In Sonntagsreden wird der Wert von Kunst schon lange hochgehalten. Doch in der Wirklichkeit fiel sie allzu oft dann doch wieder unter den Tisch. Ziemlich anders scheint das beim Bauprojekt „Schwetzinger Höfe“ auf dem Pfaudler-Areal zu sein. Zumindest steht seit dem gestrigen Kunst-Opening fest, dass das Immobilienentwicklungsunternehmen „Epple“ gewillt ist, der Kunst hier einigen Raum einzuräumen. Sie wird, so betonte es Geschäftsführer Andreas Epple, als eine Kraft gesehen, die sich mit der Frage des Miteinanders auseinandersetzt. Und wo, wenn nicht hier, sei diese Frage virulent. Und auch Oberbürgermeister Dr. René Pöltl attestierte der Kultur, frei nach dem Leiter des Instituts für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft Henning Mohr, dass sie eine aktive Rolle bei der Gestaltung von Gesellschaft einzunehmen habe. Für Pöltl steht fest, dass ein Industrieraum nur über die Brücke namens Kultur zu einem Bürgerort wird. Und dafür müsse die Kunst den Transformationsprozess eng und vor allem kraftvoll begleiten.
Es waren einleitende Worte, die dem Künstleratelier „Umschichten“ aus Stuttgart und dem Kunstprofessor Georg Winter aus Saarbrücken, zu gefallen schienen. Für sie ist Kunst zur Genese von Gemeinschaft essenziell. Dabei ist für Winter wie Alper Kazokoglu (Umschichten) die Geschichte des Raumes so wichtig wie sein derzeitiger Bestand und seine Zukunft. Dafür werde der Jetzt-Raum dekonstruiert und anschließend neu zusammengesetzt. „Ein Bewusstsein für den Raum schaffen“, nennt das Kazokoglu. Dabei werden Fundstücke, wie ein alter Schachtdeckel, Klinker von der historischen Hallenfassade, eine Straßenlaterne vom Parkplatz oder ein Schutzanzug zu Scharnieren zwischen dem vergangenen Industrieort und dem künftigen Wohnquartier.
Kunsthalle in Planung
Ein Zuhause habe mit Verortung zu tun und Verortung mit gemeinsamem Wissen über dieses Zuhause. Für die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer ist es genau das, was es braucht, um vor den bevorstehenden „enormen Herausforderungen“ bestehen zu können. „Räume müssen Menschen zusammenführen und das Denken weiten.“ Und genau das erkennt sie rund um die Schwetzinger Höfe mustergültig skizziert. Hier entstehe im besten Fall ein wegweisendes Projekt rund um das magische Immobilien-Viereck innovatives Bauen, bezahlbarer Wohnraum sowie lebendige und vor allem inklusive Lebenskultur. Nicht umsonst ist hier neben einem Kindergarten mit stark künstlerischer Ausrichtung auch schon eine Kunsthalle in Planung. Wie genau Letzteres aussehen soll, weiß noch niemand. Doch Kunstprofessor Winter lässt keinen Zweifel daran, dass diese Halle im Pigmenthaus, dem ehemaligen Carbid- und Farbenlager, kommt.
Wecker symbolisiert Zeitenwende
Schon verwirklicht wurden aktuell drei Kunstgriffe. Da ist die Lichtinstallation, alias Wecker, entlang der historischen Hallenfassade. Gestartet am 19. September, nach dem Gemeinderatsbeschluss zu diesem Projekt, symbolisiert er eine Art Zeitenwende für das Pfaudler-Areal, das nun Zug und Zug behutsam aus dem Dornröschenschlaf geweckt wird. Das „Periskop“ an der Stirnseite der ehemaligen Verarbeitungshalle erlaubt einen sehr eindrücklichen Blick in die fast 200 Meter lange Werkhalle und die nun einsetzende sukzessive Veränderungen. Die Baustelle wird zur Bühne und das Geschehen zum Schauspiel.
Und dann ist da noch das ehemalige Pfaudler-Empfangsgebäude, das flugs zu einer Skulptur mit viel Platz für noch mehr Kunst umfunktioniert wurde. Kunst, das erschien hier offensichtlich, wird ernst genommen und bekommt den ihr zustehenden Platz im öffentlichen Raum, genau im Zentrum. Gemeinschaft und Gemeinsinn, so Pöltl, bedürfen der Kultur und dem werde hier sehr intensiv Rechnung getragen.
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