Finale

Zapfenstreich beendet Reilinger 100. Spielmannszug-Jubiläum

Wehrmusik feiert ihren 100. Geburtstag und zugleich den 50. der Jugendfeuerwehr auf dem Gelände der Burg Wersau mit Unterstützung des Musikvereins 1888 Forst.

Von 
Matthias H. Werner
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Der Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr Reilingen präsentiert, begleitet und unterstützt vom Musikverein 1888 Forst in traditioneller Weise den Großen Zapfenstreich auf dem Wersauer Hof. © Wolfgang Gans

Reilingen. Symbolträchtig und mit größtmöglicher Feierlichkeit haben am Samstagabend der Spielmannszug und die Jugendabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Reilingen ihr Doppeljubiläum beschlossen. Mit einem „Großen Zapfenstreich“ feierte die Wehrmusik ihren 100. Geburtstag und gleichzeitig den 50. der Youngsters an historischer Stätte – die Burg Wersau, wo vor 640 Jahren die „Goldene Bulle“ überreicht wurde, war geschichtsträchtige und optisch passende Kulisse für das rund halbstündige Zeremoniell, das trotz notwendigen Fußmarschs zahlreiche Bürger der Spargelgemeine anzog.

Der Große Zapfenstreich ist ein eigentlich aus dem Militär stammender protokollarisch höchstrangiger Ritus, der mit größerer Aufmerksamkeit zuletzt Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz erwiesen wurde. Er geht zurück auf den mittelalterlichen Rückruf der Landsknechte in die Kasernen, bei dem ein von einem Trommler oder Pfeifer begleiteter Offizier mit einem Stockhieb auf den Zapfhahn in den Schenken das Ende der Geselligkeit anordnete. Er wird zu besonders feierlichen Anlässen vereinzelt auch von zivilen Formationen durchgeführt. Die Reilinger Wehr unterstrich mit ihrem Zapfenstreich, worauf gerade die Freiwillige Feuerwehr fußt: Disziplin, Ordnung und Miteinander.

Eine von nur noch neun verbliebenen Wehrmusiken der Region

Eine besondere Glanzstunde, wie Bürgermeister Stefan Weisbrod zusammen mit einem beherzten und ganz gegenwärtigen „Happy Birthday“ der „besten Feuerwehr im Angebot“ zurief. Deren zweiter stellvertretender Kommandant Florian Schulze unterstrich die große Symbolkraft des Zapfenstreichs als ganz besondere Gratulation an den Spielmannszug, der damit feiert, was die Reilinger Wehr ganz besonders auszeichnet: „Tradition und Zukunft“. Das lässt sich auch daran ablesen, dass der Spielmannszug, zu dem längst auch viele Frauen gehören, eine von nur noch neun verbliebenen Wehrmusiken der Region ist – und mit 28 Spielleuten eine richtig starke Truppe.

Weiterer Jubilar: Die Jugendfeuerwehr Reilingen feiert ihr 50-jähriges Bestehen. © Wolfgang Gans

Als eine der wenigen entsprechend einsatzbereiten Spielmannszüge werden die Reilinger immer wieder angefragt, überall in der Region Zapfenstreiche zu spielen. So kam auch der Kontakt mit dem Musikverein 1888 Forst zustande, den die Spielleute aus der Spargelgemeinde zu dessen Jubiläum für einen Zapfenstreich komplettierten – und der sich nun revanchieren konnte.

Als mit Einbrechen der Abenddämmerung der Ehrenzug um die Ecke des heutigen Hotels Wersauer Hof bog, deren Betreiber Helga und Michael Hoffmann die Getränkeversorgung der Gäste übernahmen, war die Feierlichkeit und Einmaligkeit des Augenblicks mit Händen zu greifen: 25 Musiker des Spielmannszuges und 30 Instrumentalisten aus Forst um Dirigent Daniel Kremer eskortierten - angeführt von Vorstand und Tambourmajor Jürgen Oechsler - zu den Klängen von Johann Gottfried Piefkes Marsch „Preußens Gloria“, den die Reilinger statt des eigentlich traditionellen „Yorkscher Marschs“ (Ludwig van Beethoven) zum Aufzug gaben, 15 Mitglieder der Jugendfeuerwehr und rund 20 Wehrleute des Ehrenzugs der Einsatzabteilung der Wehr.

Feierlich: Einmarsch des Spielmannszugs der Freiwilligen Feuerwehr Reilingen zum Großen Zapfenstreich auf dem Wersauer Hof. © Wolfgang Gans

Nach der Meldung durch Kommandant Markus Piperno an den Bürgermeister gab es zur „Serenade“ zunächst vom Musikverein Forst die „Nordic Fanfare“ des zeitgenössischen niederländischen Komponisten Jacob de Haan – eine feierliche Auftaktmusik, deren homogener Gesamtklang Einladung und Anrührung zugleich war. Der Spielmannszug schloss Johan Wichers „Mars der Medici“ an, um dann gemeinsam mit den Forstern die „Alten Kameraden“ zu geben – einen Militärmarsch, der ein Jahr nach der Gründung des Forster Vereins vom Ulmer Carl Teike komponiert wurde.

Würde des Augenblicks lässt selbst Kinder im Publikum staunend schweigen

Eine klangliche Einstimmung, mit der die solide künstlerische Qualität sowohl des Spielmannszuges als auch der Gäste eine gänsehautverdächtige Verbindung einging mit der besonderen Würde des Augenblicks, die selbst die Kinder im Publikum staunend schweigen ließ, als der eigentliche Zapfenstreich folgte: Das „Locken“ der Trommeln und Pfeifen (Solotrommler Leonard Arns und Pfeifer Daniel Wendlik), der „Preußische Zapfenstreichmarsch“, die „Retraite“ (Solotrompeter Andreas Böser), erneutes „Locken“ und Dmitri Bortnjanskis Choral, der später von Gerhard Tersteegen mit der Textzeile „Ich bete an die Macht der Liebe“ unterlegt wurde, zum Gebet.

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Gerade letzterer, aber auch die dreiteilige Retraite, die mit zunehmender klanglicher Inbrunst und Melancholie zunächst die Lebenden aus dem Feld zusammenruft und dann der Toten gedenkt, gaben die Musiker mit bemerkenswerter technischer Präzision, emotionaler Kraft und farbenfrohem Klang, dass – zusammen mit der durch die Fackeln und die inzwischen eingebrochenen Dunkelheit motivierten besonderen Atmosphäre – ein tatsächlicher Moment des Innehaltens und der Festlichkeit entstand, der spürbar war. Feierlich aufgelöst in der Nationalhymne und dem Auszug.

Der Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr Reilingen hat sich und seinen Bürgern mit dieser kurzen, aber sehr intensiven Zeremonie ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk gemacht – feierlich, würdig und voll Hingabe, wie es das Motto der Freiwilligen Feuerwehren ist: „Gott zur Ehr, dem nächsten zur Wehr“.

Freier Autor Seit Mitte der 1990er Jahre als freier Journalist vorrangig für die Region Hockenheim/Schwetzingen tätig - Fachbereich: Kultur.

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