Schwetzingen. Kommt alles Gute von unten? Wir wissen es nicht ganz genau, umso mehr gilt, sich mit Zukunftsthemen wie etwa der Geothermie (Erdwärme) differenziert zu beschäftigen. Das landschaftsschonende, klimafreundliche und vermeintlich unerschöpfliche Potenzial von Erdwärme zu nutzen, kann ein wichtiger Baustein für die anvisierte Energiewende sein. Es ist sinnvoll, sich von der Abhängigkeit fossiler Energieträger zu lösen, das Erreichen von unumgänglichen klimapolitischen Zielen zu forcieren und dank Geothermie zur Dekarbonisierung der deutschen Industrie beizutragen.
Das ist zugleich das große Ganze – doch maßgeblich geht es bei diesem Reizthema eben auch darum, Risiken und Begleiterscheinungen einzuschätzen, zu minimieren und die Bürger an diesem Prozess zu beteiligen, wie der vorliegende Fall des Schwetzinger Ehepaares Carmen und Sascha Georgi zeigt. Medienvertreter sprechen gerne vom Runterbrechen komplizierter Themen. Geothermie ist ohne Wenn und Aber ein solches. Das hat auch unser Leser Sascha Georgi aus Schwetzingen-Hirschacker längst verinnerlicht. „Ich bin besorgt“, sagt der 42-Jährige im Gespräch mit dieser Zeitung, „deshalb habe ich mich in die Materie eingelesen und festgestellt, dass gewisse Gefahren nicht wegzuleugnen sind.“
Geothermie in Schwetzingen: Keine populistische Stimmung machen
Er sei ein ganz normaler Bürger, gehöre keiner Partei oder Bürgerinitiative an. Und er wolle gewiss keine populistische Stimmung machen: „Ich bin kein Kritiker von erneuerbaren Energien, aber es gibt bei der Geothermie nun mal die Gefahr von ungeahnten Risiken.“
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In seinem Wohngebiet und der Anliegerstraße Vogelsang sei die allgemeine Verunsicherung wegen der 3D-Seismik-Messungen gestiegen. Viele würden sich Gedanken machen, aber einige nichts öffentlich sagen wollen – aus einer irrationalen Angst vor Repressalien. „Es ist die Sorge um meine herzkranke Frau Carmen, es ist die Sorge um meine Nachbarn“, berichtet Sascha Georgi, „das ist mein Antrieb.“ Bei seiner Frau wurden vor zehn Jahren zwei Stands gesetzt, die Ärzte hätten ihr nahegelegt, heftige Erschütterungen zu vermeiden. „Ein Presslufthammer einer Baustelle“ sei bereits ein Gefahrenherd für sie.
Also hat er sich, nachdem Geohardt Geophone aufgestellt und er über die Medien von seismischen Messungen vor Ort gelesen habe, beim Joint Venture der MVV und EnBW, schlau gemacht und bei der Projektgesellschaft angerufen. Über eine zentrale Anlaufstelle wurde Georgi mitgeteilt, starke Erschütterungen könnten durchaus gefährlich sein, Näheres und Verbindlicheres könne ihm freilich nur „die zuständige Fachabteilung“ mitteilen.
Geothermie in Schwetzingen: Widersprüchliche Aussagen
„Wie kann ich meine herzkranke Frau schützen?“, fragte Georgi den Experten. Dieser wiederum verneinte eine gesundheitliche Gefährdung und fügte hinzu, dass die seismischen Messungen ohnehin nicht im Vogelsang-Umfeld stattfinden würden, sondern weiter innerorts. Den begleitenden Abbau von Geophonen und die Aussage „keine Gesundheitsgefahr“ stößt ihm auf – Georgi empfindet es als klaren Widerspruch. Auf Georgis Nachhaken hin, wann denn die Vibrotrucks Schallmessungen im Stadtteil Hirschacker vornehmen würden, um sich auf die Rüttelvorgänge einstellen zu können, wird der Zeitrahmen mit „Ende Januar/Anfang Februar“ umrissen.
Die Schwetzinger Zeitung hat Geohardt mit den Aussagen Georgis konfrontiert. „Uns ist es wichtig, auf spezielle Ausnahmefälle, wo und soweit möglich, besondere Rücksicht zu nehmen“, antwortet Annabell Feith, Teamleiterin Kommunikation, von der MVV Energie AG auf unsere ausdrückliche Nachfrage.
Der „Fall Georgi“ ist dort bekannt. „Von den Geophonen geht keine Gesundheitsgefahr aus und wir haben auch keine Geophone aus dem Umkreis entfernt“, widerspricht das Gemeinschaftsunternehmen der Version von Georgi, wonach ein Teil der Schallwellenmessgeräte wieder abmontiert worden sei.
Geothermie in Schwetzingen: „Rücksichtnahme auf Frau Georgi“
Ob den Firmenverantwortlichen bewusst ist, dass es bei den Bürgern mehr um die riesigen Rüttelfahrzeuge und weniger um die kleinen Geophone geht? Annabell Feith präzisiert die Firmensicht und die Reaktion auf Georgis Anrufe: „Wir haben vielmehr aus Rücksichtnahme auf die besonderen Gesundheitsumstände von Frau Georgi die Zahl der Vibrationsfahrten im näheren Umkreis der Familie kurzfristig reduziert, nachdem Herr Georgi uns kontaktiert hatte.“ Und: „In Hirschacker wurden die Messungen bereits in dieser Woche durchgeführt.“
Der langjährige Versicherungsvertreter betont, dass er gegenüber modernen Technologien offen sei und stets wissen wolle, was genau dahinterstecke. Augenblicklich steht unterdessen ein anderer Aspekt im Vordergrund. „Für mich ist das ein komplettes Versagen in der Kommunikation“, sagt Sascha Georgi, „man hätte uns vorher unbedingt informieren müssen.“ Es sei aberwitzig, dass nach Bürgerprotesten bei ihnen erst am Mittwoch ein Infoflyer in den Briefkasten geworfen wurde.
Eine Nachbarin habe Angst um ihr neu gedecktes Dach, ein weiterer Anwohner Bedenken wegen seiner neuen Hausisolierung. Bürger in Hirschacker fühlen sich wie anderswo auch nicht ernst genommen. „Die Leute sind nicht informiert und vor allem nicht über etwaige Risiken aufgeklärt worden“, bemängelt Georgi mangelnde Transparenz. Das Vertrauen in das Projekt ist erstmal weg. Haftungsfragen und Schadensregulierungen seien ohnehin ein ganz, ganz weites Feld. Als Versicherungsfachmann weiß Sascha Georgi, dass Fälle langwierig, nervig und mitunter unbefriedigend verlaufen können.
Das Gute ist relativ. Beispiele aus anderen tektonischen Erdbebengebieten sind reichlich vorhanden. Die generelle Frage lautet, ob Geothermie am „wackligen“ Oberrheingraben mit natürlichen Erdbeben Sinn macht oder nicht. Der Untergrund muss schlichtweg passen.
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