Jubiläum der Ortsgruppe Schwetzingen

Badische Heimat: Geschichte der Kurpfalz seit 100 Jahren im Blick

Von 
Volker Widdrat
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Dieter Burkard ist stellvertretender Vorsitzender der Regionalgruppe Schwetzingen und Gründungsmitglied des Ortsvereins der Badischen Heimat. © Widdrat

„Möge es erhalten bleiben, das Schwetzinger Schloßtheater, weit über uns hinaus, als Bote einer vergangenen Kultur! Aber der Zahn der Zeit treibt verheerenden Fraß an diesem Zeugen verwehter Pracht.“ So stand es in der Schwetzinger Zeitung über einen Vortrag von Professor Lüttich aus Heidelberg bei der Gründungsversammlung der Ortsgruppe Bezirk Schwetzingen der Badischen Heimat, die am 7. März 1922 im Hotel „Zum Falken“ in der Bahnhofsanlage ins Leben gerufen wurde. Anlässlich des 100-jährigen Bestehens blicken wir auf den hiesigen Ortsverein der Badischen Heimat und was diese im Jubeljahr plant.

Ein Blick in den Zirkelsaal des Schlosses, als hier 1922 die Ausstellung Schwetzinger Künstler stattfand. © Volker Widdrat

„Ein Jahr, in dem der Landesverein in einer besonders ausgeprägten Aufbruchsstimmung war“, schreibt der Vorsitzende der heutigen Regionalgruppe Schwetzingen, Dr. Volker Kronemayer, in einem Beitrag für das Quartalsheft der Badischen Heimat. Die 1909 erfolgte Gründung des Landesvereins mit Sitz in Freiburg beruhte auf einem Zusammenschluss des „Vereins für ländliche Wohlfahrtspflege“ und des „Badischen Vereins für Volkskunde“. Insgesamt acht neue Ortsgruppen begannen 1922, neben Schwetzingen unter anderem auch Östringen und Wiesloch. Die Versammlung im „Falken“ wählte den Bildhauer Otto Schließler zum Vorsitzenden. Beim Landestreffen vom 17. bis 20. Juni 1922 in Bruchsal lud der zu einem Ausflug nach Schwetzingen ein, der „den ernsten Beratungen einen würdigen Abschluss“ geben sollte.

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Der Landesvorsitzende Hermann Eris Busse führte damals aus: „Professor Dr. Lüttich, Heidelberg, erläuterte den leider stark in Verwahrlosung stehenden Schlossbau und führte durch die Gartenschönheit des Parkes, der aus dem Geiste Ludwigs XIV. geboren ist.“ Es folgte „ein einfacher Imbiß im Jagdsaal, verbunden mit musikalischen Darbietungen unter Leitung von Frl. Dussel“, hatte es in der Ankündigung der Schwetzinger Zeitung geheißen.

Hebelgedenken unvergessen

Der neu gegründete Verein war äußerst rege. Genauestens wurde ein „Arbeitsprogramm für die nächste Zeit“ festgelegt. Beim „Heimat-Abend“ am Freitag, 12. Mai, „abends 8 Uhr“, sprach Referent Dr. Fr. Noack aus Freiburg im Saale zum „Grünen Haus“ (Blaues Loch) „über den Verfasser des berühmten Abenteuerromans Simplicissimus aus der trüben Zeit des Dreißigjährigen Krieges, Christof von Grimmelshausen“. Der Sonntagnachmittag am 22. Juli im Saale des „Enderle“ in Ketsch stand ganz im Zeichen eines Vortrags „von Herrn Hauptlehrer Seyfried“ über den Karl-Ludwig-See. Die Gäste fuhren mit der „Elektrischen“ von Schwetzingen nach Ketsch. Das anschließende gemütliche Beisammensein fand im Waldrestaurant „Talhaus“ statt. „Leider musste die geplante Besichtigung des Karl-Ludwig-Sees in Anbetracht der schlechten Witterung unterbleiben“, hieß es damals im Nachbericht der Schwetzinger Zeitung, den uns Andreas Moosbrugger zur Verfügung gestellt hat. Die alten Annoncen sowie die Bilder stammen ebenso von dem Fachmann für historische Aufnahmen und Beisitzer der Regionalgruppe.

Im Juni 1922 organisierte der neue Verein zusammen mit dem Verkehrsverein Schwetzingen und dem Altertumsverein Mannheim im Jagdsaal des Schlosses die Ausstellung „Schwetzingen im Bild“. Den Eröffnungsvortrag hielt Dr. J. A. Beringer aus Mannheim. Die Ausstellung sollte „nunmehr aber auf Wunsch Schwetzingens eine größere Ausdehnung erhalten und soll während der Pfingstwoche einen besonderen Anziehungspunkt für die Besucher Schwetzingens bilden“.

Die Aufbruchsstimmung des Landesvereins wurde 1923 durch die einsetzende Inflation unterbrochen. Die Ortsgruppe Schwetzingen führte ihre Arbeit erfolgreich fort.

Besondere Wertschätzung genossen Feierlichkeiten zum Geburts- und Todestag von Johann Peter Hebel. Die Feier anlässlich des 100. Todestages des alemannischen Dichters und ersten Prälaten der evangelischen Landeskirche in Baden am 18. September 1926 beeindrucke heute noch, meint Dr. Volker Kronemayer. Am Hebelgrab sprachen Bürgermeister Götz, Stadtpfarrer Walther und für die Badische Heimat Hauptlehrer Klebes. Am Abend fand im Schlosshof eine Hebelfeier statt, zu der etwa 800 Jugendliche kamen. Für die musikalische Gestaltung sorgten der Musikverein und der Schülerchor der Realschule.

