Schwetzingen. Es hat eine lange Tradition in Schwetzingen, dass ein oder zwei Künstler zu sogenannten Residenzkünstlern werden. Das heißt, dass sie an mehreren Abenden mit verschiedenen Programmen auftreten. Und es gibt ihnen die Möglichkeit, die Stadt und die Region ein wenig besser kennenzulernen. Dieses Jahr wurden Christian Poltéra und das Tetzlaff Quartett auserwählt. Wir haben im Vorfeld mit dem Züricher Cellisten Poltéra gesprochen. Er konzertiert mit renommierten Sinfonie- und Kammerorchestern, gibt Rezitale. Seine besondere Leidenschaft gehört der Kammermusik. Das Cello, das er spielt, hat Literaturgeschichte geschrieben, weil es von Stradivari stammt und einst im Rio de la Plata versank. Gleich an drei Abenden ist Christian Poltéra im Schloss zu erleben – am 11., 12. und 14. Mai.
Wie kam es eigentlich dazu, dass der berühmte Heinrich Schiff Ihnen das „Mara“ übergeben hat, jenes berühmte Cello von Stradivari, das Sie auch in Schwetzingen spielen werden?
Christian Poltéra: Es war gar nicht so, dass Schiff mich quasi auserwählt hat. Ich studierte Mitte der 1990er Jahre am Mozarteum in Salzburg. Da stand in London das „Mara“ zum Verkauf. Wir wurden gefragt, ob wir das Instrument kennen, mein Mitbewohner hatte ein Poster von der Stradivari in seinem Zimmer hängen. So kam es, dass Heinrich Schiff Interesse anmeldete, aber er hätte das „Mara“ nicht kaufen können. Eine Stiftung kaufte das Instrument und Heinrich Schiff spielte es, bis es gesundheitlich nicht mehr ging. Dann sollte das „Mara“ wieder verkauft werden. Heinrich Schiff hatte keinen Einfluss darauf, wer es erwirbt, aber dem neuen Eigentümer war es wichtig, dass das „Mara“ weiterhin gespielt wird und dass es in Europa bleibt und nicht in einer Privatsammlung in Asien oder den USA verschwindet. Die Stiftung hat es nun mir überlassen – und darüber hat sich Heinrich Schiff natürlich sehr gefreut. Ich war ja sein Schüler.
Was macht dieses Instrument denn so besonders?
Poltéra: Das „Mara“ hat so einen Eigencharakter, man erkennt ihren Klang sofort heraus. Viele haben versucht, das zu kopieren, es ist aber nie gelungen. Auch seine Patina ist zu hören – es besitzt solch einen Glanz und eine Klarheit, wie ich sie bei einem Cello sonst nie gehört habe.
War Heinrich Schiff eigentlich Ihr wichtigster Lehrer?
Poltéra: Er war zumindest sehr prägend für mich. Schiff war eine Persönlichkeit, er hat immer alles gegeben, um seine Schüler voranzubringen. Manchmal mehr, als gut für seine Gesundheit war. Für ihn war es ein Herzensanliegen, soviel wie möglich an seine Schülerinnen und Schüler weiterzugeben. Auch seine Bühnenpräsenz war einzigartig, er hat den Kontakt zu seinem Publikum geliebt.
Am ersten Abend spielen Sie das Violoncello zusammen mit Ronald Brautigam am Klavier. Unter anderem steht die e-Moll-Sonate von Brahms auf dem Programm, von der Sie mal sagten, dass Sie die gar nicht leiden konnten?
Poltéra: Ja, das stimmt. Brahms e-Moll-Sonate wird ja geradezug als Schülersonate missbraucht, eben weil man sie technisch einigermaßen gut bewältigen kann. Ich wollte sie dann jahrelang nicht mehr spielen, weil ich sie so oft geübt hatte. Aber ich habe sie neu entdeckt und spiele sie heute gern und in einer ganz anderen Art. Und es gibt ja an diesem Abend auch noch andere schöne Stücke, so Chopins Sonate in g-Moll, fünf wunderbare Schumann-Werke und Franz Liszts Elegie Nr. 1 und dessen Romance oubliée – wahre Raritäten.
