Mozartfest

Chaos String Quartet beim Mozartfest: Vibrierende Leidenschaft in Schwetzingen

Das Spiel des Chaos String Quartet hat Esprit. Sowohl moderne Kompositionen als auch Werke von Mozart und Schubert werden aufgeführt. Die musikalische Darbietung zeigt eine Vielfalt an Stilen und Emotionen.

Von 
Uwe Rauschelbach
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Schwetzingen. Die kreative Energie des Chaos ist für das Chaos String Quartet Programm. Musikalische Bezüge, die zu Heisenbergs Quantentheorie behauptet werden, müssen da ebenso wenig verwundern wie die Nähe, die die vier Musikerinnen und Musiker zur Musik Mozarts einnehmen – weshalb sie beim Schwetzinger Mozartfest denn auch einen denkwürdigen Auftritt absolvieren.

Die Bellsche Ungleichung, wonach zwei voneinander getrennte Systeme miteinander korrelieren, liegt dem Stück „Voids of inequality“ des italienischen Komponisten Alessio Elia zugrunde, die das Chaos String Quartet gemeinsam mit dem dem Klarinettisten Nikolaus Friedrich – er ist auch künstlerischer Leiter des Mozartfestes – erstmals aufführt. Mag das physikalische Theorem auch Verständnisprobleme aufwerfen, so macht das zum Quintett erweiterte Ensemble doch jene Abstoßungs- und Assimilationsphänomene kenntlich, wie sie sich in interaktiven Prozessen ereignen.

Mozarts B-Dur Quartett: Ausdruck und Esprit in Schwetzingen

In spannungsvollen dynamischen Entwicklungen und polyphonen Mustern, die sich auflösen und neu zusammensetzen, wirken tonale wie atonale Prinzipien aufgehoben. Die in unterschiedlichen Stimmungen agierenden Streicher produzieren Klänge, die in ihrer elementaren Archaik ein ästhetisches Chaos gleichsam beschwören wie bändigen. Von den gleißenden Flageolettskalen der Geigen und des Cellos eingewoben, nimmt die Klarinette eine herausgehobene Stellung ein, die im Kollektiv aufgeht.

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Von alledem scheint Mozart weit entfernt. Das heitere, aber keineswegs überhelle B-Dur in seinem zweiten „Preußischen Quartett“ wird von Susanne Schäffer und Eszter Kruchió (beide Violine) sowie Sara Marzadori (Bratsche) und Bas Jongen (Cello) in expressiver Dynamik entfaltet. Die pointierte Artikulation balanciert stilsicher auf jenem schmalen Grat, der Bedeutsamkeit von Belanglosigkeit trennt. Jede Stimme ist an ihrem Platz und gleichzeitig in lebendigen und wechselnden Bezügen. Den Detailreichtum würdigen die vier Interpreten mit geschliffener Rhetorik, die Vielfalt der Temperamente und Farbgebungen wird ohne exaltierte Effekte sichtbar. Diese Musik sprüht vor Esprit und Impulsivität, die Feinheit des Ausdrucks nimmt diesen Mozart ernst, ohne ihn besserwisserisch übertrumpfen zu wollen.

Kratziges Unisono bei Mozartfest in Schwetzingen

Der mit einem kratzigen Unisono aufgeraute Kopfsatz von Schuberts d-Moll-Quartett („Der Tod und das Mädchen“) eröffnet eine andere Welt. Das elektrisierte Spiel des Chaos String Quartets verschont uns vor schockartigen Stromstößen, was das Hintergründige dieser Musik umso suggestiver aufzeigt, auch im volkstümlichen Liebreiz und der tänzerischen Attitüde. Das Thema des Andante wird tonlos angestrichen, wie eine unsagbare Klage. Die lebhaften Variationen, die Geigerin Schäffer darüber spielt, berühren dank ihrer untergründigen Diskretion.

Das Scherzo wird zwischen groteskem Aufbegehren und wehmütiger Idylle justiert. Sorgfältig werden die Stimmungen und Temperamente abgeschmeckt. Mit Rasanz und Feinschliff schnurrt das Presto dahin; die hochdifferenzierten Ausdrucksgrade und die vibrierende Leidenschaft im Spiel dieses Quartetts verleihen der Dichtung Schuberts eine enorme Präsenz. Der finale Übermut ist wie mit einem grimmigen Schimmer versehen.

Doch der wird mit der Zugabe – dem Menuett aus Mozarts letztem Streichquintett (KV 614), das Benjamin Helmer für Klarinette bearbeitet hat – endgültig vertrieben. Und das auf völlig unchaotische Weise.

Freier Autor

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