Xylon-Museum

Hochkarätige Drucke im Xylon-Museum Schwetzingen erstmals zu sehen

Kunstvolle Schätze aus der Sammlung von Otto Mindhoff sind im Schwetzinger Xylon-Museum bis 21. November ausgestellt. Sie zeigen Beeindruckendes von figürlich bis abstrakt.

Von 
Katja Bauroth
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„Ju“ Mindhoff und Dr. Kristina Hoge wärmen in der neuen Xylon-Werkschau Erinnerungen an die tollen Künstler der Ausstellung auf. © Bauroth

Schwetzingen. Beim Betreten des Ausstellungsraumes im Xylon-Museum in der Kronenstraße 17 fällt ein überdimensional großes Kunstwerk auf, um die zwei Meter hoch. Ein Mann mit Krone steht auf einem Tier, welches wiederum von den Händen eines am Boden Liegenden gehalten wird. Der Mann mit Krone hebt ein nacktes Menschlein, das die Hände hilfesuchend ausstreckt. Allein die Figuren wirken, als seien sie geschnitzt. Dieses Unikat aus dem Jahr 1998 stammt von Lothar Seruset und ist ein beeindruckender Holzdruck. Er gehört zu den kunstvollen Schätzen, die aus der Sammlung des 2019 verstorbenen Xylon-Gründers Otto Mindhoff (= 87) stammen. Freunde, Wegbegleiter und Kollegen, mit denen Otto Mindhoff zusammengearbeitet hat, haben ihm immer wieder Arbeiten geschenkt – Raritäten, Einzelstücke, die so noch nie gezeigt worden sind.

Jetzt gewährt das Xylon-Museum Einblicke in eine „Mikroauswahl“ dieser Werke, wie Gudrun „Ju“ Mindhoff, Witwe des Schwetzinger Künstlers, es beschreibt. „Hochdruckzone – zeitgenössische Druckgrafik aus der Sammlung Mindhoff“ lautet der Titel der beeindruckenden Präsentation, die ab sofort bis 21. November freitags bis sonntags, 14 bis 17 Uhr, im Xylon-Museum und Werkstätten in Schwetzingen zu sehen ist – und das bei freiem Eintritt.

Eines sollte man jedoch mitbringen: Zeit. Was hier an den weißen Wänden großzügig und damit fürs Auge sehr gut erfassbar aufgehängt wurde, birgt hochkomplexe Techniken, erzählt Geschichten, stupst die Fantasie an, wirbelt geradezu die Gedankenwelt durcheinander. Man muss ganz genau hinschauen, auch drei-, viermal, durchaus die Perspektive wechseln – nur so ist der Tiefgang zu erkennen, der hinter all dem Gezeigten steckt.

Grieshaber und das Schaf

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Ob Holz- oder Linoldruck – jedes Werk für sich überzeugt mit einer Fülle an Details, die der Betrachter entdecken und aufsaugen kann. Weitere vermitteln gern die Xylon-Ehrenamtlichen wie „Ju“ Mindhoff, die freilich jeden der Künstler selbst kannte beziehungsweise kennt. Die frühere Pädagogin und noch heute – mit fast 84 Jahren – leidenschaftliche Kursgeberin für Kinder und Erwachsene in den Xylon-Werkstätten saß oft mit ihrem Otto und dessen Kollegen zusammen. Bei einem guten Glas Wein wurde philosophiert und gefachsimpelt. „Bei HAP Grieshaber waren wir oft eingeladen. Als ich mal unter den Esstisch geschaut habe, saß da ein Schaf“, erinnert sie sich schmunzelnd, als sie von dem bekannten bildenden Künstler und letztlich Mentor vieler Grafiker Helmut Andreas Paul (HAP) Grieshaber (1909 – 1981) erzählt, „er war halt ein großer Tierliebhaber“. Auch Otto Mindhoff ging bei Grieshaber in die Schule, ebenso Horst Antes, von dem die berühmten „Kopffüßler“ in der Werkschau zu sehen sind. „Grieshaber war deren verbindendes Element. Und der mochte es übrigens gar nicht, wenn er kopiert wurde“, weiß „Ju“ Mindhoff noch. Daher sei es kein Wunder, dass sowohl Otto Mindhoff als auch Horst Antes ihre eigenen Wege gefunden hätten. Die figürliche Darstellung habe jedoch jeder beibehalten – so wie der große Meister.

„Ju“ Mindhoff kann auch genau beschreiben, welche Herstellungstechnik hinter den Arbeiten steckt, oftmals Prozesse, enorm aufwendig und Fingerspitzengefühl erfordernd. „Hier wurde mit einem Suppenlöffel per Handabrieb die Struktur geschaffen“, erzählt sie bei einem Werk von Marthel Wiegand. Die sei über 80 gewesen, als sie die ausgestellte Arbeit geschaffen hat, bei der Transparentpapier verwendet wurde.

