Vor genau fünf Jahren zogen die letzten Bewohner aus – und seit Mai 2016 sind weite Teile des Racketclubs in der Scheffelstraße in Schwetzingen eine Ruine. Die monatelange Nutzung als Flüchtlingsunterkunft durch den Rhein-Neckar-Kreis hatte für massive Schäden an der Substanz gesorgt, weil die rund 250 Bewohner in der ehemaligen Tennishalle lebten, schliefen und aßen: Kondenswasser ließ die Decke und den weichen Sportfußboden schimmeln, in weiten Teilen kam es auch zu Vandalismus durch Bewohner. Seitdem herrscht Streit zwischen dem Eigentümer Matthias Vogel und dem Landratsamt, der die Gerichte in zwei Verfahren beschäftigt (wir berichteten mehrfach).
Nach unseren Berichten zum Thema gab es in der Schwetzinger Bevölkerung viel Unterstützung für den Racketclub. Ein Freundeskreis um die ehemalige Gemeinderätin Raquel Rempp versuchte immer wieder, Politiker zum Handeln zu überzeugen. Abseits langwieriger juristischer Abwägungen – so die Vorstellung des Freundeskreises – könnten insbesondere die gewählten Abgeordneten der Region eine Vermittlerrolle zwischen Eigentümer und Landratsamt einnehmen, um den Streit zu deeskalieren und eine für alle Seiten tragbare Kompromisslösung zu finden.
Bereits im vergangenen August hatten wir die Bundes- und Landtagsabgeordneten des Schwetzinger Wahlbezirks gefragt, ob sie in dem Fall aktiv werden und eine solche Vermittlerrolle übernehmen möchten. Die Reaktionen waren damals durchweg zurückhaltend. Meist wurde darauf verwiesen, dass der Fall Sache der Gerichte sei. Einzig der damalige Landtagsabgeordnete der Grünen, Manfred Kern, konnte sich eine Vermittlerrolle vorstellen.
Inzwischen hat die Landtagswahl die Karten teilweise neu gemischt. Teils vertreten jetzt andere Abgeordnete die Interessen der Schwetzinger, teils sollen auch gewählte Volksvertreter in Regierungsämter wechseln. Wir haben deshalb erneut bei den amtierenden Bundes- und Landtagsabgeordneten nachgefragt, wie sie zum Streit um den Racketclub stehen.
Wäre Vermittlung zielführend?
Dr. Andre Baumann, der für die Grünen neu im Landtag sitzt und damit die Nachfolge von Manfred Kern angetreten hat, hat sich mit dem Fall noch nicht tiefergehend befasst, wie er erklärt. „In den Medien wurde regelmäßig über den Streit zwischen dem Landratsamt und dem Eigentümer des Racketclubs berichtet. Insofern habe ich als aufmerksamer Zeitungsleser eine gewisse Kenntnis über den Sachverhalt – nicht mehr, aber auch nicht weniger“, sagt Andre Baumann.
Ein grundsätzliches Problem kann der Grünen-Landtagsabgeordnete in der verfahrenen Situation zwischen Matthias Vogel und dem Landratsamt nicht erkennen. „Jetzt geschieht doch genau das, was unser Rechtsstaat vorsieht, wenn zwei sich streitende Parteien sich nicht einigen können: Man lässt ein Gericht den Sachverhalt klären und es wird ein Urteil gefällt“, so Baumann. Anlass für eine Einmischung sieht er – anders als sein Vorgänger Manfred Kern – nicht, wie er mitteilt: „Ich bin nicht sicher, ob hier ein Vermittlungsverfahren einzelner Landtagsabgeordneter zielführend wäre. Will man behördliche Entscheidungen durch die Politik klären lassen, dann bietet sich die Anrufung des Petitionsausschusses an. Aber jetzt sollten wir unsere Justiz arbeiten lassen. Während eines laufenden Gerichtsverfahrens werde ich mich nicht mit Tipps und Hinweisen von der Seitenlinie zu Wort melden – mögen diese noch so richtig und noch so klug sein. Ich habe volles Vertrauen in unsere Gerichte“, erklärt der Landtagsabgeordnete der Grünen, Andre Baumann.
Sein ebenfalls frisch gewählter Kollege Andreas Sturm von der CDU hat sich mit dem Racketclub schon etwas intensiver befasst, wie er auf Anfrage erklärt. „Nach meiner Nominierung als Landtagskandidat im Juni vergangenen Jahres ist der Betreiber des Racketclubs auf mich zugekommen und hat mich eingeladen. Kurz danach habe ich das Gebäude besichtigt und mit Herrn Vogel gesprochen. Ich habe daraufhin mit dem damaligen CDU-Betreuungsabgeordneten Karl Klein Kontakt aufgenommen, der mir mitgeteilt hat, dass es ein laufendes Verfahren gebe“, erklärt Andreas Sturm gegenüber dieser Zeitung die Abläufe vor seiner Wahl zum Landtagsabgeordneten.
