Einblicke

Leiter des Schwetzinger Finanzamts: "Haben seit der Bibel schlechtes Image"

Carsten Quilitz ist quasi mit Beginn der Corona-Pandemie neuer Leiter des Finanzamts Schwetzingen geworden. Wie er diese Zeit erlebt hat und welche Rolle Klopapier dabei spielt, erzählt er in dieser Geschichte.

Von 
Andreas Lin
Lesedauer: 
Carsten Quilitz an seinem Schreibtisch im Hauptgebäude des Schwetzinger Finanzamts. © Lin

Schwetzingen. Zum Einstand hatte Carsten Quilitz eine mit einem Osterei dekorierte Rolle Toilettenpapier überreicht bekommen. Das war damals im April 2020, als der neue Leiter des Finanzamts Schwetzingen seinen Dienst antrat, bekanntermaßen ein passendes Geschenk in der gerade beginnenden Pandemie-Zeit. Heute – dreieinhalb Jahre später – blickt er auf eine intensive und außergewöhnliche Zeit zurück, die auch für ihn und seine Mitarbeiter sehr von Corona, den dadurch veränderten Arbeitsbedingungen und den daraus resultierenden finanzamtsspezifischen Mehrbelastungen geprägt war.

„Das war schon spannend“, sagt der 44-Jährige über seinen ungewöhnlichen Einstand genau mit Beginn von Corona. Die persönlichen Begegnungen mit den 120 Mitarbeitern der Stammbelegschaft und den 30 Auszubildenden reduzierten sich auf ein Minimum, die Homeoffice-Quote stieg auf über 70 Prozent. Erst 2023 kehrte langsam wieder Normalität ein, es konnte auch wieder eine Personalversammlung stattfinden: „Das war das erste Mal, dass ich das gesamte Amt gesehen habe.“

Azubis hatten bei Schwetzinger Finanzamt besonders schwere Zeit

Besonders für die Azubis sei es während der Corona-Pandemie eine schwierige Zeit gewesen, weil der Kontakt untereinander und zu den Kollegen gefehlt habe. „Gerade der Wechsel zwischen Theorie und Praxis macht doch den Reiz dieser Ausbildung aus.“ Generell sei das Amt – genauso wie die gesamte Oberfinanzdirektion – sehr aktiv in Sachen Nachwuchswerbung, etwa mit Ständen bei Ausbildungsmessen oder wie kürzlich bei der Bundesgartenschau in Mannheim. Und das fruchte auch: „Wir sind diesbezüglich in Schwetzingen gut aufgestellt.“ Viele Bewerbungen kämen aufgrund der Gespräche am Stand oder durch Schülerpraktika.

Mehr zum Thema

Reform

Bei der Grundsteuer haben Kommunen den Hebel in der Hand - alle Fragen und Antworten

Veröffentlicht
Von
Walter Serif
Mehr erfahren
Finanzamt

Finanzamt Schwetzingen wirbt erfolgreich um Nachwuchs

Veröffentlicht
Von
Nicolai Lehnort
Mehr erfahren
Interview

Programm beim Mozartfest - und das Besondere an der Musik

Veröffentlicht
Von
Uwe Rauschelbach
Mehr erfahren

Ohnehin habe sich die Personalstruktur seit seinem Amtsantritt deutlich verändert: „Wir haben in den letzten drei Jahren 70 Prozent des Personals herumgedreht.“ Gründe seien zum Beispiel Altersabgänge, aber auch Neuerungen wie die Einrichtung der Landeszentralstelle für gesellschaftsrechtliche Grunderwerbsteuerfälle (LZgG). Schwetzingen ist hier landesweit für ganz Baden-Württemberg zuständig. Diese Art von Spezialisierungen und die Bündelungen auf einen Standort seien inzwischen gang und gäbe.

Schwetzinger Leiter des Finanzamts über sein Team

Aber die Personalwechsel hätten auch ihre guten Seiten: „Das gibt ja auch immer frischen Wind“, sagt Quilitz, der insgesamt mit seinem Team hochzufrieden ist: „Die Leute identifizieren sich schon mit ihrem Amt, das merke ich hier sehr.“

Da Schwetzingen ein kleines Finanzamt sei, funktioniere das Ganze auch nur, wenn sich die Mitarbeiter gegenseitig unterstützen – gerade in diesen Zeiten, in der die Belastungen deutlich gestiegen seien, und während der Pandemie-Zeit, als die Krankheitsausfälle gravierend waren. Corona-Hilfspakete, Homeoffice-Pauschalen, Photovoltaikanlagen, Energiepreispauschale, Rentenbezüge, Zinsbescheide oder Grundsteuer – das sind nur einige der Stichwörter aus den vergangenen Jahren. „Das war schon eine ganze Latte“, bilanziert der Amtsleiter.

