Tag der offenen Tür

Auf der AVR-Anlage in Sinsheim: Das passiert hier mit unserem Müll

Viele Menschen stellen ihre Mülltonnen vor die Haustür und wissen wenig darüber, was danach passiert. Doch beim Tag der offenen Tür bei AVR in Sinsheim erhalten Besucher einen Einblick in die Welt der Müllentsorgung.

Von 
Nicolai Lehnort
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Von Kunststofffolie über Kartonagen bis hin zu Plastikverpackungen: In solchen Ballen verlässt der Müll gepresst die Wertstoffsortieranlage. Bis zu 300 Kilogramm wiegen die Quadrate, die in dieser Form weiterverkauft werden. © Lehnort, Schwerdt/AVR

Sinsheim / Rhein-Neckar-Kreis. Hans-Peter Jürgen aus Malsch betont: „Die Mülltonne vor die Haustür stellen ist ja nur ein kleiner Teil der ganzen Geschichte.“ So wie Jürgen ergeht es vielen unter den rund 4000 Besuchern beim Tag der offenen Tür auf der AVR Anlage in Sinsheim. Denn die mit dem blauen Logo operierende AVR Kommunal, der klassisch als Müllabfuhr bezeichnete Zweig des Unternehmens, leert bei den 550 000 Einwohnern des Rhein-Neckar-Kreises in allen 54 Städten und Gemeinden regelmäßig die Mülltonnen.

Jährlich kommen so 8,7 Millionen Leerungen zusammen. Doch was mit dem Müll geschieht, wo er hingebracht und wie er sortiert sowie weiterverarbeitet wird – das wissen die wenigsten. Es interessiert aber nicht nur Erwachsene wie Hans-Peter Jürgen, sondern auch die Jüngsten, wie den zehnjährigen Samuel aus Edingen-Neckarhausen, der wissen will, „was mit dem Müll vor der Haustür passiert“.

Tag der offenen Tür

Die AVR Anlage in Sinsheim öffnet ihre Pforten

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Einen Eindruck aus erster Hand können sich die Besucher bei einer der Stationen gleich am Anfang auf dem weitläufigen Gelände des AVR verschaffen: der Wertstoffsortieranlage. Angefahren wird die auf mehrere Hallen verteilte Anlage von 120 Lkw aus dem Kreis, die den Inhalt der 14-tägig abgeholten grünen Tonne plus abladen – jährlich sind das über 60 000 Tonnen Papier und Sortierreste. Von zwei Radladern werden die Müllberge auf eine der beiden unabhängig voneinander laufenden Linien verfrachtet. Insgesamt ziehen sich 250 Bänder auf drei Ebenen durch den Gebäudekomplex. Daran sind in zwei Schichten bis zu 45 Mitarbeiter beschäftigt, die meisten davon als Sortierer.

Müllentsorgung bei AVR in Sinsheim entdecken: Teils händisch, teils automatisch

Gewisse Bestandteile des Mülls trennen sie auf dem Weg durch die Anlage händisch, teilweise erfolgt die Trennung aber auch mittels automatischer Materialerkennung durch Infrarot und Drucklüftdüsen. Wie Frank Arzberger, der seit 14 Jahren für die AVR tätig ist, erklärt, wird der sortierte Müll final von vier Pressen in die Form quadratischer Ballen gebracht. Die bis zu 300 Kilogramm schweren Quadrate können beispielsweise aus Karton oder Kunststofffolie bestehen und werden am Ende des Prozesses weiterverkauft, etwa an Recyclinghöfe, und so wieder in den Stoffkreislauf integriert.

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Für Besucher Hans-Peter Jürgen steht dieser Abfallkreislauf weniger im Vordergrund, vielmehr interessiert den Malscher, was dahintersteckt. „Ich komme selbst aus dem Anlagenbau in der Autoindustrie, deshalb interessiere mich für die Technik in solchen Anlagen“, erzählt er im Vorfeld einer Führung. Wie Müll getrennt wird, dazu habe er keine Fragen. „Infos dazu gibt es genug im Internet. Bei Außergewöhnlichem rufe ich auch mal an und frage nach.“

Tag der offenen Tür bei AVR in Sinsheim zeigt: Wie entsorgt man Deoflaschen?

Anders gestaltet sich die Situation am Schadstoffmobil, das am Eingang der weitläufigen Anlage die erste Anlaufstelle bildet. Wie Deoflaschen eigentlich vorschriftsmäßig zu entsorgen sind, wollen Franziska und Bettina wissen. Volker Heinrich und Osvaldo Otiro, die vor dem Schadstoffmobil Rede und Antwort stehen, geben dazu Auskunft: Für Sprühflaschen wie Deo oder Haarspray ist das Schadstoffmobil nämlich genau die richtige Anlaufstelle. Sie erzählen, dass sich viele Besucher just bei der Entsorgung etwa von Nagellack, Sprühflaschen und Putzmitteln unsicher sind.

