Schwetzingen. „Das darf doch nicht wahr sein“, entfuhr es mir laut, als ich gerade in der S-Bahn nach Mannheim Platz genommen habe. Der Zug steht noch im Schwetzinger Bahnhof, als eine Durchsage kommt, die auf eine liegen gebliebene Lokomotive auf unserer Strecke hinweist. Fängt die dritte und letzte Fahrt mit dem 9-Euro-Ticket in die Partnerstädte Schwetzingens etwa genauso an, wie es mir bei den Touren nach Schrobenhausen und Karlshuld-Neuschwetzingen (wir berichteten) ergangen ist? Zum Glück nicht: Offensichtlich ist das Problem schnell behoben und ich kann die erste Etappe nach Wachenheim mit kleiner Verzögerung beginnen.
Mit der pfälzischen Stadt an der Weinstraße ist Schwetzingen schon am längsten verbunden: Seit 1953 gibt es die Kontakte. Damals übernahm die Stadt Schwetzingen eine sogenannte Weinpatenschaft für Wachenheim – einerseits, um den dortigen Winzern durch den Ausschank der guten Tropfen in Schwetzinger Gastwirtschaften zu helfen. „In Wachenheim wächst ein guter Tropfen“, lautete damals die Überschrift in unserer Zeitung. Auf der anderen Seite sollte dadurch aber auch die kurpfälzische Verbundenheit zwischen den Menschen diesseits und jenseits des Rheines lebendig gehalten werden. Das funktioniert bis heute – und seit vier Jahren ist es auch eine offizielle Städtepartnerschaft, die den Vorteil hat, dass beide Orte relativ nah beinander liegen und schnell zu erreichen sind – auch für mich mit dem Zug.
Ganz reibungslos verläuft die Fahrt dann doch nicht: Die Regionalbahn ab Frankenthal hat deutlich Verspätung und so reicht der – zugegebenermaßen kleine – Zeitpuffer nicht, um in Freinsheim den Anschluss zu erreichen.– es heißt, rund eine halbe Stunde warten. Eigentlich gibt es schlimmere Zwischenstationen als einen bekannten Weinort. Aber erstens gibt es am Bahnhof keine Besenwirtschaft und außerdem wäre es für einen Pälzer Schoppe noch zu früh am Tag. Doch es dauert ja nicht lange. Einziges Manko: Ich werde kurz vor elf auf dem Wachenheimer Rathaus erwartet. Aber der erste Beigeordnete Dr. Manfred Bühler nimmt’s locker: „Dann kann ich hier noch was wegschaffen“, sagt er am Telefon.
Sehenswertes in Wachenheim
Wachtenburg: Sie ist die Ruine einer Spornburg am so genannten „Schlossberg“ und das Wahrziechen von Wachenheim.
Mittelalterliche Stadtmauer: Sie wurde 1341 erricht und ist noch in vielen teilen erhalten.
Villa Rustica: Das zum römischen Gutshof gehörige Gräberfeld wurde 1997 an der Straße Wachenheim – Friedelsheim entdeckt.
„WineBank“ Pfalz: Hier können mehr als 40 000 Flaschen Wein gelagert werden.
Weitere Sehenswürdigkeiten: historischer Stadtkern, Kurpfalz-Park, Weingut Dr. Buerklin-Wolf,Sektkellerei Schloss Wachenheim, Villa Wolf, Ludwigskapelle, Dalberger Hof, Wachenheimer Hof,
Veranstaltungstipps: Burgfest (26. bis 29. August); Wanderung „Von der Rebe ins Glas“ (17. september), Burg- und Weinfest (23. bis 26. September) Wachenheimer Serenade (Frühjahr).
Gastronomische Tipps: Metzgerei und Restaurant Hambel; Sternerestaurant „The Izakaya“. ali
Die Fahrt nach Wachenheim muss übrigens nicht über die Zwischenstationen Mannheim, Frankenthal und Freinsheim mit dreimaligem Umsteigen erfolgen. Es geht auch anders, zum Teil einfacher und schneller – immer vorausgesetzt, die Bahn fährt einigermaßen pünktlich. Meine Tour hätte planmäßig etwa eineinhalb Stunden dauern sollen, am Ende wurden es rund zwei. Schneller (manchmal sogar nur 70 Minuten) geht es beispielsweise über Neustadt-Böbig, Neustadt Hauptbahnhof oder Bad Dürkheim. Zu manchen Tageszeiten ist auch eine Teilstrecke per Bus denkbar.
Der große Vorteil in Wachenheim: Der historische Ortskern ist vom Bahnhof gut erreichbar und dort ist vieles auch kompakt nahe beieinander – ob Sehenswürdigkeiten wie Stadtmauer, Wachtenburg-Winzergenossenschaft, Sektkellerei Schloss Wachenheim oder das Weingut Dr. Bürklin-Wolf mit seiner Vinothek im Englischen Garten. Genauso zahlreiche der gastronomischen Angebote, angefangen von der bekannten Metzgerei Hambel (mit Restaurant), über das spanische „Nou“, das „Cuvee 1888“ gegenüber bis hin zum „Luginsland“ – um nur einige zu nennen. Und mittendrin ist auch das „The Izakaya“. Die Fassade ziert ein Michelin-Stern. Gourmetkoch Benjamin Peifer ist gerade auf dem Weg ins Nachbarhaus. Das wird gerade umgebaut und er will dort mit seiner Frau sein neues „Intense“ eröffnen – Peifers zweites Sternerestaurant, das bisher in Kallstadt beheimatet war. Geplant ist im Oktober“, antwortet er auf die Frage, wann er eröffnen wird.
