Reilingen. Das kommunale Straßen- und Wegenetz wird täglich vielfach genutzt. Ob die Sicherheit dabei garantiert ist, hängt von vielen Umständen ab, vor allem aber vom eigenen Verhalten. Die gerade in jüngster Zeit deutlich gewordenen Defizite will der Gemeinderat aktiv und offensiv angehen. „Beim Thema Sicherheit und Verkehr müssen wir gemeinsam besser werden“, bringt es Bürgermeister Stefan Weisbrod auf den Punkt. In diesen mehrstufigen Prozess möchte er die Bürger einbinden, ganz nach dem Motto „Wenn‘s gut werden soll, braucht‘s alle“.
Das Echo auf die vom Gemeinderat ausgegangene Initiative war überaus positiv. Etwa zwei Dutzend interessierte Straßenanlieger und besorgte Eltern fanden sich im Ratssaal ein, um gemeinsam bei einer Bürgerversammlung mit Vertretern aus Gemeinderat, Verwaltung und Verkehrsplaner, vordringlich mit der Sicherheit auf den Schulwegen zu befassen. Dabei kam sicherlich die Kritik an so manchen unhaltbaren Zuständen nicht zu kurz, vor allem aber kamen auch kreative Verbesserungsvorschläge auf, die jetzt zeitnah auf eine Realisierung überprüft werden sollen.
Grenzen in Reilingen erreicht
„Unser innerörtlicher Verkehr ist eine Katastrophe und unsere liberal-flexible Vorgehensweise an ihre Grenzen gelangt.“ Mit diesen drastischen Worten eröffnete Weisbrod die Aussprache. Nahezu jedes Wohnquartier sei von Verkehrsproblemen mit Einflüssen auf den Schulweg belastet. „Was die Schulwegesituation betrifft, ist es schon fünf vor zwölf“, weshalb die Sorge der Eltern um das Wohl ihrer Kinder durchaus berechtigt sei und auch vom Gemeinderat geteilt werde.
Mit einigen statistischen Werten und einer Bilddokumentation verdeutlichte Weisbrod die große Herausforderung, die es zu bewältigen gelte. Tagesaktuell seien mittlerweile knapp 7000 Fahrzeuge in Reilingen angemeldet, über 2000 mehr als noch vor 15 Jahren.
Im Ortsbereich gebe es gleich mehrere Problembereiche, darunter der Kreuzungspunkt von Hockenheimer- und Wilhelmstraße sowie Sandweg. Dort habe die Gemeinde vielfach nachgebessert, beispielsweise den Fußgängerüberweg beleuchtet, einseitige Sperrstreifen markiert, einen Verkehrsspiegel angebracht und ganz aktuell den Gehweg mit sogenannten Bischofsmützen gesichert.
Im weiteren Verlauf der Wilhelmstraße falle in größerem Umfang das verkehrswidrige Parkverhalten auf: „Ein Punkt, dem wir mit einer Aufklärungskampagne, aber auch konsequentem Sanktionieren des Fehlverhaltens entgegenwirken wollen.“ Eine Ankündigung, die bei den Veranstaltungsteilnehmern durchweg positiv aufgenommen wurde. Mit Nachdruck verwies der Bürgermeister auf den vielfach unbekannten, seit Mai 2020 existierenden „Falschparkererlass“ des Verkehrsministeriums, der das Parken auf Gehwegen explizit verbiete, unabhängig von deren Breite. Um eine gefährliche Engstelle einzudämmen, habe die Gemeinde auf einem Teilabschnitt der Wilhelmstraße nahe der Schule ein einseitiges absolutes Halteverbot ausgeschildert.
Parken an der Schule ein Problem in Reilingen
Eine große Herausforderung bleibe das Parken im unmittelbaren Schulumfeld – auch „Kiss-and-Go-Area“ genannt – wo die Eltern ihre Kinder mit dem Auto bis vor die Schule bringen und beim Verabschieden den Verkehr blockieren. „So wie es bisher ist, kann es nicht weitergehen“, bekräftigte Weisbrod. Er appellierte an die Eltern, die großzügigen Parkflächen bei den Mannherz-Hallen zu nutzen, wo man eine Einbahnstraßenregelung einführen wolle. Mit einer „Kiss-and-Go-Zone“ sollen die Eltern ermuntert werden, ihre Kinder den restlichen Weg allein gehen zu lassen.
Es gebe weitere Brennpunkte im Ort, wie beispielsweise die Friedrich- oder Speyerer Straße, fuhr Weisbrod fort. Nicht überall sei eine Behebung möglich, allenfalls eine Problemverlagerung in Seitenstraßen. Schließlich verwies er noch auf das unverändert aktive kommunale Förderprogramm, mit dem elektronische Hoftorantriebe mit 500 Euro bezuschusst werden können.
Gerhard Pfeifer warb dafür, in der Wilhelmstraße zwischen Hockenheimer Straße bis über die Schule hinaus eine Einbahnregelung einzuführen und die Parkflächen besser zu markieren. Dieser Vorschlag wurde von mehreren Rednern als sinnvoll angesehen. Auch Kirchenstraße und Neugasse könnten einbezogen werden, so Pfeifer. Das werde die Situation entspannen und das Gefahrenpotenzial für alle Verkehrsteilnehmer signifikant absenken, war er überzeugt.