Finanzamt habe "schon seit der Bibel ein schlechtes Image"

„Und das kam alles parallel, das hat uns schon sehr beschäftigt.“ Zumal der Betreuungsaufwand deutlich gestiegen sei. „Dieser war schon phasenweise sehr hoch.“ In diesem Zusammenhang lobt Quilitz das Engagement der Mitarbeiter: „Sie sind bemüht, den Leuten weiterzuhelfen.“

Ihm ist es ein wichtiger Punkt, „dass wir ansprechbar sind“. Seine Hoffnung ist auch, dass sich so das traditionell verstaubte Image des Finanzamts bessere. „Wir haben schon seit der Bibel ein schlechtes Image, das ist halt so“, lacht er. Aber gerade in Krisensituationen merke man, wie wichtig eine funktionierende Verwaltung sei – „gerade wir als das finanzielle Rückgrat des Staates.“

Das Portal des Finanzamts in der Zeyherstraße – hier ist das Service-Center für die Bürger. © Lin

Der Schwetzinger Leiter des Finanzamts Carsten Quilitz über...

...die Grundsteuer: „Das wird spannend“, sagt er. Für sein Amt sei das Ganze aber mit erheblichem Mehraufwand verbunden. „Das ist ein Mammutverfahren. Wir müssen 49000 wirtschaftliche Einheiten zusätzlich bewerten.“ Bislang seien etwa 88 Prozent aller Erklärungen erfolgt, das sei ganz ordentlich. Aber es sei alles mit einem erhöhten Beratungsaufwand verbunden gewesen: „Da sind teilweise die Telefone heiß gelaufen.“

Damit die Kommunen die neuen Hebesätze festlegen können, müssen die Grundsteuermessbeträge durch die Finanzämter rechtzeitig vor dem 1. Januar 2025 festgestellt und die Daten den Kommunen übermittelt werden. „Sonst fehlen den Kommunen die Grundlagen.“ Dass dieses Ziel erreicht werden kann, sieht er im Bereich des Machbaren: „Wir sind auf einem guten Weg, aber es bindet natürlich Kapazitäten.“ Wenn die Erklärungsabgabe allerdings nicht weit überwiegend auf elektronischen Weg erfolgt wäre, dann wäre es nicht zu schaffen. Dass die Änderungen bei der Grundsteuer kommen mussten, sei nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts alternativlos.

...die Finanzsituation der Städte und Gemeinden: Bei den Steuereinnahmen des Finanzamts Schwetzingen habe es in den letzten drei Jahren keine eklatanten Steuereinbrüche gegeben, eher Steigerungen. „Schwetzingen hat sogar unerwartet gut abgeschlossen.“ Bei der Einkommenssteuer habe es überall die normalen Schwankungen gegeben, ebenso bei der Gewerbesteuer.

...das Thema Akzeptanz: Es gebe natürlich viele Leute, die nicht gerne Steuern zahlen. Aber beim Großteil der Bevölkerung halte sich das alles im Rahmen. Aber das Thema Reichsbürger und Ähnliches beschäftige sie: „Das haben wir hier auch, teilweise war das beängstigend“, wenngleich es in Schwetzingen nur Einzelfälle gewesen seien. Aber es sei versucht worden, persönlich gegen Mitarbeiter vorzugehen. „Die mussten wir dann schützen.“ Teilweise werde deswegen nicht mehr mit Klarnamen gearbeitet.

...Insolvenzen: Während Corona seien diese ja verschoben worden. Diese steigen jetzt zwar, aber es sei noch keine Welle erkennbar, sagt Carsten Quilitz. „Ich gehe davon aus, dass es sich normalisiert.“

Die Klopapierrolle vom damals hat Carsten Quilitz übrigens immer noch: Bei der Personalversammlung sorgte er damit für einen besonderen Lacheffekt.

Redaktion Stv. Redaktionsleiter + Lokalsportchef Schwetzinger Zeitung

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung