Vertreterversammlung

Emotionaler Abschied und positive Bilanz bei der Vereinigten VR Bank Kur- und Rheinpfalz

Bei einer der längsten und emotionalsten Vertreterversammlungen wurde der langjährige Vorstandsvorsitzende Richard Müller verabschiedet, während die Bank ein erneut gutes Ergebnis für das Jahr 2022 präsentierte.

Von 
Andreas Lin
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Rudolf Müller (2. v. r.) im Kreise der Kollegen aus Vorstand und Aufsichtsrat sowie der Laudatoren: Jürgen Kappenstein, Sonja Merkel, Thomas Sold, Jürgen Steiner, Katja Lewalter-Düssel, Theo Herrmann, Thomas Grebneradt, Jürgen Steiner und Till Meßmer. © TOBIAS SCHWERDT

Region/Speyer. Es war bestimmt einer der längsten Vertreterversammlungen und mit Sicherheit einer der emotionalsten in der Geschichte der Vereinigten VR Bank Kur- und Rheinpfalz und all ihrer Vorgänger. Denn im Mittelpunkt der Veranstaltung – der ersten seit drei Jahren in Präsenz – stand in der Stadthalle Speyer der Abschied des langjährigen Vorstandsvorsitzenden Richard Müller, der die Bank geprägt hat wie kein Zweiter und zum Monatsende nach fast 35 Jahren in den Ruhestand ging.

Bei all den Dankesreden und Lobeshymnen gerieten der eigentliche Hauptzweck der vom Aufsichtsratsvorsitzenden Jürgen Kappenstein (Ketsch) geleiteten Versammlung fast ein wenig in den Hintergrund. Denn die gewählten Vertreter – im Saal waren diesmal 286 – vertreten ja die Interessen der Mitglieder als ausgewählte Repräsentanten gegenüber der Genossenschaftsbank. Sie nehmen die Jahresberichte zur Kenntnis, stimmen über das Rechnungsergebnis, die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat sowie über Neuwahlen ab. Aber das erneut gute Ergebnis der VVR Bank im Jahre 2022 trägt natürlich die Handschrift von Rudolf Müller, was er in seinem Bericht deutlich machte, der vielleicht sogar noch eine Spur analytischer und kritischer war als in den Jahren zuvor.

Zahlen und Fakten

  • Die Bilanzsumme lag zum Stichtag 31. Dezember 2022 mit 6,9 Milliarden Euro um gute 9,3 Prozent (584 Millionen Euro) über dem Vorjahreswert. Das betreute Kundenvolumen stieg von 12,3 Milliarden Euro um 3,8 Prozent auf 12,8 Millionen Euro
  • Die Einlagen der Kunden erhöhten sich um 272 Millionen (6,4 Prozent) auf 4,5 Milliarden Euro. Bedeutendste Ertragsquelle war nach wie vor der Zinsüberschuss, der bei 103 Millionen Euro 5,5 Prozent über dem Vorjahr lag
  • Der Jahresüberschuss beläuft sich auf 8,7 Millionen Euro. Wie im Vorjahr beschloss die Vertreterversammlung die Ausschüttung einer Dividende in Höhe von 2,5 Prozent
  • Die VVR Bank hat aktuell etwa 75 000 Mitglieder und über 180 000 Kunden, die von rund 700 Mitarbeitern in den elf Regionalmärkten Speyer, Frankenthal, Freinsheim, Grünstadt, Haßloch, Hockenheim, Ketsch-Schwetzingen, Lingenfeld, Maxdorf, Neustadt und Schifferstadt betreut werden
  • Die Verwaltungsaufwendungen (unter anderem Personal- und Sachkosten) lagen bei 78 Millionen Euro
  • Den Vorstand bilden künftig Till Meßmer (Vorsitzender), Thomas Sold (Stellvertreter) und Achim Seiler
  • Als Aufsichtsratsmitglieder wiedergewählt wurden Jürgen Kappenstein (Ketsch), Sonja Merkel (Kleinniedesheim), Peter Christ (Böhl-Iggelheim) und Dieter Hopf (Reilingen). Neu hinzu kommt Bernd Reif (Speyer)
  • Aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden sind am Montag Thomas Grebner (Römerberg), Theo Herrmann (Otterstadt) und Jürgen Steiner (Frankenthal). Sie wurden ge-meinsam mit Rudolf Müller vom Genossenschaftsverband – Verband der Regionen ausgezeichnet. 