Lianna (5) sitzt mit Mutter Carol hinter dem Lenkrad eines Abfuhrfahrzeugs. © Nicolai Lehnort

Mit dem Schadstoffmobil führt die Abfallgesellschaft jährlich über 200 kostenlose Sammlungen durch und ist mindestens einmal im Jahr in jeder der 54 Ortschaften anzutreffen. Auf der AVR-Anlage können Schadstoffe dauerhaft abgegeben werden. Wie nach dem letzten Anstrich mit den alten Wandfarben umzugehen ist, sei eine der klassischen Fragen, schildert Heinrich. Zu den Schadstoffen zählen diese aber gar nicht. Gemeinsam mit einem Bindemittel können sie ausgetrocknet im Restmüll entsorgt werden. Ein besonderes Augenmerk liegt bei Schadstoffen auf den Gefahrensymbolen. Heinrich und Otiro drücken den drei Kindern, mit denen Franziska und Bettina unterwegs sind, einige Exemplare in die Hand. Was sie bedeuten, wissen die Mütter teilweise selbst nicht. Es ist auch ein Bildungsauftrag, dem die beiden Männer hier nachgehen.

Gleiches gilt für Michael Naab. „Die zentrale Frage ist: Was ist mit kompostierbaren Bioabfalltüten?“, berichtet er als Ansprechperson in Sachen Mülltrennung. Diese seien in der braunen Biotonne der AVR nicht erlaubt, weil das Material nicht im Biomasseheizkraftwerk abbaubar ist. Die Konsequenz: „Die Tonne lässt die Müllabfuhr dann auch manchmal stehen.“ Ähnliche Probleme gebe es mit genutzten Windeln. Diese gehören nicht in die grüne Tonne plus, deren Inhalt letztlich in der Sortieranlage landet, sondern in den Restmüll.

Das ist die AVR

Die AVR ist öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger und sorgt für die fachgerechte Entsorgung von Abfällen.

Das Unternehmen gliedert sich in die AVR Kommunal AöR, verantwortlich für die Müllabfuhr, und den AVR Umweltservice, der unter anderem umweltschonende Energiegewinnung durch Abfallverwertung betreibt.

1991 nahm die AVR Abfallverwertungsgesellschaft nach einem Beschluss des Kreistages ihre Arbeit auf.

Den Tag der offenen Tür veranstaltete das Unternehmen zum 50-jährigen Jubiläum des Rhein-Neckar-Kreises, letztmals waren die Pforten 2016 zum Firmenjubiläum geöffnet worden.

Die AVR hat ihren Sitz in Sinsheim und beschäftigt über 400 Mitarbeiter. nl

Dort, in einer der Hallen der Anlage, wird schon den Kleinsten die richtige Mülltrennung beigebracht. Neben einem Windel-Zielwerfen in eine schwarze Restmülltonne, können Kinder im Schatten der Sortieranlage Bilder mit unterschiedlichen Abfällen in die schwarze, braune und grüne Tonne befördern. Zielsicher erledigen diese Aufgabe die fünfjährige Lena und ihr Bruder Julian (3). „Das haben sie gut gemacht“, lobt Mutter Kirsten Finke. Sie ist mit den beiden aus Dossenheim gekommen, „damit die Kinder etwas lernen und dabei Spaß haben.“

Beim Tag der offenen Tür bei AVR in Sinsheim – Milos Traum: Selbst am Steuer

Weniger Denksport und vielmehr das Abenteuer steht bei der Rundfahrt mit den Autos der Müllabfuhr auf dem Programm. „Es war ein Erlebnis“, strahlt nicht etwa ein kleiner Junge, sondern dessen Vater nach dem Verlassen des Beifahrersitzes der Fahrerkabine. Oliver Fahnick hat seinen Sohn Milo an der Hand. „Er ist ein absoluter Müllabfuhrfan“, beschreibt er den Sechsjährigen. Milo verpasse kaum eine Abholung, schaue wann möglich vom Balkon zu. „Es war sein Traum mitzufahren.“ Und seine Erwartungen wurden erfüllt. In der Fahrerkabine gebe es „viele Knöpfe und ein großes Lenkrad“, schwärmt der junge Dossenheimer. Für Vater Oliver ist neben der Fahrzeugflotte auch das Thema Energierückgewinnung von Interesse.

