Schwetzingen. „Wenn sich nichts ändert, werden wir auch in Schwetzingen Filialen schließen müssen. Eine Filiale in Plankstadt mussten wir schon zumachen. Bei einem Kaffee in der Schwetzinger Innenstadt haben wir schon die Öffnungszeiten einschränken müssen.“ Michael Utz von der gleichnamigen Bäckereikette spricht deutlich aus, vor welchen Herausforderungen nicht nur er als Unternehmer steht. Es fehlt an Mitarbeitenden, an Fachkräften. „Damit sich die Anzahl der Frühschichten auf das Nötigste beschränkt, arbeiten wir schon viel mehr mit Teiglingen, die über den Tag produziert und gekühlt werden. Wir finden trotzdem keine Arbeitskräfte“, schildert er weiter.
Auf die Frage, ob der Bäcker weitere Maßnahmen ergreife, um seine Backstube und den Service für Arbeitnehmer attraktiver zu gestalten, meint er: „Durch die steigenden Gas- und Strompreise haben wir keinen Spielraum für Lohnerhöhungen. Zwar wird medial ständig versprochen, dass die Preise wieder sinken, allerdings suchen wir momentan nach neuen Anbietern und die Verträge werden eher noch teurer. Mittlerweile können wir nicht mal mehr in Geräte wie Klimaanlage oder Kaffeemaschine investieren.“
Staat stellt Hürden im Bezug auf Arbeitskräfte aus dem Ausland
Als besonders ärgerlich nimmt er als Arbeitgeber die mehrfach gesuchte, aber scheinbar unterbliebene staatliche Unterstützung wahr: „Wir wollten nach Aushilfen in den Flüchtlingsunterkünften suchen. In der Backstube wären die sprachlichen Barrieren kein allzu großes Problem. Selbst auf Nachfrage beim Arbeitsamt wurde uns der Kontakt zu den Heimen verwehrt. Dann wollten wir nach Arbeitskräften aus dem Ausland suchen. Das möchte der Staat zwar, stellt uns aber so viele Hürden in den Weg, dass es fast unmöglich ist. Die ständige Bürokratie ist kaum zu ertragen“, beschreibt Utz.
Momentan habe man einen möglichen Auszubildenden aus Gambia. Auf der Suche nach Hilfe, um die Einreise für den dringend Gebrauchten zu erleichtern, sei man aber auf Granit gestoßen: „Seitens staatlicher Stellen heißt es immer, wir sollen uns drum kümmern, wenn wir jemanden wollen.“ Die Enttäuschung ist Utz im Gesicht abzulesen: „Das wird in den nächsten zehn Jahren nicht besser, wenn es so weitergeht. Irgendwann haben wir noch noch Supermärkte und Selbstbedienungsketten. Dann gibt es nur noch Brötchen aus Käfighaltung“, meint der Bäckermeister, der trotz der angespannten Lage den Humor noch nicht vollends verloren hat. Er ergänzt jedoch mit Ernst: „Darunter leidet langfristig auch die Qualität der Lebensmittel. Das ist ähnlich wie beim Fleisch. Wir müssen entweder die Preise erhöhen, um unserem Personal bessere Konditionen bieten zu können und Mitarbeiter anzulocken oder es gibt nur noch die billigere Massenproduktion von Supermarktketten.“Er sieht auch noch ein weiteres, gesellschaftliches Problem: Denn müssen Bäckereien mit Cafés, wie er sie betreibt, schließen, ist das mit Einschränkungen im sozialen Leben verbunden. Das Café um die Ecke ist und bleibt nun mal ein beliebter Treffpunkt für Einheimische aller Generationen, vor allem der älteren.
Unsere Zeitung fragt im Zusammenhang mit der Flüchtlingsproblematik bei der Agentur für Arbeit nach. Hier heißt es: „Grundvoraussetzung für eine Vermittlung von Geflüchteten ist immer, dass ihr Aufenthaltsstatus Arbeiten erlaubt. Ist dies der Fall, erhalten Sie von uns zu ihrem Profil passende Vermittlungsvorschläge und gegebenenfalls Qualifizierungsangebote. In der Regel sollte immer der Integrationskurs des BAMF absolviert worden sein mit dem entsprechenden Spracherwerb. Wenn Arbeitgeber bei uns Stellen melden, suchen wir geeignete Bewerber aus unserem ganzen Bewerberpool. Wir unterscheiden nicht, ob der Bewerber Geflüchteter ist oder nicht. Ob die Eignung für eine bestimmte Stelle vorliegt, entscheidet der Arbeitgeber.“ Bürokratie pur.