Ziehen Sie da die Darm- oder die Stahlsaiten auf das „Mara“?
Poltéra: Die Stahlsaiten – das passt besser zum Klavier, das wahrscheinlich ein historisches Instrument sein wird. Die bleiben dann auch für die anderen beiden Konzerte drauf.
Was bedeutet es für Sie, Residenzkünstler der Schwetzinger Festspiele zu sein?
Poltéra: Ich empfinde das als Auszeichnung. Schwetzingen ist ein sehr renommiertes Klassikfestival und wird in die ganze Welt per Radio übertragen. Ich war ja schon zu einzelnen Konzerten in Schwetzingen, die Atmosphäre im Schloss mit dem wunderbaren Park ringsum ist sehr schön. Und ich schätze es ganz besonders, dass ich hier die Gelegenheit hatte, zusammen mit der Künstlerischen Leiterin Heike Hoffmann die Programme der drei Abende zu entwcikeln. Immer mit dem Gesamttitel „Vanitas“ im Blick. Das steht und fällt mit der Intendanz. Oft wird uns Künstlern einfach etwas vorgegeben, was wir spielen sollen, oder wir sind Teil eines Programms, da gibt es dann vorher noch eine Weindegustation. Aber in Schwetzingen überzeugt mich die Ernsthaftigkeit. Das motiviert mich und sicherlich auch viele andere Künstler dazu, die gestellte Aufgabe zu erfüllen, mit hoher Qualität speziell dafür ausgewählte Stücke zu spielen.
Mit „Vanitas“, der Vergänglichkeit, beschäftigt sich ja auch der zweite Abend. Da spielen Sie mit Freunden neben einem Stück von Franz Schubert auch „Quatuor pour la fin du temps“ von Olivier Messiaen, das 1941 in einem KZ uraufgeführt wurde. Schwere Kost?
Poltéra: Ja und Nein. Es ist wohl das intensivste Werk des frommen Franzosen. Die langsamen Stücke brauchen viel Geduld bei den Musikern, so etwa beim Satz für Cello und Klavier oder beim Klarinettensolo über den Abgrund der Vögel, das wohl eines der schwierigsten ist, das es gibt. Und doch zeigt die Vergänglichkeit und der Tod hier auch seine fröhlichen Seiten. Ich bin glücklich, mit Klarinettist Pascal Moragùes, Violinistin Esther Hoppe und Pianist Juho Pohjonen so wunderbare Mitstreiter gefunden zu haben, die mit mir die Leidenschaft für die Kammermusik teilen.
Und am dritten Abend geht’s komplett um das „Mara“?
Poltéra: Ja, mein Freund Wolf Wondratschek liest aus seinem Buch, mit dem er die Geschichte des Instruments nachgezeichnet hat. Und ich spiele Solostücke von Johann Sebastian Bach, Henri Dutilleux und Benjamin Britten.
Wird da Zeit bleiben, sich Schwetzingen etwas genauer anzusehen?
Poltéra: Ja, ich habe mir den Samstag frei gehalten und ich weiß ja um den fantastischen Spargel in Schwetzingen. Und sicherlich werde ich auch den Schlossgarten mal intensiver erforschen als in früheren Jahren, sicherlich zusammen mit Musikerkollegen. Darauf freue ich mich sehr. Sonst ist es ja doch oft so, dass man zu einem Konzert anreist, mittags probt, ins Hotel geht und morgens weiterreist. Das ist diesmal anders.
An was arbeiten Sie im Studio?
Poltéra: Vor zwei Monaten haben wir die beiden Sonaten von Johannes Brahms eingespielt. Und es gibt neue Aufnahmen von Schumann-Werken, an den ich beteiligt war. Das will man natürlich besonders gut machen, weil es ja schon viele Aufnahmen gibt und man da herausstechen möchte. Das ist dann immer auch von Selbstzweifeln begleitet. Und die Prokofjew-CD ist gerade fertig geworden – mit der Sinfonia concertante, der Solo- und der Duosonnate. Ich bin da so glücklich, dass mir mein Plattenlabel BIS genügend Zeit für solche Aufnahmen lässt und nicht ständig drängelt.
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