Karl-Wörn-Haus

Carl Theodor in Schwetzingen: Kultur und Geschichte im „Lebenden Buch“

Die Ausstellung „CabinetT 1724 - 2024“ im Karl-Wörn-Haus bietet eine Zeitreise in die Ära des Kurfürsten Carl Theodor, die durch leidenschaftliche Erzählungen und Exponate Geschichte lebendig und greifbar macht.

Von 
Stefan Kern
Lesedauer: 
Durch die Sonderausstellung zu Ehren des Kurfürsten Carl Theodor im Karl-Wörn-Haus führen Joachim Kressin (stehend v.l.), Dr. Barbara Gilsdorf und Lars Maurer. © Dorothea Lenhardt

Schwetzingen. Eine Führung im Karl-Wörn-Haus rund ums Leben des Kurfürsten Carl Theodor ist auf den ersten Blick nicht wirklich eine außergewöhnliche Sache. Aber damit würde man den Führungen durch die Kabinettausstellung „CabinetT 1724 - 2024“ auf keiner Ebene gerecht. Denn mit den Exponaten, den Erzählungen und dem „lebenden Buch“ gelingt den Ausstellungsmacher rund um Museumsleiter Lars Maurer eine faszinierende Zeitreise.

Es scheint fast so, als wäre beim Kurfürsten und seiner Gattin Elisabeth Augusta mal kurz zu Besuch – Geschichte zum Anfassen und Erleben. H. G. Wells, Autor des 1895 erschienenen Romans von der „Zeitmaschine“, wäre wohl neidisch geworden. Nicht ein komplizierter technischer Apparat, lediglich 24 Exponate braucht es, für einen fast perfekten Eindruck von der kurfürstlichen Ära im 18. Jahrhundert.

Carl Theodor und Elisabeth Augusta: Einblicke in ihre Lebensläufe

Dass diese Reise so mühelos die Jahrhunderte überbrückt, dürfte auch an den drei Geschichtenerzählern liegen, die ihre eigene Begeisterung kaum verbergen konnten. Die städtische Kulturreferentin Dr. Barbara Gilsdorf, Stadtarchivar Joachim Kresin und Lars Maurer dürfen in Sachen Carl Theodor als infiziert gelten. Zu Beginn erläuterte Kresin anhand von Porträts von Carl Theodor und Elisabeth Augusta deren Lebensläufe.

Dabei verwies er auf ein kleines Detail im Bild der Kurfürstin, die anders als Carl Theodor die Hand auf dem kronenähnlichen Kurhut hält. Mit der anderen Hand weist sie auf sich. Ein Hinweis darauf, so Kresin, dass sie es ist, die direkt der kurfürstlichen Linie entstammt und Carl Theodor den Status Kurfürst am Ende ihr verdankt.

Carl Theodors Leidenschaft für Kultur und Wissenschaft

Seine frühen Jahre verbrachte Carl Theodor bei seiner Großmutter, die wohl seine Leidenschaft für Wissenschaft und Kultur begründete. Mit neun Jahren wurde er verlobt, mit zehn kam er nach Mannheim und wurde auf seine künftige Rolle vorbereitet. 1742, mit 18 Jahren, heiratete er Elisabeth Augusta und ein Jahr später kam er nach dem Tod Carl Philips in Amt und Würden.

Es war der Beginn eines außergewöhnlichen Aufbruchs in den Feldern Kultur, Philosophie, Wissenschaft, aber auch Wirtschaft und Staatsführung in der ganzen Kurpfalz. Wie sehr Carl Theodor dem Neuen zugewandt war, zeigt sich mit dem Gartenphaeton, den Gartenarchitekt Nicolas de Pigage 1776 dem Kurfürsten aus London mitbrachte. Angetrieben von der Muskelkraft eines Bediensteten konnte er so seinen Garten frei erkunden. Weiter ging es mit einer nachgestellten Szene zum Besuch des Wunderkindes Wolfgang Amadeus Mozart im Jahr 1763, die zeigt, dass kulturelle und lukullische Genüsse am Hofe großgeschrieben wurden.

Wissenschaft und Wirtschaft in der Kurpfalz

Barbara Gilsdorf sprach von einem höfischen Spannungsbogen von Lebenslust und Leidenschaft bis zur Frömmigkeit. Verbildlicht mit dem Eingangstor des Franziskanerklosters, das hier 1769 begründet wurde, den winzig kleinen Tanzmeistergeigen, die ausschließlich bei Tänzen zum Einsatz kamen, und einer kleinen „liegenden Venus und Cupido mit einem Satyr“ aus dem Jahr 1775, die ohne Frage auf eine gewisse erotische Atmosphäre am Hofe hinweise.

Ein weiterer Schwerpunkt widmete sich der Wissenschaft und der Wirtschaft. Hier symbolisch aufgenommen mit dem Teleskop aus der Werkstatt des britischen Optikers John Dollond, und dem Dokument zur Erhebung Schwetzingens zum Marktflecken im Jahr 1759. Ersteres erwarb Hofastronom Christian Mayer 1757 und nutzte es für seine Beobachtungen von der Schwetzinger Sternwarte, die auf dem Dach des Schlosses war.

Mehr zum Thema

Historie

Kurfürst Carl Theodor und seine Fortbewegungsmittel: Im Phaeton durch den Park

Veröffentlicht
Von
Dr. Ralf Wanger
Mehr erfahren
Reise in die Vergangenheit

Führung durch Schwetzingen: Wie die Stadt zu Zeiten von Carl Theodor aussah

Veröffentlicht
Von
Rita Weis
Mehr erfahren
Schlossplatz und Ehrenhof

Start, Zeitraum, Stände: Alle Infos zum Weihnachtsmarkt in Schwetzingen

Veröffentlicht
Von
Stefan Kern
Mehr erfahren

Höhepunkt ist am Ende der Führung das „Lebende Buch“. Mitten im Raum liegt es auf einem Podest und wird mit dem Blättern der Seiten lebendig. Anhand der Aufzeichnungen des Historikers Johann Goswin Widder (1734 - 1800) wird die Geschichte des Kurfürsten und der Kurpfalz auf eine Art und Weise aufbereitet, die jeden Besucher in den Bann schlägt.

Räumlich gesehen ist es eine kleine Ausstellung. Aber ideell könnte sie größer kaum sein. Wer Geschichte erleben und Schwetzingen heute verstehen will, muss die Ausstellung sehen.

Freier Autor Stefan Kern ist ein freier Mitarbeiter der Schwetzinger Zeitung.

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung

VG WORT Zählmarke