Schwetzingen. Kunst im Entstehungsprozess zwischen analoger und digitaler Ausarbeitung, die sich zudem der Herausforderung durch künstliche Intelligenz stellt – in diesem Spannungsverhältnis steht die aktuelle Ausstellung „analog – digital – kreativ“ im Xylon Museum in Schwetzingen. Als das Mindhoff’sche Atelier als Ausstellungsfläche vom Xylon im positiven Sinne vereinnahmt wurde, nannte es die Museumsleitung „Labor“, eine Werkstätte, die der Arbeit, der Forschung und dem Experiment dient.
Mit der gegenwärtigen, nunmehr fünften Ausstellung erweitern sieben Kunstschaffenden des Schwetzinger Ateliers „bamboo & bikes“ das traditionelle Feld der Drucktechniken um neue, zeitgenössische Arbeitsweisen: Aus digitalem Bildmaterial wie Fotografie, Videokunst und Computergrafik entwickelten sie traditionelle, analoge Holzschnitte, um sie gegebenenfalls wieder zu Re-Digitalisieren und weiter zu bearbeiten. Für die Künstler war dies ebenso ein ungewohnter, neu zu entdeckender Prozess wie für die zahlreichen Besuchenden der Ausstellung, die am Samstagnachmittag unter Anwesenheit aller beteiligten Künstler eröffnet wurde.
Künstlergespräch zur Vernissage im Xylon Museum in Schwetzingen
Eigene, fertige Werke weiterentwickeln, stimmte die Künstler anfangs skeptisch, erzählte Moderator Rolf Kienle beim Künstlergespräch, zu dem er im Anschluss an die Ausstellungseröffnung in die Stadtbücherei einlud. Sie fürchteten, dass ihre ursprüngliche Botschaft bei der Übertragung ihrer Werke auf tradierten Holzdruck verloren ginge. Tatsächlich ändere sich der Fokus, räumte Kienle ein, von dem mitunter detailreichen Foto in den darstellungsreduzierten Druck.
Der Vorgang digitales Material für den Holzdruck vorzubereiten, benötigt mehrere Schritte, die Oswald Wieser, der diesen Prozess jeweils vollzog. Die Bildvorlage der Künstler wurde in mehrere Farbebenen am Computer via Bildbearbeitung zerlegt und für den Laserdrucker gespiegelt; die spiegelverkehrte Vorlage ist zum Drucken notwendig. Zur Vervollständigung oder raumsimulierenden Korrektur der Vorlage setzt Wieser teilweise Mittel der künstlichen Intelligenz ein, die nach seiner Ansicht weite neue Wege eröffnet. Danach fräste er diese Ebenen auf Druckplatten, Holz, Acryl oder Linoleum. In der Druckwerkstatt des Xylon wurden dann die Bilder – in mehreren Durchgängen entsprechend den Druckstöcken – auf Papier, Stoff oder andere Materialien ausgedruckt. Tatsächlich konnte man in der Werkstatt, die anlässlich der Ausstellungseröffnung zugänglich war, mehrere Vorab-Arbeiten und Probedrucke der Künstler sehen.
Im Ergebnis entstand Neues aus den bereits fertigen Kunstwerken. So reduzierte die Heidelberger Fotografin Sabine Arndt die Form- und Farbwiedergabe von Fotografien mit Mannheimer Stadtansichten. Mit analoger Arbeitsweise habe sie keine Berührungsängste, sagte sie bei dem Künstlergespräch, denn einerseits habe sie früher schon in Dunkelkammern gearbeitet und andererseits die Zwei-Ton-Technik durch Oswald Wieser kennengelernt.
Der Fotograf Horst Hamann, bekannt für hochformatige Architekturfotos, lernte loszulassen durch die neue Darstellung seiner Gebäude als Druck. Er verglich die Neuausrichtung mit Musik, die für ein Instrument geschrieben, aber von einem anderen gespielt wird. Der Berliner Architekt und Maler Fabian Wieser fokussiert sich auf Gebäude. Sein Exponat basiert auf dem Holocaust-Museum in Berlin.
„Mit diesen Händen wird in diesem Geschäft gearbeitet,“ sagte Carolin, die Hauptprotagonistin in den gezeigten Werken der deutsch-französischen Fotografin Marie Préaud, und zeigte ihre Hände. Préaud hatte ihr Model zur Ausstellung mitgebracht. Zur Wahl ihres Themas sagte sie ganz einfach, dass sie Menschen liebe; in Schwetzingen habe sie zum Beispiel nicht den Spargel fotografiert, sondern Leute, die mit dem Spargel zu tun haben, und ihre Hände.
Uwe Essig präsentiert Fahrräder im Xylon Museum
Einen komplexeren Weg ging Uwe Essig, der eine Installation mit Rädern aufgebaut hat. Der leidenschaftliche Radfahrer interessiert sich für die Ikonografie von Tatoos und überträgt diese auf Fahrradscheiben aus durchsichtigem Plexiglas, sodass sich durch die Bewegung neue Formen ergeben. „Mir geht’s um Komplexität und Zwischenfelder“, erklärte der Maler und Bildhauer, der auch in der Malerei in mehreren Schichten arbeitet.
Joana Vieira da Costa ist Video- und Animationskünstlerin und Storytellerin, die einen Filmausschnitt nicht nur eingefroren hat, sondern sich dem Wagnis des Holzdrucks gestellt hat. Sie gibt zu, dass sie das Projekt insgesamt genossen hat, weil jeder mitmachen konnte – ein demokratisches Erlebnis. Ausprobieren mit Farbe erfüllte auch die Fotografin Isabell Lonz aus Hockenheim.
„Es ist ein spannendes Projekt, das nicht aufhört, Neues hervorzubringen“, erörtere Kuratorin Dr. Kristina Hoge die Arbeiten, denn die neuen Techniken des Drucks eröffneten zugleich neue Facetten als Idealvorstellung. In der Konsequenz war die Werkstätte des Xylon in die Ausstellung einbezogen, und man konnte Druckstöcke und Testdrucke sehen. Das Museum sei so nicht mehr Ort der Präsentation von Ergebnissen, sondern zeige den kreativen Prozess des Entstehens – könne so vielleicht sogar die eigene Kreativität anregen.
Die Ausstellung wird durch Workshops ergänzt, die Oswald Wieser in der Schwetzinger Volkshochschule anbietet. Am Sonntag, 27. Juli, endet sie mit einer Finissage um 16 Uhr.
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