Keine Handhabe
„Eine schnelle Klärung des Sachverhalts wäre nicht nur wünschenswert, sondern für alle Beteiligten dringend geboten“, mahnt Andreas Sturm. Dennoch sieht auch der CDU-Landtagsabgeordnete zunächst keine Handhabe. „Es gibt keine Möglichkeit, hier einfach so „einzugreifen“, da das juristische Verfahren eine ganze Zeit lang läuft. Nur wenn beide Parteien eine Vermittlung wünschen, wäre dies eine Option“, spricht Andreas Sturm immerhin von der prinzipiellen Möglichkeit eines außerjuristischen Vermittlungsversuchs - wobei das Landratsamt bislang stets abgelehnt hat, sich fernab der Gerichte mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Zuspruch für Erhalt des Clubs
Von einer solchen Vermittlung hält Daniel Born, Landtagsabgeordneter der SPD, dem Grundsatz nach wenig. „Es widerspricht vollkommen der Gewaltenteilung, wenn man als Abgeordneter parallel zu laufenden Gerichtsverfahren vermitteln will. Darum habe ich dies auch bewusst nie angeboten und fand ich es auch befremdlich und wenig professionell, dass mein Kollege von Bündnis 90/Die Grünen sich hier ins Spiel gebracht hat“, kommentiert Daniel Born die Haltung des ehemaligen Grünen-Abgeordneten Manfred Kern, der sich in unserem Artikel im vergangenen Sommer zu einer Vermittlungsrolle bereiterklärt hatte.
Daniel Born sieht stattdessen die Gerichte am Zug, wie er erklärt: „Ich habe mit allen Beteiligten gesprochen und stand auch mit der Landesregierung über den Fall in Kontakt. Fakt ist, dass die Bewertungen über den Vertragsinhalt und das Zustandekommen des Vertrags sehr weit auseinandergehen. Darum ist vermutlich der gerichtliche Weg der sinnhafteste, um eine Lösung zu finden.“
Grundsätzlich plädiert der SPD-Landtagsabgeordnete für eine einvernehmliche Lösung. „Mich macht das Thema sehr traurig. Der Racketclub war Teil des ,Wir schaffen das‘ in unserem Land und es ist schade, dass es hier zu solchem Streit gekommen ist. Ich hoffe, dass es am Schluss eine Lösung gibt, mit der alle zurechtkommen. Der Racketclub ist Teil unserer Stadt und sollte erhalten bleiben“, sagt Daniel Born.
Dennoch sieht der SPD-Landespolitiker sich nicht in der Rolle, zwischen Racketclub und Landratsamt zu vermitteln. „Ein gerichtlicher Streit wird vor einem Gericht entschieden. Das habe ich von Anfang an deutlich gemacht. Und für mich gilt auch weiter, dass ich Gespräche mit Bürgern, die ich im Rahmen meiner Sprechstunden führe, nicht öffentlich diskutiere“, sagt Daniel Born.
Öffentlicher Streit wenig sinnvoll
Auch auf Bundesebene überwiegt die Zurückhaltung. So sagt Olav Gutting, Bundestagsabgeordneter der CDU: „Das Thema ist mir aus mehreren Bürgergesprächen bekannt. Die Fronten sind aber verhärtet und die Sache ist ja inzwischen auch rechtshängig.“
Er zeigt sowohl für die Haltung von Matthias Vogel als auch für die des Rhein-Neckar-Kreises Verständnis. „Die Argumente beider Seiten lassen sich hören. Von bundespolitischer Seite kann ich auf diese kommunale Angelegenheit aber keinen Einfluss nehmen. Es bleibt zu wünschen, dass die Sache bald geklärt wird – notfalls dann auch durch einen Richterspruch“, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Olav Gutting.
Auch der Bundestagsabgeordnete der Grünen und baldige baden-württembergische Finanzminister, Dr. Danyal Bayaz, ist bei dem Thema zurückhaltend. „Es handelt sich um ein laufendes Verfahren, in dem beide Seiten zum Teil gegensätzliche Positionen vertreten. Auch wenn sich der Prozess durch die Pandemie hinzieht, sollte die Politik sich nicht in ein laufendes zivilrechtliches Verfahren einmischen“, sagt Danyal Bayaz.
Eine vermittelnde Rolle will er nicht einnehmen, sondern würde darin sogar eine Verschärfung des Problems sehen: „Der weiterhin öffentlich ausgetragene Streit ist wenig sinnvoll, da er die Fronten weiter verhärtet. Ich hoffe, dass nun schnell rechtliche Klarheit geschaffen wird, inwiefern angefallener Schaden zu ersetzen ist“, sagt Dr. Danyal Bayaz von den Grünen.
Info: Mehr Fotos und Artikel zum Thema gibt es unter www.schwetzinger-zeitung.de
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