Er kennt jeden
An meiner Seite ist Dr. Manfred Bühler, der erste Beigeordnete Wachenheims und ein profunder Kenner seiner Heimatstadt. Er kennt alles und jeden. Und wen er nicht kennt, den lernt er schnell kennen. Der 67-Jährige zeigt mir den sanierten Marktplatz und führt mich zum relativ neuen Mehrgenerationenspielplatz. „Hier können Rollstuhlfahrer genauso schaukeln wie kleine Kinder.“ Bühler zeigt auf ein Betonfundament am Boden. Hier entsteht die erste volldigitale Paketstation der Pfalz – mit Online-Beratung am Bildschirm. Denn eine Post haben sie in Wachenheim nicht mehr, auch der Einzelhandel ist überschaubar geworden.
Stolz sind sie auf die 2021 fertiggestellte Pumptrackanlage. „Die einzige geteerte Anlage in Rheinland-Pfalz.“ Nur in Ladenburg gebe es in der ganzen Region noch so eine, weiß Matthias Kunkel. Er ist seit einem Monat Leiter der Touristinformation im Ort und hat von seiner vorherigen Station in Grünstadt viele Ideen mitgebracht. Im neuen Job ist er offensichtlich schon voll angekommen, denn wie aus der Pistole geschossen, weiß er die nächsten Veranstaltungen – zuerst kommt das große Burgfest Ende August. Dann wechseln am 2. September die Weinprinzessinnen. Da endet die Amtszeit von Svenja Hick, die fünf Jahre im Amt und in dieser Zeit auch oft in Schwetzingen zu Gast war. Auch zum Burg- und Weinfest im September lädt Kunkel ein, ebenso zur Wanderung „Von der Rebe ins Glas“ und zu vielen anderen Veranstaltungen. „Schauen Sie einfach auf unserer Homepage nach.“
Wieder auf der Wachtenburg feiern
Nach zweijähriger Pause werden am Freitag, 26. August, um 19 Uhr die Stadt- und Weinhoheiten das Wachenheimer Burgfest eröffnen. Das ganze Wochenende – vom Auftritt der „Acoustic3-4you“ am Freitagabend bis zum abschließenden besonders romantischen „Funzelabend“ am Montag –- erwartet die Besucher der Wachtenburg einmal mehr ein stimmungsvolles Ambiente auf dem „Balkon der Pfalz“.
Am Samstag können sich die Besucher nach einer schönen Wanderung auf die Burg bereits ab 10 Uhr mit herzhaftem Essen und einer Schorle stärken. Den einmaligen Blick über die Rheinebene gibt es gratis dazu. Am Samstagabend treten dann ab 19 Uhr erneut die „Acoustic3-4you“ auf - und es kann bei heißer Musik und guter Stimmung in die Nacht gefeiert und getanzt werden. Am Sonntag gibt es ab 11 Uhr einen stimmungsvollen Frühschoppen auf dem „Balkon der Pfalz“ und danach, wie auch schon am Samstagnachmittag, Kaffee und – solange der Vorrat reicht – selbstgebackenen Kuchen.
Gemütlich soll der Sonntagabend dann ausklingen. Am Montagabend finden die Festtage ihren schon traditionellen Abschluss bei einem romantischen „Funzelabend“ (ab 18 Uhr) Auch in diesem Jahr ist wieder ein Bus-Pendel-Verkehr zur Burg eingerichtet. zg
Dann gibt es noch das eine oder andere Weinfest in Ellerstadt, Friedelsheim und Gönnheim. Diese drei Orte bilden zusammen mit Wachenheim die Verbandsgemeinde Wachenheim, deren hauptamtlicher Bürgermeister Torsten Bechtel ist. Er ist gleichzeitig auch noch ehrenamtlicher Bürgermeister der Stadt Wachenheim. Und wenn er – wie jetzt – in Urlaub ist, vertritt ihn der pensionierte Oberstudienrat Dr. Manfred Bühler. Der sitzt für die FDP im Stadtrat und weiß über alles Bescheid.
Natürlich – wie könnte für einen Pfälzer anders sein – auch über den Wein, der in Wachenheim eine dominante Rolle spielt: Weingüter, Weinstuben, Weinhändler, Vinotheken, ja sogar eine Weinbank. Im Keller des spätbarocken Rettinger Hauses unmittelbar zwischen dem Schloss Wachenheim und dem wohl berühmtesten „Saumagen-Metzger“ der Pfalz (Hambel) befindet sich in zwei verbundenen Gewölbekellern die „WineBank Pfalz“. Sieben Tresore mit 252 Fächern, 60 historische Fächer sowie sechs Tanktresore und zwei Privatkeller bieten „WineBankern“ die Möglichkeit, hier mehr als 40 000 Flaschen Wein zu lagern.
Wo der gute Tropfen wächst, ist unschwer zu erkennen. Rund um die Stadt befinden sich Weinberge auch unterhalb der bekannten Wachtenburg. Hier führt mich Manfred Bühler in der Einzellage „Wachenheimer Gerümpel“ zu einem besonderen Wingert, den ein Schild ziert: Das ist seit 2003 der Schwetzinger Paten-Weinberg mit der Rebsorte Riesling. Im Gegenzug haben die Wachenheimer einen Spargelacker bekommen. Und jedes Jahr entsendet die Partnerstadt Schwetzingen eine Delegation als Erntehelfer – meist Vertreter des Gemeinderats. „Mitte September kommen sie wieder“, freut sich Bühler schon und zeigt auf die vollhängenden Reben.
Dann ist schon wieder Zeit für meine letzte Fahrt mit dem 9-Euro-Ticket nach Hause – diesmal übrigens ohne liegen gebliebene Loks und nennenswerte Verspätungen. Noch bleiben zehn Tage für Nachahmer: Wachenheim ist einen Ausflug wert.
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