Das Geschäftsjahr 2022 sei von extremen Unsicherheiten geprägt gewesen. Zu den Nachwirkungen der Corona-Pandemie sei Anfang des Jahres der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine gekommen, der seit nunmehr 16 Monaten „unfassbar großes Leid“ verursache. „Dieser Krieg – zu Recht als Zeitenwende“ bezeichnet – prägt seither auch maßgeblich das politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in Deutschland und Europa“, sagte Müller. Die wirtschaftlichen Auswirkungen äußerten sich in gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen und einer daraus folgenden Rekordinflation, die die konjunkturellen Aussichten stark eintrübe. Auch die positive Dynamik an den Kapitalmärkten habe infolge der geopolitischen Lage und einer schnell vollzogenen globalen Zinswende ein abruptes Ende gefunden.

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Und dennoch: „Wir stehen fest und solide da. Bilanzsumme, Kredite, Kundeneinlagen und Eigenkapital – in allen Kerngrößen haben wir uns ordentlich geschlagen“, fasste der Vorstandsvorsitzende stolz zusammen.

Die Bilanzsumme habe mit 6,9 Milliarden Euro um neun Prozent über dem Vorjahreswert gelegen. Mit einem Anteil von 75 Prozent stellen die Forderungen an Kunden auf der Aktivseite die größte Position dar. Die Kredite seien breit gestreut, hätten einen hohen Absicherungsgrad insbesondere in Form von Immobiliensicherheiten und verteilten sich je zur Hälfte auf Firmen und Privatkunden mit einem guten Rating, verdeutlichte Müller und betonte: „Die Mittel sind direkt in die Rhein-Neckar-Metropol-Region geflossen, wo wir leben, arbeiten und die Umstände am besten beurteilen können. Wir finanzieren den gewerblichen Mittelstand, Handwerker, Freiberufler und die Bauvorhaben unserer Privatkunden. Damit sind wir ein Motor der regionalen Wirtschaft.“

Katja Lewalter-Düssel aus dem Vorstand des Genossenschaftsverbandes – Verband der Regionen zeichnet Rudolf Müller aus. © Tobias Schwerdt

Allerdings hänge das gute Bild für 2022 in wesentlichen Teilen an den Überhängen aus dem Jahr zuvor. Denn ab Sommer 2022 seien die Anfragen für Baufinanzierungen deutlich zurückgegangen. „Die gewaltige Welle des Zinsanstiegs hat die Spielregeln verändert.“ Verbunden mit einem Anstieg der Energiepreise habe das zu einem deutlichen Einbruch der Kaufnachfrage geführt, was kein Wunder sei. Und die aktuelle Gesetzgebung zur Energieeinsparung bei Gebäuden (Stichwort: Öl- und Gasheizungen) werde zu weiteren sinkenden Preisen beim Verkauf gebrauchter Wohnimmobilien führen, prophezeite Müller. Die Neubaugenehmigungen, sowohl für Familienhäuser wie Geschosswohnbau, seien eingebrochen.

Da die Mietnachfrage vor der Zinswende schon hoch war, werde sie nun zu noch weiter steigenden Mieten führen. Doch die die Gretchenfrage laute: „Wie sollen in Deutschland bei unserer irren Bürokratie bei Baugenehmigungen die notwendigen 400 000 Wohnungen entstehen?“ Der scheidende Vorstandsvorsitzende brachte da drei Vorschläge, die ihm spontanen Applaus einbrachten: Erstens Vereinfachung, Standardisierung, Digitalisierung und damit Beschleunigung der extrem langen und zu komplexen Bau- und Genehmigungsverfahren. Zweitens steuerliche Anreize mit höheren Abschreibungen für Kapitalanleger und auch Eigennutzer sowie außerdem familienfreundliche Sonderkredite/Fördermittel der KFW und eine Streichung der Grunderwerbssteuer für junge Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen.

Wahre Lobeshymnen für scheidenden Vorstandschef

Er kam nicht umhin, quasi den ganzen Abend im Mittelpunkt zu stehen. Doch Rudolf Müller schien es zu genießen, was in den Reden über ihn gesagt wurde und wie viel Beifall er bekam.