Wie umweltschonende Mülltrennung richtig geht, lernen die Besucher am Tag der offenen Tür von klein auf. © Nicolai Lehnort

Dafür steht der AVR Umweltservice. Die grüne AVR ist auf dem Gelände mit einer elektrisch betriebenen Bimmelbahn erreichbar. Wer einen kleinen Spaziergang nicht scheut, kann den Weg auch zu Fuß antreten. Schließlich gibt es auf der Strecke Radlader und andere Baumaschinen zu entdecken – für die kleinen (und teilweise auch großen) Gäste eine gern genutzte Gelegenheit zum Klettern und Staunen. Schließlich bietet dieser Teil der Veranstaltung weniger Anschauliches für die kleinen Besucher. „Das andere Gelände ist interessanter für die Kinder, dort ist einfach mehr ausgestellt“, meint Stefanie Boppel, die mit ihren Kindern Marlon (7) und Lotta (2) aus Sinsheim gekommen ist. „Dort sind die Kinder voll auf ihre Kosten gekommen.“

Biogas für 2000 Haushalte – AVR Sinsheim gibt Einblick in die Arbeit

Beim Umweltservice hingegen heißt es seitens der Kleinen: „Boah, hier stinkt es!“ Da hilft nur: Nase zuhalten, etwa in der Konditionierhalle, einem Teil der seit 2019 im Betrieb befindlichen Bioabfallvergärungsanlage, in der sich der Inhalt der fast 120 000 Biotonnen im Rhein-Neckar-Kreis in Kleinstücke verteilt meterhoch türmt und am Ende des Vergärungsprozesses als Biogas in das Gasnetz eingespeist wird. Damit können jährlich rund 2000 Haushalte beliefert werden. Betrieben wird die Anlage zu 70 Prozent aus dem Strom des hauseigenen Solarparks. Die riesige Photovoltaikanlage überspannt nahezu das gesamte Gelände, ist von überall aus sichtbar.

Bis unter die Decke türmt sich der Abfall aus der grünen Tonne plus. © Nicolai Lehnort

Zusätzlich zum Biogas entsteht in der Anlage Frischkompost. 5000 bis 6000 Tonnen jährlich. Da tut das Verschenken des Inhalts der Baggerschaufel, aus dem die Besucher sich an diesem Tag am Kompost bedienen dürfen, nicht weh. Christel und Volker Lutz aus Brühl nehmen sich jeweils einen Karton mit nach Hause. „Das nutzen wir als Blumenerde und für den Anbau von Tomaten eignet er sich auch“, plant Christel Lutz bereits den Einsatz. Die beiden haben über diese Zeitung von der Veranstaltung erfahren und seien zuvor schon mal auf der Anlage gewesen, wie Volker Lutz berichtet: „Nach einer Haushaltsauflösung haben wir das alles hierher hergefahren.“

Eines der Aushängeschilder des Umweltservice ist das Biomasseheizkraftwerk. „Recyclingmäßig gibt es da nicht viel zu verbessern – eine echt ausgereifte Technik“, urteilt Thomas Wäscher aus Rauenberg. Er sei Ingenieur und kenne sich mit Heizkreisläufen gut aus, ergänzt der 75-Jährige. In diesem Kraftwerk werden Holzhackschnitzel und Grünabfälle verwertet, die etwa von Häckselplätzen der Region eingesammelt werden, und damit nach Unternehmensangaben die „grünste Fernwärme im Rhein-Neckar-Kreis“ erzeugen. Durch das Verfahren werden pro Jahr 6500 Tonnen Kohlenstoffdioxid eingespart oder umgerechnet 2,4 Millionen Liter Heizöl.

Müllmänner als beste Freunde

Neben den technischen Aushängeschildern des AVR Umweltservice gibt es für die jungen Besucher etwas Unterhaltung in Form von 16,5 Tonnen Leergewicht und 20 Kubikliter Fassungsvermögen. Die Faszination für den Fuhrpark des AVR-Gewerbeservice ergreift unter anderem Samuel aus Edingen-Neckarhausen. „Das war richtig cool“, strahlt der Zehnjährige, nachdem er den Presscontainer des Fahrzeugs mittels Fernbedienung fiktiv entleert hat. „Den Termin hat er sich schon vor langer Zeit im Kalender markiert“, erzählt Mutter Katja Beaupre und fügt mit einem Schmunzeln hinzu: „Die Müllmänner sind seine besten Freunde.“ Doch nicht nur wegen der beeindruckenden Abfuhrfahrzeuge sei der Zehnjährige zum Tag der offenen Tür gekommen: „Ich wollte wissen, was mit dem Müll vor der Haustür passiert.“ Das hat er auf der AVR-Anlage in Sinsheim erfahren.

Volontariat Nicolai Lehnort ist seit Juli 2023 Volontär.

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