Schwetzingen. Wer selbst ab und an mit gehbehinderten Angehörigen unterwegs ist, der kann das Ansinnen unserer Leserin Petra Schenck gut nachvollziehen. Sie ärgert sich darüber, dass die neue Ampelanlage an der Bruchhäuser Straße, die jetzt im Rahmen der Straßensanierung aufgebaut wurde, wieder so stark den Autos Vorrang gewährt. „Die Fußgängerampel über die an dieser Stelle dreispurige Fahrbahn ist so kurz geschaltet, dass jemand mit Rollator nicht mal bis zur Fahrbahnmitte kommt, bis sie wieder auf Rot umschaltet“, schreibt sie unserer Zeitung: „Für ältere, behinderte oder langsame Menschen sowie Familien mit kleinen Kindern ist es schlicht nicht möglich, diese Strecke bei Grün zu schaffen. Selbst wenn noch einige Sekunden bleiben, bis die Autos tatsächlich losfahren, macht das Stress. Gerade Menschen, denen das Gehen schwer fällt, stehen nicht gerne bei Rot noch mitten auf der Straße“, schildert sie den Fall.
Petra Schenck berichtet auch von Nachbarn, die hier gar nicht mehr über die Straße gehen wollen und von einem Fall, bei dem eine ältere Frau ein Stück weiter vorn an der Fußgängerampel angefahren worden sei. Sie traue sich nun gar nicht mehr zu Fuß über die Bruchhäuser Straße. Petra Schenck sagt: „Hier wurde eine Chance vertan, den schwächsten Verkehrsteilnehmern mehr Sicherheit einzuräumen. Für mich ist das sehr enttäuschend!“
Der Selbstversuch beginnt
Klar, dass wir uns der Sache angenommen haben. Erst einmal haben wir vor Ort nachgemessen und festgestellt, dass sich immerhin durch die neue Ampel eins verbessert hat: Drückt man den Bedarfsknopf für Fußgänger, dann erscheint gut sichtbar im oberen Lichthäuschen der Schriftzug „Bitte warten“. Da weiß man immerhin schon mal, dass bald ein Grünlicht erscheinen soll. Jetzt bekommen aber erst noch die stadtauswärts fahrenden Wagen Grün und nach gut einer Minute sind wir endlich dran. Selbst beim normalem Gang eines 57-Jährigen fehlen mir vier Schritte bis zum Bordstein – da ist es schon wieder Rot. Mein Papa mit dem Rollator hätte nicht mal die Hälfte geschafft. Acht Sekunden Fußgängergrün haben wir gestoppt, nach 14 Sekunden bekommen die ungeduldigen Abbieger Grün und fahren los. Schon ziemlich knapp – finde ich persönlich und mach gleich mal ein Video von dem Ganzen.
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Also fragen wir bei der Stadtverwaltung nach. Ordnungsamtsleiter Pascal Seidel antwortet prompt und verweist auf die Verkehrsbehörde beim Landratsamt, die zuständig sei, weil es sich ja um eine Straße in Kreisverwaltung handelt. Stimmt, der Kreis hatte ja auch die Sanierung der Straße in Auftrag gegeben. Die Stadt hatte aber immerhin den barrierefreien Umbau der Fußgängerfurten im gleichen Zug mit erledigt. Auch das ist ja ein Verbesserung gegenüber der vorhergehenden Situation. Seidel hat seine Kollegen gleich verständigt und auch da kommt schnell eine Antwort.
„Im Zuge der durch das Landratsamt durchgeführten Erneuerung und Umrüstung der Lichtsignalanlage wurde die Schaltung angepasst und für den Fußverkehr dahingehend verbessert, dass die Freigabezeit sich nunmehr auch an der Fahrzeugstärke bemisst und dadurch erheblich verlängert werden kann.“ Das heißt übersetzt von mir als Laie, dass bis zu 20 Sekunden zum Überqueren zur Verfügung stehen, zuzüglich der sogenannten Räumzeit – das ist die Zeit zwischen dem Signal Rot bei den Fußgängern und dem Signal Grün für die Autofahrer.
Aber es können eben auch nur die besagten acht Sekunden sein. Wir machen also einen zweiten Versuch. Diesmal probieren wir die Überquerung von beiden Seiten her und messen Werte von acht, 14 und 21 Sekunden für die Grünphase – je nachdem, wie viel auf der Straße Verkehr ist. Wer also Glück hat, kommt sogar mit Rollator und Anlaufschwierigkeiten komplett bei Grün über die Fußgängerfurt. Wer Pech hat, muss sich sputen. „Es bleibt übrigens vor allem dann länger Grün, wenn auf der Hauptverkehrsachse vom Odenwaldring Richtung Heidelberg und umgekehrt noch Verkehr abfließen muss. Das merken dann die installierten Detektoren und verlängern mit dem Grün für die Abbieger auch das Grün für die nicht tangierten Fußgänger“, erläutert uns Pascal Seidel dann noch. Solange kann hier dann in Ruhe die Straße gequert werden. Auch das scheint zumindest eine Verbesserung zur alten Ampel, die stur immer kurz geschalten war.
Rein formal ist alles richtig
Ordnungsamtsleiter Seidel erklärt das so: „Die zugrunde gelegte Mindestfreigabezeit für den Fußverkehr für die Querung der hier angesprochenen Furt über die Bruchhäuser Straße bemisst sich nach der Breite der zu querenden Fahrbahn und liegt hier sogar über den Vorgaben der einschlägigen Richtlinien. Sie ist verkehrsrechtlich deshalb nicht zu beanstanden und wurde so durch uns als örtlich zuständige Straßenverkehrsbehörde angeordnet. Nach Freigabezeitende – also dem Ende der Grünphase – schließt sich mit Umschalten auf Rot immer eine sogenannte Räumzeit an, bevor in diesem Fall für den Fahrzeugverkehr über Rot-Gelb auf Grün umgeschaltet wird. Rechnerisch kann somit immer bei Betreten der Furt in der letzten Grünsekunde bei normaler Gehgeschwindigkeit die gesamte Furt überquert werden, bevor der Fahrzeugverkehr losfährt. Eine Anpassung ist deshalb nicht erforderlich. Demzufolge sollte die allgemeine Regel auch nicht ,bei Rot stehen’, sondern ,bei Grün starten’ lauten“, so Seidel zum geschilderten Fall.
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Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Schwetzingen Umdenken angesagt