Rokokotheater

Ein geradezu kaiserliches Neujahrskonzert in Schwetzingen

Die Philharmonie Baden-Baden unter Pavel Baleff bezauberte im Rokokotheater mit einem mitreißenden Neujahrskonzert voller Ouvertüren, Polkas und Operettenklänge. Applausstürme im ausverkauften Saal.

Von 
Maria Herlo
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Im Rokokotheater findet das Neujahrskonzert mit der Philharmonie Baden-Baden unter der Leitung von Pavel Baleff (laut Programmheft) statt. © Dorothea Lenhardt

Schwetzingen. Das Neujahrskonzert der Mozartgesellschaft Schwetzingen ist für viele ein Muss am Abend des 1. Januar. Auch dieses Jahr machte die Philharmonie Baden-Baden ihrem Namen alle Ehre. Unter der Leitung von Pavel Baleff, der dem Orchester über anderthalb Jahrzehnte als Chefdirigent angehört, lieferte sie im ausverkauften Rokokotheater eine fulminante Vorführung.

Und wie in den Jahren davor war das Konzert locker und unterhaltsam, strahlte Optimismus, Zuversicht und Champagner-Laune aus, so wie es sich für ein Neujahrskonzert und den Auftakt eines neuen Jahres gehört.

Die Philharmonie Baden-Baden reihte jedoch nicht Strauß-Walzer an Strauß-Walzer, sondern schloss auch Ouvertüren, Polkas und Operettenklänge ins Repertoire ein. Mit großem Entzücken verfolgte das Publikum das schwungvolle Programm sowie die Moderation des Conférenciers Arndt Joosten, der brillant und witzig durch den Abend führte. Allein schon seine Art, sich selbst auf die Schippe zu nehmen, pointiert über die Komponisten und die Kaiserin Sisi zu räsonieren oder passende Gedichte mit ironischen Augenzwinkern zu rezitieren, erntete Gelächter bei den Zuhörern und heimste vom Fleck weg viel Sympathie ein. Im Verlauf des Abends erzählte Joosten einiges aus dem Leben der Kaiserin Elisabeth aus Österreich (1837 – 1898) und Königin von Ungarn, genannt Sisi, da der größte Teil der Musik, die beim Neujahrskonzert erklang, eng mit der „K.u.K.-Monarchie“ und dem Kaiserhaus verbunden ist.

Neujahrskonzert in Schwetzingen: Garniert mit Anekdoten

Beschwingt ging es los mit der Ouvertüre zur Operette „Die Landstreicher“ von Carl Michael Ziehrer (1843 – 1922), dem letzten K.u.K-Hof-Kapellmeister in der Nachfolge von Johann Strauß Vater, Sohn und Eduard, dem jüngeren Bruder des Walzerkönigs. Joosten erzählte über Ziehrer, dass seine ersten Kompositionen sehr gut ankamen, sie jedoch nicht von ihm selbst, sondern von seinem Lehrer stammten. Ziehrers Musik sei aber besser als seine Betrugstechniken, dafür wurde er auch vielfach ausgezeichnet.

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Die Ouvertüre zu den „Landstreichern“ (1899) erklang in der fantastischen Besetzung der Philharmonie Baden-Baden wunderbar heiter und graziös. Ein weiterer bedeutender österreichischer Komponist, Freund und Konkurrent des Walzerkönigs, war Joseph Lanner (1801 – 1843). Nachdem er starb, war er eine europäische Berühmtheit, er wurde „Mozart der Tanzmusik“ genannt. In diesem Sinne passte der „Romantiker“-Walzer in den Saal des Rokokotheaters. Ihm folgte der „Prestissimo Galopp“ von Émile Waldteufel (1837 – 1915), einem Komponisten aus dem Elsass. Er schaffte es, der Kaiserin von Frankreich so zu gefallen, dass er auf ihren Bällen viele Jahre mit seinem Orchester spielen durfte.

Früh wie Lanner verstarb auch Josef Strauß (1827 – 1870). Er war ein Sohn von Johann Strauß (Vater) sowie der um zwei Jahre jüngere Bruder des berühmten „Walzerkönigs“ Johann Strauß (Sohn). An Musik hatte er kein Interesse, das war ihm viel zu anstrengend. Er studierte in Wien Maschinenbau, sein Meisterwerk war eine Straßenkehrmaschine, die er dem Wiener Magistrat vorstellte, jedoch mit der Begründung, „was sollen die armen Straßenkehrer machen, wenn wir eine solche Maschine hätten“, abgelehnt wurde.

Als Johann Strauß schwer krank wurde, sprang sein Bruder Josef ein und dirigierte in Petersburg das Strauß-Orchester. Ab jetzt war er von der Musik infiziert und komponierte selbst zahlreiche Meisterwerke. Funkelnd erklang von ihm der berühmte Walzer „Dorfschwalben aus Österreich“ und die Ouvertüre „Frühlingsluft“.

Ungarisches Flair in diese traditionsreichen Hallen brachte die Philharmonie Baden-Baden mit der Schnellpolka „Éljen a Magyar“ (Es lebe der Ungar) von Johann Strauß Sohn (1825 – 1899) und einem Operetten-Potpourri von Emmerich Kálmán (1882 – 1953), denn Kaiserin Sisi hat, wie Joosten erläuterte, ihre Liebe zu Ungarn entdeckt und sich für einen Ausgleich mit dem Land eingesetzt. 1867 wurden sie und Kaiser Franz Joseph als Königin und König von Ungarn gekrönt.

Neujahrskonzert in Schwetzingen: Bei Zugabe wirkt der Saal mit

Ein Himmel an Schönheit tat sich auch im zweiten Teil des Neujahrskonzerts auf mit der Ouvertüre „Dichter und Bauer“ von Franz von Suppé (1819 – 1895) oder mit der „Gri Gri“-Ouvertüre des Berliners Paul Lincke (1866 – 1966), wobei das Orchester hier, wie in allen anderen Stücken auch, große Meisterhaftigkeit in der Klangmalerei bewies. Dafür gab es entsprechend begeisterten Applaus, bevor das Konzert mit dem „Radetzky-Marsch“ als Zugabe unter Mitwirkung des ganzen Saals ausklang.

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