Den Vorwurf, die Agentur unterstütze die Suche nach zuwanderungsbereiten Arbeitskräften nicht, weist der Pressesprecher entschieden zurück: „Die Bundesagentur für Arbeit unterstützt und fördert qualifizierte Zuwanderung aus dem Ausland und führt selbst in ausgewählten Berufen und mit ausgewählten Partnerländern konkrete Projekte und Programme zur Gewinnung von Fachkräften und Auszubildenden durch. Ein starker Fokus liegt dabei auf den Bereichen Pflege, IT-Fachkräften oder Fachkräften und Auszubildenden in handwerklichen und gewerblich-technischen Berufen. Gleichzeitig bietet die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit eine Anlaufstelle für deutschlandinteressierte Arbeitskräfte im Ausland, die zu allen Fragen rund um das Thema Leben und Arbeiten in Deutschland berät. Mit ihrer Zentralen Servicestelle Berufsanerkennung berät die ZAV auch speziell zu dem Thema Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Fachkräfte mit guten Vermittlungschancen, die auf diesem Weg bei der ZAV Rat suchen, schlägt diese ebenfalls suchenden Unternehmen vor, die ihre Stellen bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet haben.“
Auch die Schwetzinger Gastronomie hat mit diesen Problemen zu kämpfen
„Ich arbeite von 7 bis 22 Uhr, um neben meinem Aufgabenbereich auch noch die Gäste zu bedienen, irgendwann habe ich im Restaurant einen Herzinfarkt. Für was?“, fragt Gerardo Di Luna, Inhaber des Restaurants „La dolce vita“ in Schwetzingen, rhetorisch. Mittlerweile müsse er abends früher schließen und Kunden, die reservieren wollen, ablehnen, erzählt der Italiener, während er durch das Restaurant huscht, um noch die letzten Vorbereitungen zu treffen. „Uns fehlt es an Köchen, Küchenkräften und Servicepersonal. Damit meine Mitarbeiter nicht immer mehr als acht Stunden durcharbeiten müssen, müssen wir die Öffnungszeiten leider anpassen“, so Di Luna. Auch er sieht eine angespannte Zukunft: „Die Einkaufspreise steigen enorm. Mitarbeiter möchten höhere Löhne. Kunden möchten nicht mehr für das Essen bezahlen. Wenn das so weitergeht, dann leidet der Tourismus und selbst in Schwetzingen gibt es zukünftig hauptsächlich Imbissbuden.“
Wie auch Bäcker Utz, kann sich der Restaurantbesitzer vorstellen, ausländische Hilfskräfte einzustellen: „Der Staat fördert das nicht. Wir brauchen dringend Hilfe, aber in Deutschland können Geflüchtete oft nicht arbeiten. Die Menschen wollen arbeiten, aber die Regierung lässt sie in Unterkünften versauern und bezahlt Sozialhilfen, obwohl es die Möglichkeiten, selbst Geld zu verdienen gibt. Da muss dringend einer ran, um die Regelungen zu ändern.“
Nicht überall ist es so düster: Petar Trivic, Geschäftsführer des Restaurants „Aposto“, kann sich nicht über Personalmangel beklagen: „Ich habe immer genug Mitarbeiter.“ Auch woran das liegt, glaubt Trivic zu wissen: „Mir ist bewusst, dass es nicht unendlich viele Mitarbeiter gibt, deshalb sollte man fair und ehrlich mit ihnen umgehen. Klar gibt es auch noch Stress, wie überall, aber die meiste Zeit läuft der Laden problemlos.“ So habe der Restaurantbesitzer fünf Mitarbeiter, die seit über zehn Jahren an diesem Standort tätig sind. Um seinen Angestellten möglichst angenehme Bedingungen zu schaffen, würde er darauf achten, Wochenendschichten auf mehrere Schultern zu verteilen und auch ansonsten genug Freizeit zu ermöglichen: „Ich habe auch klein angefangen in der Gastronomie, einfach, weil mir die Arbeit im Team Spaß gemacht hat, das versuche ich zu vermitteln. Diesen Spaß verliert man leider, wenn man 16 Stunden am Stück bei 38 Grad Celsius in der Küche schuften muss.“
