Schwetzingen. Diese Aktion auf dem Schlossplatz hat für Aufsehen gesorgt. Ein Gottesdienst am frühen Samstagabend an der Ecke zum Gasthaus „Grüner Baum erlebt man wahrlich nicht alle Tage. Doch genau das organisierte der evangelische Pfarrer Steffen Groß mit seinen Mitstreitern im Rahmen der Gottesdienstserie „For your soul“ und erhielt dafür viel Zuspruch.
Manuela Wiel erklärte diesen Gottesdienst gar als beispielgebend für eine Messe, die die Menschen im 21. Jahrhundert erreicht. „Das hier hat mich sehr berührt.“ Und so scheint es auf dem Schlossplatz nicht Wenigen ergangen zu sein. Das Reden und die Musik der vier Musiker von „The Chaotics“ sorgten wirklich für Glückseligkeit, weit über den eigentlichen Kreis der Gottesdienstbesuchern hinaus. Wenn man die „unfreiwilligen“ Teilnehmer aus den Schlossplatz-Gastronomien dazu nimmt, war die „Kirche“ gefüllt wie nur selten. Wie heißt es bei dem türkisch-islamische Geschichtenerzähler Hodscha Nasreddin, der im 13./14. Jahrhundert im südwestlichen Anatolien gelebt haben soll: „Wenn der Prophet nicht zu Berg kommt, muss der Berg zum Propheten kommen“. Und genau das tat Groß mit seinem Team ziemlich erfolgreich.
„For your soul“ in Schwetzingen geht zurück zum Analogen
Neben den vier Musikern Sarah Masur (Gesang), Theresa Holder (Schlagzeug), Christian Monninger (Keyboard) und Marcel Hauptmann (Bass) lud sich Groß auch den Vorsitzenden des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Schwetzingen, Hans-Jürgen Scholz, sowie die DRK-Einsatzleiterin Anja Beck ein. Dreh- und Angelpunkt des Gottesdienstes „Stand by me“, der anders als früher nicht mehr aufgezeichnet wurde, also wieder komplett analog ist, war das Samaritertum. Doch zu Beginn erinnerte Groß kurz an den Chef des Schlossrestaurants „Theodors“, Andreas Bante, der vor wenigen Tagen zu Grabe getragen wurde und viele Male Gastgeber für die „For your Soul“-Gottesdienste war. „Als Zeichen der Liebe Gottes, die auch der Tod nicht aufhalten kann, entzünde ich eine Kerze für dich, Andreas!“
Nach einem Psalm, mit dem Groß und Beck dafür beteten, dass Gott die Traurigen trösten und den Armen unter die Arme greifen solle und dem wunderbaren Song „Free Fallin“, erzählte Groß in aller Kürze die Samariter-Geschichte. Ein Mann wurde auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho überfallen und schlimm zugerichtet. Sowohl ein Priester als auch Tempeldiener seien vorbeigelaufen. Ein Samariter aber hatte Mitleid und nahm sich des Verletzen an, verband seine Wunden, setzte ihn auf sein Pferd und brachte ihn in ein Gasthaus. In den Augen Jesus ist es dieser Samariter, der dem verletzten Menschen als Mitmensch begegnet, und damit auch Vorbild sei, dem es nachzueifern gelte. Man könnte also sagen, dass Scholz und Beck diese Geschichte verinnerlicht haben und dem Beispiel folgten. Trotzdem bestand Beck darauf, dass andere darüber urteilen sollte, ob sie eine barmherzige Samariterin sei. „Ich hoffe nur, ich bin hilfsbereit und habe Mitleid.“
Auf die Frage, was sie denn motiviere, betonten beide, dass es das Mitleid sei. Das erinnert an den deutsch-stämmigen französische Politikwissenschaftler, Alfred Grosser, der einst sagte, dass uns, die Anerkennung des Leidens der anderen, zu Menschen macht.Ein Satz, der auch am Anfang des Roten Kreuzes steht. Kurz erzählte Scholz die Geschichte dieser Organisation, die im Sommer 1859 begann. Damals wurde der junge Kaufmann Henry Dunant Zeuge von erschütternden Zuständen nach der Schlacht bei Solferino (Lombardei), als Tausende verwundeter Soldaten mangels medizinischer Versorgung starben.
Sternstunde der Menschheit
Wenige Jahre später entstand die Hilfsorganisation Rote Kreuz. Dessen Logo geht auf die farbliche Umkehr der Schweizer Nationalflagge zurück. Für Scholz und Beck ohne Frage sei dies eine kleine Sternstunde der Menschheit gewesen. Denn sie mache einen Unterschied. Bei allem Unglück, das man sehe, erlebe man immer wieder, dass man Menschen helfen könne. Und auch wenn es nicht gelingt, allein der Versuch mache die Welt zu einem besseren Ort. Für Pfarrer Groß steht fest: „So lange es Menschen wie euch gibt, gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass sich diese Welt verbessern lässt“. Nach dem Song „Don’t stop believing“ und einem gemeinsamen Fürbittengebet endete ein beeindruckender und, so sagte es Wiel, „wirklich toller“ Gottesdienst.
Die nächste analoge Ausgabe von „For your Soul“ gibt es am Samstag, 12. Oktober im Welde-Stammhaus. Dann, so Groß, mit einem Pub-Quiz der etwas anderen Art.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen_artikel,-schwetzingen-gottesdienst-for-your-soul-in-schwetzingen-wenn-der-berg-zum-propheten-geht-_arid,2225327.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen.html