Es begann schon bei der Begrüßung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden Jürgen Kappenstein und dem Grußwort von Speyers Bürgermeisterin Monika Kabs, die beide herausstellten welchen Anteil der scheidende Vorstandschef daran habe, dass die Vereinigte VR Bank Kur- und Rheinpfalz so gut da stehe. Immerhin gehöre sie zu den Top 30 unter den Banken in Deutschland.

„Sie sind ein Bankdirektor zum Anfassen“, über dieses Kompliment von Herrmann Preuss, Vorsitzender des Wahlaussschusses, freute sich Rudolf Müller ganz besonders. „Mister Volksbank“ nannte ihn Katja Lewalter-Düssel, aber auch Geschäftsmann, Macher, Stratege, Netzwerker und Menschenfänger im besten Sinne. Sie zeichnete Müller, der seine Laufbahn 1974 bei der Volksbank Grünstadt begonnen hatte, im Namen des Genossenschaftsverbandes – Verband der Regionen aus Frankfurt für sein langjähriges Engagement und seine Verdienste um die Bank aus. „Sie haben immer ein hohes Ansehen bei Kunden und Mitarbeiterin genossen.“

Viel Lob und Dank gab es übrigens auch für Dirk Borgartz. Der ehemalige stellvertretende Vorstandssprecher war Ende 2022 nach fast zwei Jahrzehnten aus gesundheitlichen Gründen ausgeschieden. „Wir werden seinen sachkundigen Rat sehr vermissen“, sagte Kappenstein und würdigte die große Fachkenntnis und das hohe Engagement von Borgartz, der einst bis zur Fusion mit Speyer als Vorstandsvorsitzender der Volksbank Bezirk Schwetzingen gewirkt hatte. ali

Positiv wertete Müller in seiner Jahresbilanz, dass sich die Kundeneinlagen der VVR Bank um 6,4 Prozent erhöht haben. „Denn Einlagen sind ein Gradmesser für das Vertrauen der Anleger in ihre Bank. Und in diesem Zusammenhang hob er hervor, dass der genossenschaftliche Verbund ein eigenes Sicherungssystem habe – und das bereits seit fast 100 Jahren. „Der genossenschaftliche Verbund braucht keine Staatshilfe – denn bei uns waren und sind die Gelder sicher.“

Kritik an EZB

Aufgrund von Auflagen und Entscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB) im Zuge der Zinswende, die Müller sehr kritisierte, sei das Ergebnis aus der normalen Geschäftstätigkeit der VVR Bank auf 48 Millionen Euro zurückgegangen. Dennoch könnten damit die Rücklagen und damit das Eigenkapital, das Vermögen der Genossenschaft und damit ihre Widerstandskraft gestärkt wird.

Das Fazit Müllers war insgesamt positiv: Die Kundenkredite seien erneut dynamisch gewachsen und die Kundeneinlagen hätten sich erfreulich entwickelt. Durch die gute organische Ertragskraft der Bank seien auch die hohen Wertpapierkorrekturen verkraftet worden. „Ihre Vereinigte VR Bank Kur- und Rheinpfalz steht auf gesunden Füßen. Und das sollte uns allen Mut und Zuversicht geben, auch für die heutigen und kommenden Herausforderungen gerüstet zu sein“, sagte der scheidende Chef und zollte dem „starken Team“ der Mitarbeiter höchste Anerkennung.

Zuvor hatte auch sein Nachfolger als Vorstandsvorsitzender, Till Meßmer, Gelegenheit, sich der Vertreterversammlung zu zeigen. Der Schwetzinger betonte vor der Beschlussfassung über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Überschusses, wie wichtig die Eigenkapitalausstattung der Bank für die Kreditvergabe sei. „Nur aus der Position der Stärke heraus können wir für unsere Kunden der Partner sein, den sie brauchen.“ Meßmer nutzte auch die Gelegenheit, sich beim Aufsichtsrat für das Vertrauen zu bedanken: „ich freue mich, die Zukunft unseres Hauses gemeinsam mit meinen Vorstandskollegen und dem großartigen Mitarbeiterteam gestalten zu können.“

Doch danach gehörte die Bühne wieder seinem Vorgänger Rudolf Müller, der nicht nur einmal mit stehenden Ovationen verabschiedet wurde. „Es war mir eine Ehre“, schloss er seine emotionale Abschlussrede.

Redaktion Stv. Redaktionsleiter + Lokalsportchef Schwetzinger Zeitung

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