Schwetzingen. Als das Melanchthon-Haus 2014 seinen 50. Geburtstag feierte, teilten viele Menschen in einer Festschrift ihre Erlebnisse, Erinnerungen und ihre Verbundenheit mit dem evangelischen Gemeindehaus in der Oststadt. Damals ahnten sie nicht dass dieses Kapitel Schwetzinger Geschichte nicht einmal zehn Jahre später – kurz vor dem 60. Jahrestag – enden wird. Zum Jahreswechsel ist Schluss, die Kirchengemeinde muss das Gebäude zuschließen. Beim Entwidmungsgottesdienst am 20. Januar wird – sicher sehr, sehr wehmütig – Abschied genommen von dem im September 1964 eingeweihten Haus, das zwischen der Kurfürstenstraße und der Nadlerstraße liegt.
Die Gründe für diese Entscheidung sind relativ einfach: „Fürs Melanchthon-Haus und das Gustav-Adolf-Haus werden wir ab nächstem Jahr keine Zuschüsse der Landeskirche mehr bekommen. Und dann ist es vorbei“, erklärte Pfarrer Steffen Groß vor einiger Zeit in einem Gespräch mit unserer Zeitung. Dabei hat es sich die Kirchengemeinde weiß Gott nicht leicht gemacht, sich von dem Haus zu trennen. Es wurde alles versucht – vergeblich. „Die Lösungsmöglichkeiten, die Gebäude zu halten, sind alle durchgespielt. Die Situation hat sich so verschlechtert, dass alle Dinge, die wir uns überlegt haben, nicht mehr greifen. Und deshalb müssen wir es abgeben“, sagt Kirchengemeinderätin Hanni Derr.
Und es war ein relativ langer Weg mit unendlich vielen Ideen und Bemühungen. Derrs Kollegin Andrea Botero-Hartmann fühlte sich anfangs von der Landeskirche ein bisschen im Regen stehen gelassen: „Die haben uns machen lassen. Wir haben Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben, wir haben Dinge durchgedacht, wir sind Stunden zusammengesessen und haben Projekte überlegt. Und jedes Mal, wenn wir mit einem Ergebnis fast schon konkret geworden sind, kam die Landeskirche und meinte: Halt, Stopp, das muss noch einmal überdacht werden.“ Die Prozesse hätten ewig gedauert, bis sie von der Landeskirche zurückkamen. „Und jedes Mal haben wir im Nachhinein erfahren: So wie ihr euch das gedacht hat, geht das gar nicht. Und wir haben schon vor 20 Jahren damit angefangen“, sagt sie etwas zerknirscht.
Und das Melanchthon-Haus und der Standort dort hätten ja durchaus Potenzial, allein wenn man an das derzeit entstehende Neubaugebiet „Schwetzinger Höfe“ einige hundert Meter weiter denkt. „Ja, die ,Schwetzinger Höfe’ wären eine Riesenchance“, weiß Hanni Derr. Aber das Haus gebe es nicht her, dass man es irgendwie ertüchtigt. Andrea Botero-Hartmann erklärt die Pläne: „Wir wollten da eigentlich Präsenz zeigen und so etwas wie ein Zentrum schaffen, wo Leben stattfinden kann, wo sich Leute begegnen können – zusammen mit anderen Trägern. Wir waren schon kurz davor, es zu realisieren, aber es hat sich zerschlagen.“
Gespräche mit der Stadt Schwetzingen
Auch mit der Stadt gab es Gespräche: „Da gab es schon Überlegungen. Aber dann kam Corona, dann kam der Krieg. Danach war die Haushaltslage eine andere“, sagt Pfarrer Groß enttäuscht. Überlegt wurde beispielsweise, das Melanchthon-Haus als Erweiterung für den Kindergarten zu nutzen – auch im Hinblick auf die „Schwetzinger Höfe“.Groß: „Wir wären sofort bereit gewesen, sowohl das Gustav-Adolf-Haus – da waren wir mit der Stadt schon sehr weit – als auch das Melanchthon-Haus in Kindergartengebäude umzubauen. Bis der Brandschutz kam, dann hatte sich das erledigt.“ Ebenso habe es konkrete private Interessenten gegeben, aber das sei auf den letzten Metern gescheitert. „Auch das hatte sehr viel mit Corona zu tun. Jetzt ist es noch schlechter, weil die Baukosten und die Bauzinsen explodiert sind.“
Endgültig Ja und Amen wollen die verantwortlichen aber noch nicht zu dem Gebäude sagen, auch wenn es keine Zukunft in Trägerschaft der Kirchengemeinde gibt und das Haus jetzt erst einmal leer steht. „Aber dass das Thema Melanchthon-Haus schon komplett abgefrühstückt ist, glaube ich persönlich erst dann in dem Moment, wenn der Bagger kommt. Und der kommt nicht so schnell“, sagt Steffen Groß. Denn es gebe über die Kirchengemeinde hinaus durchaus Stimmen, die sagen: „Da entsteht ein neuer Stadtteil, da muss etwas passieren.“
Grundstück in Schwetzingen wird nicht verkauft
Die Gemeinde sei durchaus dafür, das Haus für eine andere Nutzung freizugeben: „Ja, wenn der Charakter des Gebäudes erhalten wird und diese respektvolle Haltung da ist mit dem, was da in der Vergangenheit dort geschehen ist. Wenn da jemand reingeht, dann schauen wir, dass der zum Evangelium und zur Gemeinde passt“, erklärt Pfarrerin Dr. Franziska Beetschen. „Und der auch möglich macht, dass wir weiter die Gottesdienste im Garten feiern können“, ergänzt Hanni Derr. Der Grund und Boden bleibt ohnehin im Besitz der Kirchengemeinde. „So wie auch die Wiese am Gustav-Adolf-Haus bei der S-Bahn-Haltestelle. Die wollen wir auch nicht verkaufen, aber vielleicht verpachten.“
Also könnte doch noch nicht am 20. Januar das letzte Gebet im Melanchthonhaus gesprochen worden sein? „Es steht nirgendwo geschrieben, dass, wenn jemand anders das Haus übernehmen würde, wir nicht versuchen würden, ein Nutzungsrecht zu bekommen“, lässt Pfarrer Groß ein Hintertürchen offen. Aber es könne auch sein, dass es abgerissen werden muss – spätestens dann, wenn es energetisch nicht mehr zu retten ist.
Hoffnung und Trost zugleich: Zwei Stücke Melanchthon-Haus werden aber auf jeden Fall erhalten bleiben – außer in den Herzen der Menschen. Die Orgel wurde an die katholische Kirchengemeinde St. Nikolaus in Karlsruhe verkauft. Und der Altar kommt in die Schwetzinger Stadtkirche und wird den alten Abendmahlstisch ersetzen. Jedes Mal, wenn künftig Abendmahl gefeiert wird, ist also das Melanchthon-Haus dabei.
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