea in einem internationalen Supermarkt eine Milkaschokolade. „Die war völlig überteuert, aber ich hab mir das gegönnt“, erzählt sie eine Anekdote, die ihr im Gedächtnis geblieben ist. Und auch in der Heimat wird sie viel an ihre Zeit in den USA erinnern. Denn mit einem Koffer mehr kehrte sie schließlich nach Deutschland zurück. „Vor allem Produkte von der Schule mit Logo und Namen habe ich nun sehr viele“, berichtet sie. So hat sie nicht nur die Erinnerungen im Kopf und im Herzen, sondern auch immer griffbereit.
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