Natürlich wisse Trivic, dass die Situation in der Gastronomie insgesamt angespannt sei: „Steigt der Gaspreis um das Sechsfache, dann frisst die mit Gas betriebene Küche natürlich den kompletten Gewinn. Dazu mussten wir viele Ersparnisse in der Corona-Zeit opfern, damit das Restaurant und unsere Mitarbeiter überleben. Es kann in dieser Lage schnell passieren, dass die Mitarbeiter zu wenig Geld haben, weil die Mieten und Lebensmittel zu teuer sind. Das ist einfach nicht fair.“ Auch er sieht die Politik in der Verantwortung, den Menschen zu helfen: „Notwendig wären Mehrwertsteuersenkungen. Einmalzahlungen sind doch Pseudogeschenke, die von den Krisen aufgefressen werden. Die Politik sollte die Gastronomiemitarbeiter endlich wieder als reale Existenzen wahrnehmen.“
Um steigenden Frust in der Gesellschaft und vor allem in seinem Betrieb etwas entgegenzusetzen, geht der Gastronom einen besonderen Weg: „Wir sehen hier noch den Menschen, nicht das Arbeitstier, wir sprechen über Sorgen und Probleme und versuchen, den Kollegen zu helfen. Deshalb stocke ich auch immer weiter Arbeitskräfte auf, um darauf eingehen zu können, wenn jemand eine Pause braucht.“ Ein Sicht, die immer wichtiger wird.
Zurück zur Agentur für Arbeit Heidelberg. Wie genau steht denn eigentlich der Bewerbermarkt im Verhältnis zu Problemen, die etwa Bäcker Utz und Gastronom Di Luna? „Der Arbeitsmarkt entwickelt sich zum Bewerbermarkt: Die Betriebe stehen in Konkurrenz um die Bewerber. Die Bewerber können sich das für sie beste Angebot aussuchen“, heißt es auf Anfrage. Und klar: Finden die Betriebe keine passenden Kräfte für ihre offenen Stellen, können Aufträge nicht erfüllt oder Öffnungszeiten nicht aufrechterhalten werden.
Die Arbeitsagentur nennt den demografischen Wandel als Hauptgrund
Laut Sprecher der Arbeitsagentur ist der Hauptgrund für das Ungleichgewicht der demografische Wandel: „Die demografische Entwicklung verringert stetig die Anzahl potenzieller Bewerber. Geburtenschwache Jahrgänge treten ins Berufsleben ein, während immer mehr Jahrgänge der Babyboomer in Rente gehen. Vorhandene Bewerber passen mit ihrem Profil nicht immer auf die Anforderungen der Arbeitgeber. Wir sprechen vom sogenannten Mismatch.“ Der Pressesprecher weiß aber auch, dass sich Kreativität seitens der Arbeitgeber auszahlen könnte: „Ein wesentlicher Ansatzpunkt ist, flexible Arbeitszeitmodelle anzubieten. Viele Firmen bieten zudem Benefits wie Kinderbetreuungszuschuss, Jobrad, Jobticket, Zuschuss zum Fitnesscenter, kostenlose Getränke, Obst, freie Kost, Handy zur privaten Nutzung und Personalrabatte. Ein gutes Betriebsklima und sinnhafte Tätigkeiten erhöhen auch die Attraktivität eines Arbeitgebers.“
Da die Angebote, mit denen die Arbeitgeber laut Agentur für Arbeit um Fachkräfte buhlen, meist kostenintensiv sind, scheint es sich hierbei um keine Lösung für Bäckereien wie die von Michael Utz oder Restaurants wie das von Gerardo Di Luna zu handeln. Weshalb es so schwer ist, für die Unternehmer Menschen aus dem Ausland zu finden, beantwortet der Sprecher der Arbeitsagentur mit dem Hinweis auf eine Studie: Deutschland ist laut Expat-Befragung der sogenannten Internations mit Platz 49 eines der unbeliebtesten Ziele für Auswanderer. Ob das auch eine Folge der deutschen Bürokratie ist, bleibt offen.
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