Schwetzingen. Es geht voran mit dem Impfen gegen Covid-19 in Deutschland, wenn auch nach wie vor langsam im Vergleich zu anderen Ländern. In Baden-Württembergs Arztpraxen wird seit Montag mit allen Impfstoffen ohne Priorisierung geimpft, laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn fällt die Priorisierung ab 7. Juni vollends. Frauen sind jedoch verunsichert: In Deutschland gab es nämlich keine Impfempfehlung für diejenigen, die einen Kinderwunsch hegen beziehungsweise für werdende Mütter. Bis zu diesem Dienstag. Dr. Annette Maleika, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe sowie Chefärztin an der GRN-Klinik in Schwetzingen, bekräftigt die getroffene Empfehlung der Ständigen Impfkommission und rät zur Impfung. Warum, erklärt sie in diesem Interview.
Dr. Maleika, in Deutschland gab es bislang keine Impfempfehlung für werdende Mütter oder Frauen mit Kinderwunsch. Was halten Sie von der nun getroffenen Empfehlungen - und was würden Sie Frauen raten?
Dr. Annette Maleika: Eine Impfung von Schwangeren gegen das Coronavirus wäre absolut sinnvoll, da Schwangere ein höheres Risiko für einen schwereren Verlauf einer Covid Erkrankung haben und häufiger intensivmedizinisch behandelt werden müssen als gleichaltrige Nicht- Schwangere. Außerdem ist auch das Kind bei einer mütterlichen Infektion einem höheren Risiko für eine Fehl- oder Frühgeburt ausgesetzt. Eine Impfung würde Mutter und Kind schützen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) änderte am Dienstag, 18. Mai, ihre Impfempfehlungen für Schwangere. In der aktuellen Empfehlung heißt es, Schwangeren mit Vorerkrankungen oder einem „erhöhten Expositionsrisiko aufgrund ihrer Lebensumstände“ könne „nach Nutzen-Risiko-Abwägung und nach ausführlicher Aufklärung eine Impfung mit einem mRNA-Impfstoff ab dem 2. Trimenon angeboten werden“. Die Ergebnisse aus bislang vorliegenden Studien zeigen nämlich, dass es nicht zu vermehrten schwangerschaftsspezifischen Komplikationen oder einem höheren Risiko für den Fötus gekommen ist. Frauen mit Kinderwunsch sollten grundsätzlich ihren Impfpass checken lassen. Impfungen gegen Röteln schützen zum Beispiel vor einer Infektion mit den Folgen einer fatalen Röteln-Embryopathie in der Schwangerschaft. Auch eine Impfung gegen das Coronavirus halte ich bei Frauen mit Kinderwunsch für sinnvoll. Allerdings ist dies aktuell für die meisten erst möglich, sobald sie gemäß der aktuellen Impfpriorisierung einen Termin bekommen.
Wie verhält es sich mit der Impfempfehlung für Frauen in anderen Ländern?
Dr. Maleika: Die gynäkologische Fachgesellschaft DGGG und der Berufsverband der Frauenärzte plädieren für eine Impfung von Schwangeren und priorisieren die mRNA-basierten Impfstoffe (Biontech, Moderna, Anm. d. Red.). Das geht klar aus einer Stellungnahme, die die DGGG in der letzten Woche veröffentlicht hat, hervor. In anderen Ländern wie den USA oder Israel werden Schwangere bevorzugt geimpft, vor allem mit den mRNA-Impfstoffen.
In der Bevölkerung ist die Unsicherheit groß, ob sich eine Corona-Impfung schädlich auf das Ungeborene auswirken könnte. Das fragen sich insbesondere Frauen, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit, beispielsweise in der Pflege oder Medizin, einen solchen Schutzwirkstoff zu Beginn einer noch nicht bemerkten Schwangerschaft gespritzt bekommen haben. Und was ist mit dem kursierenden Gerücht, Corona-Impfungen könnten unfruchtbar machen?
Dr. Maleika: Im Dezember 2020 erschien ein Onlineblog-Beitrag, aus dem das Gerücht hervorging, dass sich Antikörper, die durch die Corona-Impfung gebildet würden, negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken. Das resultierte aus der Behauptung, dass Antikörper gegen das Spike Protein mit dem menschlichen Plazentaprotein Syncytin 1 kreuzreagieren könnten. Bisher gibt es allerdings keine Hinweise, dass mRNA-Impfstoffe oder Vector-Impfstoffe die Fertilität beeinflussen könnten. Auch hatten Frauen, die kurz vor oder in der Frühschwangerschaft geimpft wurden, bisher kein erhöhtes Fehlgeburtsrisiko.
Es mehren sich weltweit Erkenntnisse, wonach nicht der Impfstoff gegen SARS-CoV-2 ein Risiko für das ungeborene Kind darstellt, sondern eine Covid-Erkrankung der Mutter zur Gefahr werden kann.
Dr. Maleika: Tatsächlich ist es so, dass eine Impfung weitaus ungefährlicher für die Mutter und das ungeborene Kind ist als eine Covid-Erkrankung.
Wenn sich Schwangere mit dem Coronavirus anstecken, entwickeln manche nur mäßige Symptome, während andere massiv an Covid erkranken. Gibt es dafür Erklärungen?
Dr. Maleika: Schwangere erkranken nicht häufiger als Nicht-Schwangere. Sie haben jedoch durch das veränderte Immunsystem und die veränderten Kreislauf-Parameter in der Schwangerschaft ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf im Vergleich zu gleichaltrigen Nicht-Schwangeren. Außerdem zeigt sich bei an Covid erkrankten Schwangeren eine erhöhte Rate an Frühgeburten und eine höhere Rate an Kaiserschnitten.
Thema Impfpriorisierung - was wäre hier Ihr Wunsch mit Blick auf Frauen und Mütter?
Dr. Maleika: Ich bin hoffnungsvoll, dass in naher Zukunft auch die STIKO die generelle Empfehlung ausspricht, nicht nur stillende, sondern auch werdende Mütter zu impfen, um Mutter und Kind zu schützen, da die Antikörper über das Blut und die Muttermilch auf das Kind übertragen werden können.
Derzeit wird intensiv diskutiert, dass bei Impfkampagnen Menschen mit Migrationshintergrund gezielter angesprochen werden sollten - wie stehen Sie dazu auch mit Blick auf schwangere Frauen mit Migrationshintergrund?
Dr. Maleika: Die Inzidenzen zeigen, dass dort, wo viele Menschen auf engem Raum unter ungünstigen Bedingungen zusammenleben, sich das Virus schneller ausbreiten kann, ganz unabhängig davon, ob es um Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund geht. Bei Menschen mit Migrationshintergrund können mögliche Sprachbarrieren dazu führen, dass die zahlreichen und sich rasch verändernden Corona-Regeln schwer verstehbar sind und entsprechend nicht umgesetzt werden. Deshalb sind insbesondere auch schwangere Frauen mit schlechteren Deutschkenntnissen gefährdeter und sollten möglichst bald ein Impfangebot bekommen.
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