Schwetzingen. Dekan Uwe Lüttinger und Joseph Haydn scheinen eine Gemeinsamkeit zu haben: Beide sind (oder waren) katholisch, gläubig – und lieben gute Witze. So betete Haydn als frommer Katholik gerne, wenn er wieder einmal bei einer seiner zahlreichen Kompositionen an Ideenlosigkeit verzweifelte. Dabei blieb er aber stets optimistisch – und am Hof der ungarischen Magnatenfamilie Esterházy war der Komponist aufgrund seiner humorvollen Art wohl besonders beliebt. So stocksteif die geistlichen Werke anderer auch vereinzelt klingen mögen, so spielerisch verarbeitete Haydn seinen christlichen Glauben in Musik.
Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass sich dieser teils scherzhafte Umgangston auch immer wieder in seinen Werken spiegelt. Und dass beim Ostersonntagsgottesdienst in der Schwetzinger Kirche St. Pankratius mit Dekan Uwe Lüttinger jetzt ausgerechnet Haydns „Nikolaimesse“ erklang, die ja eigentlich als Adventsmusik komponiert wurde, passt daher haargenau.
Haydns Humor bereichert Ostersonntagsgottesdienst in Schwetzingen
Zwischen den offiziellen Gottesdienstabschnitten bot der Kirchenchor mit ausgewählten Solisten, zusammen mit Musikern des philharmonischen Orchesters der Stadt Heidelberg und unter der Leitung von Professor Stefan Zöllner-Dressler Joseph Haydns Meisterwerk auf eine sehr zugängliche Art und Weise dar.
Haydn geriet beim Schreiben seiner „Missa Sancti Nicolai“, kurz „Nikolaimesse“ in Zeitnot, trotzdem fließt die Musik durchweg in gleichmäßigen Bahnen. Denn durch den „pastoralen“ Klang dieses Werks, der sich charakteristisch mit einem wiegenliedähnlichen Sechsachteltakt bemerkbar macht, bekommt Haydns „Nikolaimesse“ einen beruhigenden, eingängigen Unterton. Und das gelingt, obwohl die Musik in ständiger Bewegung ist.
Immer wieder schnellen Melodiefetzen entlang der G-Dur-Tonleiter flink empor, verfolgen und imitieren sich, um sich genauso schnell wieder ruhig in die Wiege des Sechsachteltaktes einzubetten. Dabei werden alle Instrumentalisten stark gefordert: die Orgel ebenso wie Hörner, Fagott, Oboen und Streicher. Die Orchestermusiker schafften es unter der Leitung von Professor Zöllner-Dressler durch ihre enorme Spielfreude, das launische Momentum von Haydns Nikolaimesse stets beizubehalten.
Haydns musikalische Verbindungen im Gottesdienst entdeckt
Wer genau zuhört, entdeckt außerdem eine kleine Besonderheit an Joseph Haydns „Missa Sancti Nicolai“. Die liturgischen Bestandteile einer Messe haben eine genau festgelegte Abfolge: „Kyrie“, „Gloria“, „Credo“, „Sanctus“ (mit Hosanna und Benedictus) und „Agnus Dei“. In jedem dieser Formteile wird liturgischer Text verarbeitet.
Haydn verleiht dem Werkabschnitt „Dona nobis pacem“ („Gib uns Frieden“) aus dem Teil „Agnus Dei“ die gleiche musikalische Gestalt wie dem „Kyrie“-Teil – wahrscheinlich ist diese Entscheidung eben jenem Zeitdruck geschuldet, den Haydn beim Komponieren seiner „Nikolaimesse“ hatte. Diese sehr besondere Verbindung zeigte das Orchester samt seiner Solisten wunderbar auf. Es war zu hören, dass die Strukturen des Werkes nicht bloß rezitiert, sondern verstanden wurden.
Harmonische Darbietung der "Nikolaimesse" begeistert Publikum
Die Gestaltung der Phrasen und der Melodie sowie der Einsatz der weise ausgewählten Solisten trug zu einem harmonischen Gesamtklang bei. Immer wieder übertrug sich der kompositorische Charme, mit dem Haydn teilweise auch in einer ernsten Messe witzelt, auf das Orchesterspiel. Das war nicht zuletzt Professor Stefan Zöllner-Dressler zu verdanken, der seine Musiker immer eng bei sich führte und seine Interpretation der „Nikolaimesse“ auf diese Weise sehr beeindruckend umsetzte.
Als der letzte Ton des „Agnus Die“ verklang und die Messe dadurch beendet war, zeigte sich das Publikum gerührt. Manch einer tuschelte mit dem Nachbarn – und das Kirchenschiff vibrierte sanft nach. Danach zeigte Dekan Uwe Lüttinger, warum er sich mit Joseph Haydn wohl sehr gut verstanden hätte: Aus dem Ostersonntagsgottesdienst verabschiedete er die Gemeinde ganz charmant und zwar mit einem Witz - wie passend. Denn die Leichtigkeit der Musik, die von allen Musikern aus Kirchenchor und Orchester sehr treffend interpretiert wurde, verlieh diesem Morgen etwas lustig Fröhliches – mit einem dennoch seriösen, pflichtbewussten Beigeschmack. Ein wenig erinnert das an genau den humorvollen Charakterzug, der Joseph Haydn so oft nachgesagt wird.
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