Schwetzingen. Welche Möglichkeiten hat der Mensch zur Selbstbestimmung am Lebensende, wie kann er vorsorgen? Wem kann er die Vollmacht geben, die seinen Willen in entsprechender Situation umsetzt? Das sind wichtige Fragen, auch gerade in einer Zeit, in der Gesetzesvorlagen über die erlaubte Beihilfe zum Suizid im Bundestag geprüft werden. Die Hospizgemeinschaft Schwetzingen hat dazu Antworten.
Zum Auftakt der Hospiztage gestaltete das Team „Vorsorge“ einen Informationsabend in der Volkshochschule Bezirk Schwetzingen. Die Referenten Wolfgang Kritzer und Markus Ullrich freuten sich über den großen Andrang zu diesem ernsten und wichtigen, oftmals noch wie ein Tabu behandelten Thema, denn die meisten Menschen möchten sich eigentlich nicht zu Lebzeiten mit dem Sterben auseinandersetzen.
Der Einstieg in den Abend war musikalisch und durchaus vergnüglich. Der Mannheimer Musiker Andreas Rathgeber spielte mit seinem Akkordeon einige Lieder, die sich auf Tod und Sterben beziehen. Das „Totengräberlied“ von Ludwig Christoph Heinrich Hölty (1748-1776) war ebenso zu hören wie das schräge Stück „Die Nachtigall“ aus eigener Feder. Bei Erich Kästners vertontem Gedicht „Hunger ist heilbar“ und beim schwarzhumorigen „Biddla Buh“ von Georg Kreisler durfte auch geschmunzelt werden. Viel Applaus gab es allemal für den Musiker.
Dokumentenmappe hilft
Die Überleitung zum Thema Tod war dann nicht schwer. Die Hospizgemeinschaft Schwetzingen, eine Regionalgruppe der Internationalen Gesellschaft für Sterbebegleitung und Lebensbeistand (IGSL-Hospiz), bietet die ambulante Betreuung Schwerstkranker, Sterbender und ihrer Angehörigen, Vorträge und Seminare über Sterben, Tod und Trauer, Trauerbegleitung durch Einzelgespräche, geschlossene oder offene Trauergruppen sowie kostenlose Beratung zu Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen.
„Vorsorge wird oft stark vernachlässigt“, führte Wolfgang Kritzer aus und erläuterte den Sinn der Vorsorgemappe, die man bei der Hospizgemeinschaft erwerben kann: „Man tut etwas für sich und bringt Konturen in sein Leben, auch für die nächsten Angehörigen.“ Die rechtsgültige, dem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs angepasste Mappe mit allen notwendigen Vordrucken für die Vorsorge im Alter sei zwar viel Papier, aber durch die mitgelieferte Gebrauchsanweisung gut zu bewältigen: „Gehen Sie guten Mutes an das Thema dran.“
Markus Ullrich erklärte die einzelnen Vordrucke. Mit der Patientenverfügung wird festgelegt, wie die Wünsche bezüglich der medizinischen Behandlung am Lebensende aussehen, wenn man einmal nicht mehr selbst entscheiden kann. Die Vorsorgevollmacht für persönliche Angelegenheiten ernennt einen oder auch zwei Bevollmächtigte, die den Auftrag bekommen, diese Entscheidung zur Durchsetzung der Patientenverfügung zu treffen. Eine Vollmacht für Rechtsgeschäfte aller Art bevollmächtigt eine Person, alle vermögens- und zivilrechtlichen Angelegenheiten zu regeln.
Die Betreuungsverfügung bestimmt, welcher Mensch des Vertrauens vom Vormundschaftsgericht als Betreuer zu bestellen ist. Die Betreuung ist die Alternative zur Vollmacht. Die Behandlungsvereinbarung legt bei einer unaufhaltsam fortschreitenden Erkrankung mit dem Bevollmächtigten oder Betreuer und dem Arzt fest, was im Falle der nächsten Krankheitsstufe gemacht werden soll.
Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, dazu gehört das Recht, auch das Lebensende frei zu bestimmen. „Gedanken zu meinem Sterben“ heißt der Vordruck, mit dem festgelegt wird, wie der Mensch sich seine letzte Lebensphase vorstellt und wie es unmittelbar nach seinem Tod weitergehen soll. Außerdem beinhaltet die Mappe einen Notfallausweis.
In der Diskussion wurde Vieles deutlich. Beim Tod eines Menschen sind die Hinterbliebenen in einer Extremsituation. Die Patientenverfügung hilft, aufkommende Fragen zu klären. Damit tut man nicht zuletzt auch den Angehörigen einen Gefallen. „Was drinsteht, gibt Sicherheit“, meinte Kritzer. Ab dem Alter von 18 Jahren sollte jeder eine Patientenverfügung anlegen, denn „jede einwilligungsfähige volljährige Person kann eine Patientenverfügung verfassen, die sie jederzeit formlos widerrufen kann“, gingen die Referenten auf den BGB-Paragrafen 1901a ein.
Die IGSL-Vorsorgemappe erfahre regelmäßige Anpassungen an Gerichtsurteile und medizinische Fortschritte, sagte Kritzer. An so einem Abend könne man ohnehin nur Grundkenntnisse erwerben, „aber keine Angst, das Begleitheft beantwortet alle Fragen“, versicherte Ullrich. Die Experten der Hospizgemeinschaft geben zudem kostenlose Hilfe beim Ausfüllen der Papiere. Dazu können Interessierte einen Beratungstermin vereinbaren. „Wir haben Zeit für alle, die uns brauchen“, heißt es auf der Homepage der IGSL-Regionalgruppe, die sich durch Mitgliedsbeiträge, dem Verkaufserlös von Hospizliteratur und Vordrucken von Patientenverfügungen sowie durch Spenden finanziert.
Kontakt: Hospizgemeinschaft Schwetzingen, IGSL-Hospiz-Regionalgruppe, Marktplatz 28, 68723 Schwetzingen, Telefon 06202/40 91 00 9, E-Mail hospizgemeinschaft@web.de.
Tipp: Montag, 15. Mai, 18.30 Uhr, Palais Hirsch, Podium zum Thema Hospizarbeit (Eintritt frei).
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen_artikel,-schwetzingen-hospiztage-schwetzingen-frueh-mit-dem-tabuthema-tod-beschaeftigen-_arid,2083158.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen.html