Franz-Danzi-Saal

Abschluss der Schwetzinger Jazztage: An den Grenzen des Ausdrucks

Cellistin Anja Lechner und Pianist Raúl da Costa führen zum Abschluss der Konzertreihe die Musik in die Stille. Das tun sie mithilfe eines ungewöhnlichen Verlaufs.

Von 
Uwe Rauschelbach
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Anja Lechner und Raúl da Costa begeistern auch das Schwetzinger Publikum. © Clara Evens

Schwetzingen. Dieses Konzert passt in keinen Rahmen. Es will nicht Jazz sein, nicht auf Klassik eingegrenzt werden. Es entzieht sich jeglichen Kategorien. Und dennoch sagt es mehr über Musik aus als übliche Programme mit ihren Variationen des Immergleichen. Beim Auftritt von Cellistin Anja Lechner mit dem Pianisten Raúl da Costa bei den Schwetzinger Jazztagen in der Musikschule der Stadt können sich die Besucher als Lernende erfahren, die in der Kunst des Hörens unterwiesen werden.

Denn tatsächlich nimmt das Konzert im Franz-Danzi-Saal einen untypischen Verlauf. Seine Entwicklung beschreibt keine aufsteigende Kurve, sondern eher eine Antiklimax. Mit César Francks für Cello bearbeitete Violinsonate betreten wir scheinbar noch vertrauten Boden. Doch der belgisch-französische Komponist eröffnet mit seiner Chromatik der Gefühle weite tonale Räume, in denen das Erwartbare vor dem Horizont des Möglichen verblasst. Das Spiel beider Instrumentalisten ist eng miteinander verzahnt; es lässt sich als organisch-einheitliches Musizieren mit fließenden Rollenwechseln erleben.

Der bloße Klang – ein Ereignis!

Und schon hier setzen der versonnen-impressionistische Klang und die verhaltene Dynamik inklusive der feinen Tongestaltung ein lyrisches Empfinden frei, das auch jenen Raum zwischen den Tönen ertastet. Die hohe Ausdrucksintensität, zu der Anja Lechner und Raúl da Costa finden, ist keine Pose und frei von Kalkül. Die tragische Hintergrundspannung, die sich im vierten Satz in einer milden Atmosphäre löst, schäumt im Finale noch einmal dramatisch auf. Motivische Zusammenhänge werden mit einer Fülle von Farben und Schattierungen abgebildet – der bloße Klang ist bereits Ereignis.

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Mit den drei Stücken aus Federico Mompous Zyklus Musica Callada setzt sich der Weg, den die Musik in die Stille nimmt, fort. Nunmehr geht es darum, was noch zu sagen ist oder besser ungesagt bleibt. Beide Solisten spielen die klanggewordene Traumfantasien des katalanischen Komponisten sehr eindringlich, mit behutsamer und bisweilen verzögert wirkender Ansprache. Dazwischen erlauben sie sich kleine improvisierende Deutungen oder Ergänzungen, die diesen Auftritt im Rahmen des von der Schwetzinger Jazzinitiative und dem Festival Enjoy Jazz gemeinsam präsentierten Konzerts zum Abschluss der Jazztage freilich nicht rechtfertigen müssen.

Werke Valentin Silvestrovs (1937 geboren) nehmen einen weiteren Schwerpunkt ein. In seinen Stücken betritt die Musik Räume, die der ukrainische Komponist lediglich bereitzustellen scheint, ohne sie selbst zu füllen. Dabei lässt sich beim Hören die Beobachtung machen, dass sich die Musik in gewisser Weise von selbst ereignet, ohne herbeizitiert werden zu müssen. Ein mit romantischer Attitüde liebäugelndes Stück für Klavier wird vom Komponisten ironischerweise selbst als „Kitsch-Musik“ betitelt, ohne es zu sein.

Zarte Laute

Mit dem Stück „Epitaphium“ wird der Klang des Cellos immer filigraner und gläserner. Der „Walzer der Alpenglöckchen“ für Cello führt uns in seiner zerbrechlichen Dreier-Taktigkeit und den auf die Saiten zart getupften Tönen vor Ohren, wie kostbar der einzelne Laut einer Musik sein kann, die in die Stille strebt. In einem der „Stillen Lieder“ bewegt uns die heitere Melancholie – wenn es so etwas gibt. Reine Innerlichkeit an den Grenzen des Ausdrucks. Das Publikum ist atemlos Zeuge.

Mit einem Stück von Nadja Boulanger führen uns Anja Lechner und Raúl da Costa wieder in die Realität zurück. Das kantige, tänzerische Temperament dieser Musik bewahrt uns möglicherweise davor, uns auf dem Heimweg zu verirren.

Info: Die Schwetzinger Jazzinitiative veranstaltet am Dienstag, 7. November, 19.30 Uhr, ihre nächste Jam-Session im „Grünen Baum“ mit der Band „Martin Lejeune 4“. Musiker, die mitmischen möchten, melden sich unter der E-Mail musik@jazzinitiative-schwetzingen.de an.

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