Lisa Dorn verwies auf diverse, den Verkehrsfluss beeinflussende Baustellensituationen und auf dem Gehweg abgestellte Abfallbehälter, wo die Fußgänger auf die Fahrbahn ausweichen müssten. In der Speyerer- und Hauptstraße könnten nach ihrer Meinung weitere Zebrastreifen die Sicherheit erhöhen.
Sebastian Ehrstein rückte die mit Veränderungen erzeugten Wechselwirkungen ins Bewusstsein und wünschte sich ein übergeordnetes Konzept. „Wir sind eine Pendlergemeinde und auf Pkw angewiesen, müssen lernen, damit umzugehen.“ Für gewisse Bereiche könne er sich eine Schrittgeschwindigkeit und bauliche Maßnahmen vorstellen, aber keine Einbahnstraße. Günter Rothbauer erinnerte an die Verantwortung der Schule und an eine gute Verkehrserziehung. Außerdem legte er nahe, den Gemeindevollzugsdienst zum eigenen Schutz als Duo auf Streife zu schicken.
Ordnungsamtsleiterin Lea Brümmer, die die Abendveranstaltung akribisch vorbereitet hatte, dankte gemeinsam mit Weisbrod für den konstruktiven Ideenaustausch. Als primär anzugehende Problembereiche nannte sie die Wilhelm- und Hockenheimer Straße sowie das Gehwegparken. Erste Vorschläge seien dort bereits umgesetzt und der Gemeindevollzugsdienst habe seine Einsatzzeiten signifikant erhöht. Ferner laufe das Antragsverfahren für einen Kurzzeitparkplatz an der Kita St. Anna. Einen erhofften zweiten Fußgängerüberweg in Höhe des E-Baus der Schule habe die Verkehrsbehörde indes abgelehnt.
Parkflächenkonzept nötig
Als vordringlich erachtete Brümmer ein Parkflächenkonzept für die Wilhelmstraße, eine flächendeckende Verkehrsberuhigung im Bereich Nachtwaidgraben, eine personelle Aufstockung des Gemeindevollzugsdienstes sowie eine Einbahnstraßenregelung auf dem Parkplatz der Fritz-Mannherz-Hallen.
Allerdings dürften die Bürger nicht überrascht sein, wenn die konsequente Ahndung von verkehrswidrigem Parkverhalten Geld koste, merkte Weisbrod an. Auch werde sich ein reduziertes Parkflächenangebot vermutlich in den Kassen des Einzelhandels negativ bemerkbar machen. Für unredlich hielt er es, allzu große Hoffnungen zu wecken. Nicht alle Ideen ließen sich verwirklichen, denn die direkten Einwirkungsmöglichkeiten in Verkehrsangelegenheiten seien meist sehr begrenzt und die Zuständigkeiten auf bis zu vier Fachinstanzen verlagert.
Gemeinderätin Agnés Thuault-Pfahler (CDU) wehrte sich gegen den falschen Eindruck, nachdem sich der Gemeinderat bislang mit der Verkehrsproblematik nicht auseinandergesetzt habe. Anette Schweiger (CDU) regte an, die Verkehrserziehung der Kinder zu intensivieren und ähnlich dem Beispiel in Waghäusel-Wiesental die Zufahrt zur Schule zeitweise komplett zu sperren. Viele gute Vorschläge seien in der Vergangenheit an der Straßenverkehrsordnung, Bürokratie und an der Unfähigkeit der Autofahrer gescheitert, meinte Sabine Petzold (FW), weshalb die Erziehung der Verkehrsteilnehmer eben über das Portemonnaie erfolgen müsse.
Gerade im Umfeld der Schule forderte Petzold eine verstärkte Kontrolle. Ein Elternteil habe ihr kürzlich den durchaus ernst gemeinten Vorschlag unterbreitet, für Reilingen einen eigenen Schulbus zu finanzieren. Peter Geng (FW) kritisierte indes den fehlenden Respekt und die Rücksichtslosigkeit der Autofahrer und forderte ein konsequentes Durchgreifen gegen Falschparker. Dabei gelte es jedoch, mit Umsicht vorzugehen. Heinrich Dorn (SPD) berichtete über unerfreuliche Begegnungen mit Eltern, die ihr Kind mit fahrbarem Untersatz in die Schule bringen und Jochen Rotter (Grüne) regte eine Kampagne zur Vermeidung von Elterntaxis an.
Andreas Holder vom renommierten Karlsruher Ingenieurbüro für Verkehrswesen „Koehler & Leutwein“ erinnerte daran, dass jede nur erdenkliche Maßnahme ihre Gewinner und Verlierer habe. Der Fachplaner dankte für den umfangreichen „Input“ und sicherte zu, die Vorschläge sorgfältig auf Realisierung zu prüfen. Weisbrod lobte abschließend die „organisierte Kritik“ und lud zugleich dazu ein, weitere Verkehrsthemen zu reflektieren. Dazu habe die Polizei ihre Teilnahme zugesagt, die bislang auf dem Standpunkt stehe, „Reilingen hat keine hervorgehobenen Verkehrsprobleme“. jd
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