Schwetzingen. Die vergangenen sechs Monate waren für Volker Engelfried aus Schwetzingen sehr nervenaufreibend. „Aber es gibt mittlerweile auch nennenswerte Erfolge“, sagt der 57-Jährige, der sich wie viele Bürger von der Stadt im Stich gelassen fühlt und in großer Sorge ist, „sollten hier in einem wissenschaftlich anerkanntem Erdbebengebiet Tiefengeothermie und Lithiumabbau zum Einsatz kommen“.
Die Schäden an seinem Haus an der Ecke Arionweg zur Rabaliattistraße durch die seismischen Untersuchungen der Firma Geohardt im Januar wachsen sich zur unendlichen Geschichte aus.
Gutachter war im Auftrag von Geohardt schon dreimal vor Ort
Der Gutachter im Auftrag von Geohardt sei bereits dreimal vor Ort gewesen, berichtet der Hausbesitzer. Die Bestandsaufnahme sei aber noch lange nicht abgeschlossen, „da sich immer wieder neue Risse bilden und das ganze Schadensausmaß immer noch nicht bekannt ist“. Es sei auch nicht mehr auszuschließen, dass sich der Garten des Anwesens im Wohngebiet Kleines Feld in Teilen abgesenkt haben könnte, zeigt Engelfried bei einem Vor-Ort-Termin mit unserer Zeitung. Auch der Schadenregulierer seiner Gebäudeversicherung sei schon mehrmals da gewesen. Dessen Gutachten mit Kommentaren wie „kaum erkennbare Schäden“ oder „nur optische Mängel ohne Wertverlust“ könne er so nicht akzeptieren: „Eine Gebäudeversicherung ist dann im Schadensfall tatsächlich nichts wert.“ Dass es sich immer lohne, sich für eine gerechte Sache einzusetzen, habe er von seiner Mutter gelernt. Seine Gebäudeversicherung, bei der auch „unbenannte Gefahren“ mitversichert sind, hat sich mittlerweile wohlwollend gezeigt.
Nun versucht er, Kostenvoranschläge einzuholen, was sich aufgrund extremen „Handwerkermangels“ aber als schwierig herausstellt.
Bei der Unterstützung durch die Politik lobt Engelfried ausdrücklich den CDU-Landtagsabgeordneten Andreas Sturm, der sich die Schäden am Haus genau angeschaut hat und immer ein offenes Ohr habe.
Dem Grünen-Landtagsabgeordneten Dr. Andre Baumann müsse er dagegen ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Der habe ihm bei einem Treffen vor Ort am 28. April geantwortet, die Schadensregulierung könne man doch „von Mann zu Mann regeln“. Ein solches Angebot habe in einem Rechtsstaat nichts zu suchen, echauffiert sich der 57-Jährige: „Wer einen Schaden verursacht, muss ohne Wenn und Aber dafür aufkommen.“ Unter den Anwesenden war neben Baumann auch Andreas Sturm und Monika Steidle von der CDU Schwetzingen, die sich von dieser Aussage ebenso geschockt gezeigt hätten.
Seit Monaten fordert Engelfried die Herausgabe des von Geohardt vor der Vibrationsmessung erstellten Videomaterials sowie deren Dokumentation. Baumann habe ihm versprochen, sich dafür einzusetzen. Auf erneute Anfrage seitens Engelfrieds habe der Grünen-Landtagstabgeordnete nachhaken wollen. „Bis zum heutigen Tage erfolglos, denn die gewünschte Dokumentation fehlt noch immer“, bedauert Engelfried.
Ende Juni hatte die Firma Geohardt ihm mitgeteilt: „Nach Prüfung der uns vorliegenden Informationen und Unterlagen kommen wir zu dem Schluss, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen den seismischen Messungen und den von Ihnen gemeldeten Schäden nicht eindeutig gegeben ist. Schriftverkehr und E-Mail-Nachrichten zwischen Engelfried und der Firma Geohardt liegen unserer Zeitung vor.