Derzeit rund 200 Mitglieder

Auch das 100-jährige Jubiläum der Stadtrechte habe ganz oben auf der Liste der wichtigsten Ereignisse für die Badische Heimat gestanden, so Kronemayer. In Absprache zwischen Otto Klebes von der Ortsgruppe und Herrmann Eris Busse vom Landesverein wurden für den 17. März 1933 ein „Pfälzer Abend“ im Saal des Hotels „Zum Hirsch“, für den 29. April ein Vortragsabend mit Lichtbildern über Schwetzingen und für den 24. September der Hebeltrunk als Abschluss geplant.

Die 1979 erneut ins Leben gerufene Regionalgruppe Schwetzingen „kann in diesem Jubiläumsjahr auf ereignisreiche Jahrzehnte zurückblicken und mit Zuversicht für die nächsten Jahre planen. Sie ist über diese Zeit einer der wenigen, wenn nicht der einzige Verein vor Ort, der sich der Information zur Geschichte und Kultur von Stadt Region verschrieben hat“, meint Kronemayer. Hundert Jahre später „erkennt man die in den Gründungsjahren angelegten Strukturen im Programm der Badischen Heimat Schwetzingen wieder“.

Für den stellvertretenden Vorsitzenden Dieter Burkard ist die Regionalgruppe mit ihren rund 200 Mitgliedern der „einzige Verein, der sich so intensiv mit der Geschichte der Kurpfalz und auch den aktuellen Fragen beschäftigt“. Der Vorsitzende des Heimat- und Kulturkreises Oftersheim betont die Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Schwetzingen, dem Stadtarchiv, dem Kulturamt und dem Museum Karl-Wörn-Haus. Burkard ist Gründungsmitglied der Regionalgruppe. „Das Angebot an Vorträgen, Lesungen und Exkursionen hat uns von Anfang an ausgezeichnet“, sagt der 73-jährige Geschichtslehrer im Ruhestand.

Während der Corona-Pandemie habe es natürlich keine Veranstaltungen geben können. Besondere Höhepunkte seien früher immer die Ein- oder Mehrtagesfahrten gewesen, erinnert er an den bestens vorbereiteten und mit exzellenten Führungen bestückten Ausflug 1991 mit über 100 Personen nach Dresden. Die Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Bezirk Schwetzingen habe seit langem einen hohen Stellenwert, so Burkard.

Das steht dieses Jahr an

Für diesen Mittwoch, 20. April, ist ein Besuch des Marchivum mit Führung durch den höchsten Bunker Mannheims geplant. „Ein schreckliches Ende“ ist der Titel eines Vortrags, der die Ermordung des deutschen Botschafters in Portugal, Albert von Baligand, 1930 zum Thema hat und am 19. Mai in der Volkshochschule stattfindet. Am Freitag, 17. Juni, führt eine Exkursion mit Volkshochschulleiterin Gundula Sprenger und Dieter Burkard in das Weindorf Deidesheim. Am Mittwoch, 22. Juni, lesen Burkard und der Diplom-Psychologe Wolfgang Widder aus dem Buch „Nichts als das nackte Leben“. Gerda Weissmann-Klein schreibt darin über ihre Kindheit, Familie, die Heimatstadt Bielitz, 30 Kilometer entfernt von Auschwitz und die sechs schlimmsten Jahre ihres Lebens. Im letzten Teil des Buchs steht ihre wundersame Begegnung mit Kurt Klein aus Walldorf, der im Zweiten Weltkrieg als einer der „Ritchie-Boys“ in der US-Armee gegen Nazi-Deutschland kämpfte. Das Buch „All But My Life“ gilt in den USA als ein Klassiker der Holocaust-Literatur, vergleichbar bei uns mit dem „Tagebuch der Anne Frank“, erklärt Burkard.

Die Regionalgruppe widmet sich auch weiterhin den Themen Stadt und Schloss Schwetzingen, führt Kronemayer in seinem Artikel für die Badische Heimat aus. 2003 würdigte ein Beitrag von Jörg Schadt Schwetzingen als Amtsstadt im 19. Jahrhundert. 2004 beschrieb die Badische Heimat in einem Quartalsheft Stadtgeschichte und Stadtentwicklung. Im März 2016 war ein Themenheft der Beitrag des Vereins zum Stadtjubiläum.

Ob Hebelgedenken und Hebeltrunk wieder stattfinden und die Badische Heimat Schulabgängern für ihren besonderen Einsatz im sozialen Bereich die eigens geschaffene Hebelmedaille überreichen kann, steht für dieses Jahr noch nicht fest. Die nächste Jahresversammlung der Regionalgruppe mit Neuwahlen findet am 11. Mai statt.

Die Annonce zur Gründungsver-sammlung der Ortsgruppe Bezirk Schwetzingen im „Falken“ am 7. März 1922. © Moosbrugger (3)
Bei der Landesversammlung in Bruchsal am 20. Juni 1922 führt ein Ausflug in den Schlossgarten Schwetzingen. Es gibt einen einfachen Imbiss im Jagdsaal. © Volker Widdrat

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

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