Geothermie

Unternehmen Geohardt sucht in der Region nach heißen Quellen

Zwischen Oftersheim und Mannheim schicken derzeit Vibrotrucks kräftige Schallwellen in den Boden. Das Unternehmen Geohardt sucht damit nach Standorten für Fernwärme-Heizwerke - eine Alternative zum Grosskraftwerk Mannheim.

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Bernhard Zinke
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Sogenannte Vibrotrucks schicken Schallwellen bis in 4000 Meter Tiefe. Unterschiedliche Gesteinsschichten reflektieren diese Wellen unterschiedlich. © Bernhard Zinke

Rhein-Neckar-Kreis / Mannheim. Im Hintergrund bestimmt der rauchende Gebäudekomplex des Mannheimer Grosskraftwerks die wolkengraue Kulisse. „Das wollen wir bis zum Jahr 2030 anteilig mit Geothermie ersetzen“, deutet Matthias Wolf, Geschäftsführer des Unternehmens GeoHardt, auf die Industrieanlage.

Das Gemeinschaftsunternehmen der Energieversorger MVV (Mannheim) und EnBW (Karlsruhe) ist die zweite Firma, die nun in der Region unterwegs ist, um heiße Quellen in der Tiefe zu erschließen und sich ein Bild von den geologischen Beschaffenheiten zu machen. Beim Ortstermin am Rand von Brühl (Rhein-Neckar-Kreis) demonstriert GeoHardt die Technik der sogenannten Vibrotrucks.

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Video: Vibrotrucks schicken Schallwellen bis in 4000 Meter Tiefe

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16 Sekunden lange Schallwellen

Seit dem 14. Januar rollen die Experten der Firma DMT im Auftrag mit ihren mächtigen Vibrotrucks durch die Landschaft, um Schallwellen bis in etwa 4000 Meter Tiefe zu schicken. Alle 40 Meter bleibt das Gespann aus drei Fahrzeugen stehen. Dann senken sich Platten auf den Boden, und senden acht mal jeweils 16 Sekunden lang Frequenzen von 8 bis 96 Hertz in den Boden.

Die tiefen Frequenzen lassen den Boden ordentlich erzittern. Die maximal 6000 Geophone, kleine orange-weiße Erdmikrofone von etwa zehn Zentimetern Kantenlänge, zeichnen die Reflexionen der Schallwellen auf. Da jede Gesteinsschicht die Wellen anders reflektiert, können sich die Geologen später ein ziemlich gutes Bild vom Untergrund in bis zu 4000 Metern Tiefe machen. „Wir wissen schon jetzt ziemlich gut über das Gestein Bescheid“, sagt EnBW-Geologe Thomas Kölbel. Aber mit der 3D-Seismik schärfe man das Bild wie beim Brillenträger von fünf auf vielleicht 0,2 Dioptrien.

Die zehn Zentimeter großen Erdmikrofone nehmen die Reflexionen auf. © B. Zinke

Die Technik ist nicht neu. Schon in der Ölkrise der 1970er Jahre waren Fahrzeuge mit dieser Technik unterwegs, um Ölquellen in der Region zu suchen. „Nur reicht die Suche jetzt tiefer“, erläutert Kölbel. Öl findet man in 1000 bis 2000 Metern Tiefe, das heiße Wasser dagegen in 3000 bis 4000 Metern. Gut 155 Grad werde es wohl haben, schätzt Kölbel.

Unterwegs bis Ende Februar

GeoHardt sind nicht die Einzigen auf der Suche nach heißen Quellen: Nördlich und östlich von Mannheim ist das Karlsruher Unternehmen Vulcan Energie ebenfalls seit einigen Wochen mit Vibrotrucks unterwegs. Es gibt allerdings einen klaren Unterschied bei der Nutzung der Temperatur: Während Vulcan das Tiefenthermalwasser verstromen und außerdem Lithium in kommerziellen Mengen fördern will, setzen MVV und EnBW auf Fernwärme.

Natürlich werde man das Grosskraftwerk nicht voll ersetzen können, sagt GeoHardt-Geschäftsführer Matthias Wolf. Aber solche großtechnischen Energieanlagen gehörten ohnehin bald der Vergangenheit an. Die Energieversorgung der Zukunft werde ein wesentlich kleinteiligeres Puzzle aus verschiedenen Energieformen werden.

Allerdings können nach Darstellung der GeoHardt-Manager die drei geplanten Heizwerke irgendwo im 7000 Hektar großen Gebiet zwischen Mannheim, Oftersheim und dem Grenzhof die Grundlast des Grosskraftwerks von etwa 100 Megawatt thermisch übernehmen – wenn sich die Quellen als ergiebig erweisen.

Fernwärme aus Geothermie

  • Das Unternehmen GeoHardt will bis zu drei Heizwerke in der Region südlich von Mannheim aufbauen, die insgesamt rund 100 Megawatt thermisch liefern sollen.
  • Mit der Fernwärme könnten pro Heizwerk rund 15 000 bis 20 000 Haushalte versorgt werden. Die erste Einspeisung soll Ende 2026 erfolgen.
  • Derzeit laufen tiefengeologische Messungen.
  • In Wohngebieten sind die durchaus lauten Vibrotrucks noch bis Ende Februar tagsüber zwischen 8 und 17 Uhr unterwegs.
  • Wo aktuell Untersuchungen stattfinden, zeigt eine Karte auf geothermie-hardt.de.

Noch vermutlich bis Ende Februar sind die Vibrotrucks unterwegs. Sie bewegen sich langsam von Süden in Richtung Norden nach Mannheim vor, untersuchen den Untergrund auf Messrouten, die etwa 300 Meter parallel voneinander entfernt liegen. Aktuell ist schon fast die Hälfte der Fläche gemessen.

Am Schluss sind die Mannheimer Stadtteile Rheinau, Neckarau und Friedrichsfeld an der Reihe. Danach werden die Daten analysiert und interpretiert. Das werde wohl vermutlich vier Monate dauern. „Im Sommer haben wir das fertige Abbild vor uns“, schätzt Kölbel.

Ende 2026 erste Fernwärme

Nach dem Plan von GeoHardt soll Ende 2026 das erste Heizwerk seine Energie ins Fernwärmenetz einspeisen können. Wo die Standorte der drei Werke sein werden, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der zweite Geschäftsführer des Unternehmens, Stefan Ertle, erläutert.

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Die Quelle im Untergrund muss ergiebig genug, ein Anschluss ans Fernwärmenetz vorhanden sein und es müssen potenzielle Grundstücke zur Verfügung stehen. Es gebe aber auch Ausschlusskriterien wie Landschafts- oder Naturschutzgebiete.

Mittlerweile stoßen die Geothermie-Projekte nach Ansicht der Experten auf offenere Ohren. Krieg, Energiekrise und Klimaschutz bewirkten ein Umdenken. Man sei in vielen Gemeinderatssitzungen auf ein überwiegend positives Echo gestoßen. Nur im Brühler Gemeinderat war GeoHardt nicht eingeladen. In der Kommune kämpft eine Bürgerinitiative seit Jahren gegen Geothermie, weil sie unter anderem massive Erdbeben und Belastungen des Grundwassers befürchtet.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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