Schwetzingen. „Das halten wir nicht bis Januar aus“, die Verzweiflung macht sich bei Alexander Poyraz und einigen anderen Bewohnern der Häuser in unmittelbarer Nähe zur Baustelle für den neuen Bahnhaltepunkt in der Nordstadt Schwetzingens breit. Die Bauarbeiten, die erheblichen Lärm mit sich bringen, erfolgen nicht nur zu den herkömmlichen Arbeitszeiten. Dank Sondergenehmigung dürfen die Arbeiter auch an Wochenenden, Feiertagen und nachts an den Schienen hantieren - die Anwohner leiden.
Die vermieteten Parkplätze der Wohnhäuser am Sudetenring, die teilweise direkt an die Baustelle angrenzen, sind aufgrund der Arbeiten nicht mehr nutzbar. Bäume und Gestrüpp, die den Blick aus dem Fenster prägten, mussten nun Bauschutt und Baggern weichen. Vibrationen in Folge von Bohrungen und Lasttransporten, lassen Bürger nachts regelmäßig aus dem Schlaf schrecken.
Verzweiflung der Anwohner in der Schwetzinger Nordstadt
Es ist keine einfache Situation, in der sich Alexander Poyraz und andere Bewohner am Sudetenring momentan wiederfinden: „Ich fühle mich machtlos, denn nicht mal die Polizei Schwetzingen kann etwas gegen die Ruhestörungen machen.“ Grund dafür ist die Sondergenehmigung, welche die Deutsche Bahn erwirkt hat, die der ausführenden Firma erlaubt, auch außerhalb der gesetzlich geregelten Arbeitszeiten tätig zu sein.
„Schön leben wir nicht mehr“, findet Katharina Streltlin, deren Wohnhaus weniger als 30 Meter von der Baustelle entfernt ist. Zunächst sei ein Flyer eines Subunternehmen der Deutschen Bahn im Briefkasten gewesen, skizziert Poyraz den Beginn seines Übels: „Gestartet haben die Arbeiter dann kurz später, abends um 21 Uhr. In der ersten Woche entfernten sie die Lärmschutzwände und nutzten auch nachts den Presslufthammer.
In der zweiten Woche bekamen wir dann ein Schreiben, dass uns erlaubte für eine Woche ins Hotel zu gehen. Dafür haben wir 90 Euro pro Nacht zu Verfügung bekommen. Leider hörten die Lärmbelästigungen auch nach dieser Woche nicht auf. Auch als wir uns in der vierten Woche befanden, wurde ich noch regelmäßig wach. Wenn nicht durch die Arbeiter, dann wegen den Lastenzügen. Die Plastikplanen, die uns momentan vor der Geräuschkulisse schützen sollen, bringt da überhaupt nichts.“ Dies sei für Poyraz auch kein Wunder, denn die Bahnschienen verlaufen erhöht - ganz im Gegensatz zu den vorübergehenden Schutzwänden.
Bauarbeiten in der Schwetzinger Nordstadt: Schilderung der Anwohner
Streltlin glaubt zu wissen, was helfen könnte. „Es sollen einfach so schnell es geht die neuen Schutzwände hochgezogen werden. Auch wenn es sehr schade ist, dass unsere Bäume und Sträucher dafür gefällt wurden. Es war mal wirklich schön hier“, schildert die Nachbarin von Poyraz. Dazu sei der Zugang zur Baustelle der Hof benannter Liegenschaften, weswegen die Parkplätze, für die der Vermieter nach Poyraz Aussage weiter Entgelt verlange, unnutzbar sind: „Dadurch ist es in der ganzen Straße schwer zu parken. Dass es dazu kommt, hat uns keiner gesagt. Wie lange dieser unerträgliche Zustand bleibt, erzählt uns auch keiner.“
Die bescheidene Forderung von Poyraz, eröffnet der Bewohner, der zu allem Übel auch noch im Home-Office arbeitet, dieser Zeitung: „Alles was wir möchten ist, dass nachts, wie auch an Sonn- und Feiertagen, nur Arbeiten verrichtet werden, die leise möglich sind. Die können doch nicht erzählen, es sei unmöglich zu planen, wann tagsüber Züge fahren, ich meine das ist ja die Deutsche Bahn. Also wünschen wir uns, dass tagsüber gebohrt und gehämmert wird und die Arbeiter nachts leiser sind.“
Die Sicht von Bahn und Vermieter in Sachen S-Bahn-Haltepunkt
Was aus dem Munde von Poyraz simpel und verständlich klingt, ist für die Bahn kaum umsetzbar, wie ein Pressesprecher der Deutschen Bahn auf Nachfrage dieser Zeitung erläutert: „Um den Bahnbetrieb möglichst gering zu beeinträchtigen, müssen die Arbeiten, die im Gleisbereich stattfinden, überwiegend nachts vorgenommen werden. Die Dauer und Zeiträume der Bautätigkeiten sind durch Sperrpausen vorgegeben. Für die entstehende Lärmentwicklung bitten wir um Entschuldigung.“
Dass laute und somit störende Verrichtungen auch in der Nacht erfolgen, sei unumgänglich, wie die Bahn ausführt: „Nachdem die lärmintensiven Arbeiten leider trotzdem nachts, während der Sperrpausen anfallen, wurden diese seitens der Baufirma so gelegt, dass diese zu Beginn der Nachsperrpausen, ab 22 Uhr, stattfanden und nicht in den nächtlichen Morgenstunden. Wir sind darauf bedacht nur so viele Nachtschichten durchzuführen, wie unbedingt erforderlich. Als Schutz für die Anwohner wurde unter anderem ein lärmhemmender Bauzaun aufgestellt.“
Auch die Entscheidung, den Anwohnern in der zweiten Woche nach Beginn der Arbeiten einen Hotelaufenthalt anzubieten, weiß der Region-Pressesprecher zu verteidigen: „Die Intensität der Tätigkeiten unterschied sich deutlich zwischen dem Beginn der Bauarbeiten, der Woche zwei mit den nächtlichen Meißelarbeiten an den Fundamenten sowie den aktuell laufenden Arbeiten. Die nächtlichen Meißelarbeiten wurden zudem messtechnisch begleitet.
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Das Angebot der Hotelübernachtung wurde für die lärmintensivste Arbeitswoche angeboten und seitens einiger Anwohner in Anspruch genommen.“ Doch weiter räumt er ein: „Die Anwohner wurden aufgrund von Lieferschwierigkeiten der Deutschen Post sehr kurzfristig über das Hotelangebot informiert. Über die lärmintensiven sowie die Bauarbeiten wurde zu Beginn der Arbeiten nochmals per Postkarte informiert. Die Stadt hatte auch bereits davor über die Arbeiten informiert.“ Die Rodung der Bäume und Sträucher sei laut seiner Aussage notwendig gewesen, um eine neue, versetzte Lärm- und Sichtschutzwand zu installieren.
Frank Eissler, von Vermieter GEB Grundstücks-Eigentum-Beteiligungs GmbH, gibt auf Nachfrage dieser Zeitung bekannt: „Die Mieter erhalten für den Zeitraum, in dem die Stellplätze nicht genutzt werden können, eine entsprechende Mietminderung.“ Eine Mietminderung wegen der Lärmbelastung werde seiner Aussage nach in Absprache mit der Bahn geprüft und in Betracht gezogen. Ob und in welcher Form die Anwohner in der Umgebung der Baustelle entschädigt werden, zeigt sich dann voraussichtlich erst im Januar, nach Abschluss der Arbeiten.
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