Schwetzingen/Region. Baden-württembergische Minister und Staatssekretäre nutzen die parlamentsfreien ersten Ferienwochen oft zu einer Sommertour durch Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen. Umweltstaatssekretär Dr. Andre Baumann (Grüne) hatte sich am Dienstag seine nordbadische Heimat vorgenommen und machte dabei unter anderem Station in der Schwetzinger Scheffelstraße, wo im Haus der Stadtwerke Geohardt ein Büro hat – das Unternehmen, das hier als Tochter von MVV und EnBW zwei oder drei Geothermie-Kraftwerke bauen will. Die beiden Geschäftsführer Stefan Ertle und Matthias Wolf sowie Geologe Dr. Thomas Kölbel berichteten dem Staatssekretär über den Projektstand und den Fortschritt bei der Prüfung möglicher Standorte.
Baumann erzählte einleitend von einem Besuch im Landkreis Karlsruhe, der sich ebenfalls für Geothermie stark mache, aber im Unterscheid zu uns hier kein wesentliches Fernwärmenetz habe. Dort versuche man nun zusammen mit den Kommunen in einer gemeinsamen Projektgesellschaft nachzurüsten und solche Versorgungsnetze zu bauen. Ihm sei es wichtig, die Wärmewende so zu schaffen, dass Energie für die Bürger bezahlbar bleibe. In den nächsten Tagen reist Baumann auch in die Schweiz, wo in einem Gemüseanbaugebiet Geothermie bereits fürs Beheizen von Gewächshäusern genutzt werde. Er brachte auch die Idee ins Spiel, Geothermie nicht nur zur Versorgung von Privathaushalten zu nutzen. Gerade in unserer Region sei das Thermalwasser im Untergrund so heiß, dass man auch an Prozesswärme für Industrieunternehmen denken könne und damit dort für zusätzliche Unabhängigkeit vom Gas sorgen könnte.
Sicherheit und Haftpflicht bei Geothermie-Bohrungen
Dass die Geothermie in Baumann einen eifrigen Befürworter hat, wissen ja alle in der Region. Er sagt aber auch klar, dass das Land die Voraussetzungen geschaffen habe, dass nur ein einziges besonders sicheres Verfahren für die Bohrungen und den Betrieb einer solchen Anlage zugelassen wurde, dass die Firmen Haftpflichtversicherungen nachweisen müssten und dass im Unterschied zu anderen Bundesländern und zum Beispiel auch zu Frankreich, nur Projekte möglich seinen, denen eine intensive seismische Messung vorausgegangen sei. Derzeit lasse die Landesregierung zudem mögliche versicherungsrechtliche Fragen prüfen, übrigens von einem Experten mit Wurzeln in Schwetzingen.
Seismische Messungen und Schutzgebiete in der Region
Apropos Seismik: Klar ist inzwischen, dass in der hier geprüften Region zwischen Mannheim-Süd und Oftersheim und zwischen Ketsch und Eppelheim überall eine Tiefengeothermie möglich wäre. Geologe Thomas Kölbel ist begeistert von den Zahlen. „Es gibt keine Region, die besser vermessen wurde und wir haben eine hohe Zuverlässigkeit, weil wir zusätzlich die damals für Brühl festgestellten Daten darüberlegen und so eine hohe Präzision erreichen konnten“, sagt Kölbel. Möglich ist hier also nahezu alles, aber eben nur von der Seismik her. Denn im zweiten Schritt galt es nun, Schutzgebiete zu berücksichtigen – Naturschutz, Artenschutz, Wasserschutz. Und da scheiden dann auf der Karte doch einige Flecken aus, vor allem die Schutzgebiete, die unser Trinkwasser vor jeglicher Verseuchung schützen sollen.
Infrastruktur und Standortwahl für Geothermie-Kraftwerke
Im dritten Schritt wird die vorhandene und die geplante Infrastruktur über die möglichen Standorte gelegt, die dann wieder bestimmte Flächen ausschließt. Zudem soll der Ort gut erreichbar sein und das heutige Fernwärmenetz sollte zumindest in der Nähe verlaufen, damit ein solches Projekt am Ende auch wirtschaftlich darstellbar ist. Dazu gehört auch, ob ein mögliches Grundstück überhaupt erworben werden kann und wer dessen Eigentürmer ist. Die Erläuterungen dazu hat Stefan Ertle gegeben. In dieser Phase befinde man sich derzeit und in der zweiten Jahreshälfte – also im Herbst – kommt dann das Thema Nachhaltigkeit auf den Tisch der Standortentscheidung. Dann spreche man mit den politischen Vertretern über die Akzeptanz, über die mögliche Teilhabe der Kommune am Projekt und informiere die Öffentlichkeit aktiv an Infoständen und mit Pressemitteilungen, ergänzt Geschäftsführungskollege Matthias Wolf.
Der hatte anfangs auch nochmals die Vorgehensweise und Voraussetzungen für das heutige Projekt erläutert. So zum Beispiel, dass sich die MVV ja das Ziel gesetzt habe, bis 2033 das Kohlekraftwerk abzuschalten und dafür Ersatz zu schaffen, um weiterhin 160 000 Haushalte mit Wärme versorgen zu können – am liebsten sogar noch mehr. Er zeigte auch mal das Ausshen eines solchen Geothermie-Kraftwerkes, das mehr nach einem Wasserwerk oder einem Supermarkt aussieht, weil es ja auch keinerlei Schornstein benötigt.
Zukunftspläne und europäische Unterstützung für Geothermie
Baumann freute sich über die Fortschritte bei der Standortsuche, machte den Geschäftsführern Mut und erzählte von einem Ministertreffen auf europäischer Ebene, bei dem die Tiefengeothermie ausdrücklich als förderungswürdig eingestuft worden sei. Er hält auch das Beschleunigungsgesetz für richtig, das jetzt in der Verbandsanhörung sei und die Genehmigungsprozesse schneller machen soll. Aus seinen Besuchen in württembergischen Landesteilen könne er berichten, dass „die uns um die Möglichkeiten der Geothermie-Nutzung am Oberrhein beneiden“. Und zum Schluss hatte er noch einen netten Gag im Gepäck. Bei einer weltweit sehr angesehenen Tagung zur Geothermie in Offenburg habe er einen Vortrag gehalten. Anschließend habe ihn ein Geologe aus der Türkei angesprochen und gefragt, wo er herkomme. Als dann im Gespräch das Wort „Brühl“ gefallen ei, sei der Mann kaum mehr zu beruhigen gewesen: „Brühl, die beste Bohrung, die es je gab“, habe er frohlockt. Es ist eben immer eine Sache der Sichtweise.
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