Geohardt hatte ihm „als Entgegenkommen und ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht“ einen Betrag in Höhe von 3000 Euro angeboten, – „unter der Voraussetzung, dass hiermit alle Ansprüche gegen uns aus oder in Zusammenhang mit den seismischen Messungen sowie Ihrer Schadensmeldung abgegolten sind“. Die Summe resultiert aus dem Schadensbericht eines Karlsruher Bausachverständigenbüros von Besuchen im Februar und im März sowie im Mai als Zusammenstellung der zu regulierenden Kosten. Anhand des 77 Seiten umfassenden Gutachtens im Auftrag von Geohardt heißt es: „In den vorliegenden Fällen haben die Erschütterungen der Seismik-Kampagne dazu beigetragen, dass sich Risse gebildet haben. Es kann in den meisten Fällen davon ausgegangen werden, dass eine Vorbelastung vorlag. Die Vorbelastung ist jedoch nicht so groß, dass es unter ‚normalen‘ Umständen zu Rissbildungen kommt. Erst die Erschütterungen leiteten die Überschreitung der Spannungsgrenzen (alles Zugspannungen) ein und es kam zum Riss.“
Seismik-Kampagne in Schwetzingen löst meisten Schäden aus
Ohne die Seismik-Kampagne wären die meisten Schäden also nicht ausgelöst worden, ein Zusammenhang könne zumindest nicht ausgeschlossen werden, erklärt Engelfried. „Wir würden uns über Ihre Unterstützung in unserem Vorhaben auf dem weiteren Weg zu einer umweltfreundlichen Energieversorgung freuen“, hatte Geohardt noch hinzugefügt.
„Wer denkt, die Geschädigten würden zumindest eine faire Schadensregulierung vom Verursacher erhalten, irrt sich gewaltig, denn hier wird der Restwert angesetzt, der bei einer älteren Immobilie ab 15 Jahren gegen Null geht. Die eigene Gebäudeversicherung zahlt in der Regel nur bei Elementarschaden“, schimpft der 57-Jährige über die ablehnende Haltung des Betreiberunternehmens. Das erwecke den Eindruck, man habe es hier mit „Trittbrettfahrern“ oder „Schmarotzern“ zu tun.
Ein absolutes No-Go sei für ihn auch die öffentliche Online-Veranstaltung mit Geohardt am 25. Mai gewesen. Als er sich habe einwählen wollen, habe man ihm die Meldung gezeigt: „Der Gastgeber hat Sie von diesem Meeting ausgeschlossen.“ Unserer Zeitung liegt ein Screenshot davon vor. Der Anbieter der digitalen Informationsveranstaltung habe nur mitgeteilt, der Nutzername sei nicht durch das System gesperrt worden: „Nachweislich hat Sie niemand ausgeschlossen.“
Engelfried und weitere Betroffene sowie besorgte Bürger haben sich inzwischen in einer Bürgerinitiative zusammengefunden. Diese finde auch starken Zuspruch in der Bevölkerung, am Samstag, 26. August, 8 bis 13 Uhr, tritt die BI mit einem Infostand in der Schwetzinger Innenstadt in Erscheinung.
Der 57-Jährige betont ausdrücklich, dass es ihm primär nicht um „seine Schadensregulierung“ ginge, sondern dass er darauf aufmerksam machen wolle, dass Geothermie und Lithiumabbau „in einem Erdbebengebiet ein unkontrollierbares Risiko mit ungeahnten Folgen darstellt“. Die Stadt- und Landesväter wären gut beraten, das Thema Schadensregulierung endlich zur Chefsache zu machen. Von echten Trittbrettfahrern distanziere man sich ausdrücklich, „denn sie sind ebenso gefährlich wie die Schadensleugner“.
Mögliche Folgen hätten verhindert werden können
Außerdem hätten die betroffenen Anwohner frühzeitig von Geohardt darüber informiert werden müssen, dass Messungen in unmittelbarer Nähe ihrer Liegenschaft erfolgen, und dass es sowohl zu Sachschäden als auch gesundheitlichen Problemen kommen kann, heißt es von Seiten der Schwetzinger Bürgerinitiative gegen Tiefengeothermie. Es sei auch zu klären, wann und in welchem Umfang die Verwaltungen der Kommunen über die seismischen Messungen und mögliche Folgen informiert worden sind, und was verhindert hätte werden können, meint Engelfried. Der 57-jährige Hausbesitzer will sich weiter wehren, vor allem gegen „ideologisch geprägte Ziele der Politik gegen den Willen und allein auf Kosten der Bürger“. Die Verantwortlichen dürften das Geschehene nicht weiter leugnen und Geschädigte auch noch als „Trittbrettfahrer“ denunzieren.
Das bis 31. Juli 2023 gültige Angebot von Geohardt über 3000 Euro hat Engelfried verstreichen lassen. Die schriftliche Zusage der Schadensregulierung seiner privaten Gebäudeversicherung traf am 30. Juni ein. Die Angebote der Reparaturen erhielt er am 31. Juli und am 7. August. Die Erschütterungen der Seismik-Kampagne hätten dazu beigetragen, dass sich Risse gebildet haben, habe das Gutachten im Auftrag der Geohardt bestätigt, bekräftigt Engelfried und zitiert noch einmal aus dem Bericht: „Erst die Erschütterungen leiteten die Überschreitung der Spannungsgrenzen (alles Zugspannungen) ein und es kam zum Riss.“
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