Klimawandel

Hainbuchensterben: Verheerende Auswirkungen in Plankstadt und Umgebung

Der Klimawandel macht vor unseren Schlössern und Parks nicht halt. Wenn wie jetzt befürchtet, die Hainbuchen sterben, dann wird das weitreichende Folgen für die gesamte Region haben – auch die Hecken im Schwetzinger Schlossgarten geraten in Gefahr.

Von 
Rolf Simianer
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Dieser Baum versucht noch, eine Sekundärkrone zu bilden, ob es hilft, wird man sehen. © Rolf Simianer

Schwetzingen / Plankstadt / Brühl. Das Hainbuchensterben greift um sich. Nicht nur Fachleute sehen sofort, dass es den Bäumen entlang einer Hainbuchenallee in Plankstadt schlecht geht. Sie haben im Frühjahr massenhaft Fruchtstände ausgebildet und die wenigen verbliebenen Blätter sind bereits im Juli braun geworden. In den Kronen sind einzelne Äste abgestorben, und von außen her scheinen sich die Triebenden zu krümmen und dürr zu werden.

Am Stamm einiger Bäume tritt aus der aufgeplatzten Rinde eine orangerote Flüssigkeit aus, die sich zu harzartigen rundlichen Brocken verfestigt hat. Für diese Bäume gibt es keine Rettung mehr – sie werden durch den Pilz Anthostoma recipiens eingehen, der das auch Rindenkrebs genannte Hainbuchensterben auslöst.

Heiße und trockene Sommer fördern Pilzbefall der Hainbuchen in Schwetzingen, Plankstadt und Region

Auch diese erst kürzlich gepflanzte Hainbuche ist nicht mehr zu retten. © Rolf Simianer

Dieser Pilz ist bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Doch hat er bis vor wenigen Jahren nur totes, im Prozess der Holzerneuerung abgestorbenes Holz befallen und zersetzt. Die heißen und trockenen Sommer seit 2018 haben jedoch die Widerstandskraft der Bäume so sehr geschwächt, dass Anthostoma recipiens nun auch lebendige Hainbuchen angreift. Im Schwetzinger Schlossgarten sind bereits nahezu alle freistehenden Hainbuchen erkrankt oder tot. In der Stadt Schwetzingen und den Gemeinden Plankstadt und Brühl ist ein starker Befall zu verzeichnen. Hockenheim und Oftersheim scheinen etwas weniger betroffen zu sein – zumindest bisher – doch auch hier ist die Krankheit bereits angekommen.

Nur regelmäßig geschnittene Pflanzen, also Hecken und Formgehölze, machen fast überall einen gesunden Eindruck. Das könnte daran liegen, wie die Fachagrarwirtin für Baumpflege und Baumsanierung der Stadt Schwetzingen, Doreen Suppe, vermutet, dass die vom Wurzelhals bis zum Heckenkopf rundherum beasteten Pflanzen ihre Stämme besser gegen Witterungseinflüsse schützten. Auch könnte der regelmäßige Rückschnitt einen Teil der von außen eindringenden Pilzinfektionen beseitigen. Zudem stehen Hainbuchenhecken oft, wie zum Beispiel im Schwetzinger Schlossgarten, beschattet und relativ kühl unter einem waldartigen Baumbestand.

Klimawandel wirkt sich auf Bäume in der Region um Schwetzingen aus: Heimische Arten unter Druck

Hier eine tote Hainbuche aus dem Schwetzinger Schlossgarten. © Rolf Simianer

Doch wie lange der Pilz die Heckenbestände noch verschont, kann niemand vorhersagen. Schon der Ausfall der Hainbuche als Straßenbaum würde es, so Dr. Andreas Askani, Bereichsleiter Umwelt- und Naturschutz der Gemeinde Brühl, „immer schwieriger machen, noch geeignete heimische Baumarten für die Gestaltung der innerörtlichen Flächen zu finden.“

Dabei galt die Hainbuche noch vor kurzer Zeit als klimafester Zukunftsbaum, und wurde deswegen in Straßen und Grünflächen bevorzugt neu gepflanzt. Besonders ihre schmale Kerzenform eignet sich vorzüglich für enge Standorte im Straßenraum. Doch es sterben mittlerweile – wahrscheinlich bereits in der Baumschule – infizierte Bäume trotz bester Versorgung mit Wasser und Nährstoffen schon im ersten Standjahr ab.

Häufig ist zu sehen, wie vom Pilz attackierte Hainbuchen unterhalb oder neben den infizierten Stammbereichen versuchen, eine zweite Krone, die sogenannte Sekundärkrone, zu bilden. Ob es den Bäumen dadurch gelingt, das eigene Leben zu retten, hängt allein von deren individuellen Kraft ab, den Neuaustrieb gegen den Pilz abzuschotten. Doch Anthostoma ist äußerst aggressiv und treibt seine Fäule keilförmig durch die Rinde und das Kambium (Wachstumsgewebe) über das Splintholz bis ins Kernholz hinein. Es lässt somit seinen Wirten wenig Überlebenschancen.

Wieso Hainbuchen so oft als Stadtbäume gepflanzt werden: Helles und hartes Holz

Die Hainbuche wird wegen ihres sehr hellen und harten Holzes auch „Weißbuche“ oder „Eisenholz“ genannt. Aufgrund ihrer sehr guten Eignung als Heckenpflanze wird sie darüber hinaus als „Hagebuche“ bezeichnet. „Hag“ ist ja ein regional durchaus geläufiges Wort für Hecke. Die jungen Blätter der Hainbuche sind essbar und können für gesundheitsfördernde Tees verwendet werden. Wahrscheinlich deswegen ist sie in der keltischen Mythologie der Baum der weisen und kräuterkundigen Frauen, der Hexen.

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Im Althochdeutschen bedeutet das Wort „Hagzissa“ oder „Hagazussa“ sowohl Hainbuche als auch Hexe. „So sitzt die Hagazussa auf einer Hainbuche in der die Wildnis von der Zivilisation abgrenzenden Feldhecke. Sozusagen auf der Nahtstelle der Welten, mit einem Bein innerhalb und mit dem anderen Bein außerhalb der Kultur“, wie es der bekannte Heidelberger Ethnologe Hans Peter Duerr beschreibt.

Oder im übertragenen Sinn: Mit einem Bein im sicheren Hafen des Rationalen, mit dem anderen in der triebhaften, gefährlichen und gespenstischen Welt des Irrationalen. Wenn die Hainbuche nun langsam aus unserem Blickfeld verschwindet – wie lange wird dann noch ihre längst schon verblassende kulturhistorische Bedeutung im Gedächtnis der Gesellschaft fortleben?

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