Ästhetik trifft Technik

Apropos: Die Drucke sind auf zartem japanischen Papier bis hin zu dickem geschöpften Büttenpapier verewigt. Zwei Werke allerdings stechen heraus: die von Andrea Tewes. Tewes ist in den Xylon-Werkstätten aktiv und hat den Holzschnitt an sich als Objekt verewigt. „Sie arbeitet in der verlorenen Form“, verdeutlicht Kunstexpertin, Galeristin und künstlerische Xylon-Leiterin Dr. Kristina Hoge und macht einen unglaublich arbeitsreichen Entstehungsprozess deutlich: Die Holzplatte ist bei Andrea Tewes zum einen das Arbeitsgerät, das Schritt für Schritt immer wieder mit Farbe versehen gedruckt wird. Und dann ist es selbst ein Unikat, dass den Blick in dreidimensionaler Optik versinken lässt. Dass diese Gegenstandskunst mit den Titeln „Geöffnet“ und „Geschlossen“ an die Jahresringe eines Baumes erinnern, liegt vermutlich nicht allein im Auge des Betrachters . . .

Die Ausstellung ist in drei Bereiche geteilt – in figürlich, teilabstrakt und ganz abstrakt. Das Archaische, Klassisch-Expressionistische drücken Arbeiten aus, die etwa eine Hommage an Schriftsteller und Musiker wie Charles Bukowski, Witbold Gombrowicz und Carlos Gardel darstellen sollen. Die archaische Grundstimmung behält auch Kuenzi bei seinem Spiel mit Formen und Farben bei, die an ein Puzzle erinnern. Franka Bartholomäe setzt ebenfalls auf das Figürliche, arbeitet aber mit einer ganz eigenen, surrealen Bildsprache. Bettina von Haaren setzt auf lineare Darstellungen, auf sich überlagernde Strukturen, die eine Menge Raum zur Interpretation lassen.

Ein Hauch von Dadaismus gehört auch zur Werkschau genauso wie das Thema Typografie. Dieses greifen die Arbeiten von Künstlern der Rixdorfer Gruppe auf. Richtig viel los ist bei den Großformaten von Paul Kästner, der eigentlich Manfred mit Vornamen heißt. Ästhetik trifft hier auf Technik mit viel Hintergrund, alles wirkt geradezu verkopft. Es sind mit die farbigsten Arbeiten der Ausstellung. Dr. Kristina Hoge: „Je mehr Farbe, desto aufwendiger.“ Mit Paul Kästner gründete Otto Mindhoff einst die Künstlergruppe „mal 8“, davon kann „Ju“ Mindhoff erzählen.

Ja, und der Hausherr? Der darf natürlich auch nicht fehlen. Einer der berühmten Technoide von Otto Mindhoff hängt gleich neben der Eingangstür. Viele werden ihn vermutlich erst beim Hinausgehen entdecken, weil die Großformate gegenüber die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Der technische Kopf stammt aus einer früheren Phase, Ende 1970er Jahre, schätzt „Ju“ Mindhoff. Die Arbeit bildet den Übergang zu seinen großen Technoiden, die den Menschen als gesteuertes Objekt besser nicht darstellen könnten und im Zuge der heutigen Digitalisierung aktueller denn je sind.

Ordnen der Arbeiten

Es sind nicht nur Otto Mindhoffs Arbeiten, die das Rückgrat des Xylon-Museum und Werkstätten bilden. Der Verein um den Vorsitzenden Dr. Wolfgang Naumer möchte den Druck als Kunstgenre wahren und ihn vorantreiben. Dafür braucht es allerdings mehr als „nur“ Gäste in kostenlosen Ausstellungen. Dr. Kristina Hoge macht es deutlich: „Uns fehlt es an Geld und an Ehrenamtlichen.“ Allein die vielen vorhandenen Kunstwerke einmal anständig zu katalogisieren und zu ordnen, die in der Mindhoff-Sammlung schlummern, das wäre etwas für die Abschlussarbeiten von Bachelor- oder Masterstudenten, regt sie an. Mindhoffs Sohn habe schon in die Werke seines Vaters eine Menge Struktur reingebracht in den vergangenen Jahren, erzählt „Ju“ Mindhoff, „doch ich möchte, dass das Œuvre von Otto in gute und passende Hände kommt“, sagt sie in Bezug auf das Gesamtwerk.

„Kunst ist was Aufregendes.“ Dieser Satz von „Ju“ Mindhoff trifft vollends auf die Ausstellung im Xylon-Museum zu, die – gut gelüftet – mit Maske und 3 G besucht werden kann und sollte!

Autor Katja Bauroth liebt Begegnungen und Storys - im Lokalen und auf Reisen.

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