Fluthilfe

In Sinzig weiß jeder um die Hilfe aus Schwetzingen und der Region

„Was die Menschen in der Region Schwetzingen für uns tun, ist unbeschreiblich“, sagt Sinzigs Bürgermeister Andreas Geron. Ein Besuch in der von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Stadt.

Von 
Katja Bauroth
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Sinzig. Es kam nicht oft in den zurückliegenden Wochen und Monaten vor, dass Andreas Geron gute Nachrichten vermelden konnte. Dieses Mal lächelt der Bürgermeister von Sinzig sogar bei unserem neuerlichen Treffen in der Barbarossastadt.

Er nimmt sich gerne Zeit, um über den Stand der Dinge fast vier Monate nach der Flut zu sprechen. Zuerst möchte er ein Dankeschön in Richtung Kurpfalz loswerden: „Was die Menschen in der Region Schwetzingen für uns tun, ist unbeschreiblich“, würdigt er die vielen Spender und das Engagement der Kommunen im Einzugsgebiet dieser Zeitung, die mit unserem Verlag eine großangelegte Unterstützung auf den Weg gebracht haben. Jeder Euro wird gebraucht, jede helfende Hand ist willkommen. Nach wie vor und auch weiterhin.

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Die Hilfe von außen ist wichtig für die betroffenen Kommunen, erzählt der Stadtchef, und zwar in allen Belangen. „Was die Stadt tun kann, hat sie gemacht und das gut“, formuliert er in Bezug auf die Aufräumungsarbeiten. Denn obwohl die Beseitigung von Müll und Sperrmüll Aufgabe des Kreises Ahrweiler wäre, hat die Stadt hier eingegriffen – zwangsweise, da die Kapazitäten des Kreises aufgrund des Ausmaßes der Katastrophe völlig ausgeschöpft sind. Überhaupt sprach er von einem Zusammenhalt der „kommunalen Familie“, sprich der betroffenen Orte im Einzelnen.

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Vom Land Rheinland-Pfalz käme, was zumindest Manpower betrifft, nichts. Der Bedarf an Kräften wurde zwar abgefragt, sogar mehrfach, doch darüber hinaus passierte nichts. Es herrscht Personalmangel zur Abwicklung etwa von Anträgen. Dem Kreis geht es eben da nicht anders als den Kommunen. „Der Bund hilft da eher und auch die Stadt Mainz“, macht Geron die verzwickte Lage deutlich. Vor allem im Bereich Ordnung und Sicherheit sowie bei Soziales wie den Kindertagesstätten würden in Sinzig Fachleute gebraucht, ähnlich sieht es in anderen Städten und Gemeinden des Flutgebietes aus. Hinzu käme, dass Kommunen Liquiditätsschwierigkeiten hätten, „hier könnte auch das Land zwischenregulieren, aber das wurde abgelehnt“, so Geron. Sinzig habe dieses Problem noch nicht, da große Maßnahmen noch nicht angestoßen werden konnten.

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Fruchtbarer Schlamm

Doch nun mal zu guten Nachrichten: Das Hochwasser führte in Sinzig nicht zu den Bodenbelastungen wie befürchtet, sondern nur punktuell. Heißt: Es müssen weniger Böden – auch in privaten Gärten – abgetragen werden als anfangs gedacht. Das wäre nicht nur mit enormen Aufwand verbunden gewesen, sondern auch mit ordentlichen Kosten für den Einzelnen. Die Schlämme, die angespült wurden, sind sogar fruchtbar. Das zeigt unter anderem im Stadion des SC Rhein-Ahr Sinzig. Sonnenblumen, Raps und Kohlrabi wuchsen dort in den vergangenen Wochen, wo einst gekickt und gerannt wurde.

Und da wären wir auch schon wieder bei schlechten Nachrichten, die örtlichen Fußballvereine betreffend: Sowohl das Gelände der SC als auch das des FC Bad Bodendorf liegen nun laut neuen Karten, die nach der Flut vom 14. Juli 2021 erstellt wurden, in einer Zone, in der nicht gebaut werden sollte. Gerade für versicherungstechnische Gründe ist dies ausschlaggebend.

„Die Sportplätze sind unser größtes Problem“, zieht es Andreas Geron Sorgenfalten auf die Stirn. Ausweichflächen in sichere Zonen gäbe es für beide, doch gerade der FC Bad Bodendorf hat die jetzige Fläche über Jahre gepachtet und dort kurz vor der Flut mit dem Bau des Kunstrasenplatzes angefangen (wir berichteten). Es geht dabei auch um Bestandsschutz. Das Stadion lag recht nah zu den Schulen. Für den Ausweichplatz müssen die Kinder dann etwas weitergehen, was jedoch zu bewältigen sei. Positiver Aspekt bei den neuen Ausweisungen: Es liegen keine Häuser in der schraffierten und damit in der Risikozone. In anderen Orten sieht es da ganz anderes aus, dort stehen ganze Wohngebiete vor dem Aus.

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„Weiße Ware“ ist gefragt

Das macht Hoffnung, lässt Planungen zu. Das brauchen die Menschen im Ahrtal genauso dringend wie funktionierende Heizungen, Strom und Elektrogeräte. Letztgenanntes wird bei einem Besuch des „SpAHRmarktes“ deutlich, der in einer ehemaligen Zeitungsdruckerei eingerichtet wurde und Anlaufstelle für bedürftige Menschen ist, die sich mit Kleidung und Alltagsgegenständen aus zweiter Hand hier günstig eindecken können.

Dicke Winterbettwäsche sowie warme Kleidung für Kinder und Erwachsene sind derzeit stark gefragt, mehr noch „weiße Ware“, also funktionstüchtige Kühlschränke, Gefriertruhen, Waschmaschinen, Trockner und Herde, aber auch Kleingeräte wie Mixer, Toaster, Teekocher und Kaffeemaschinen. Leider gäbe es immer wieder Menschen, die Geräte abgeben, die nicht richtig oder gar nicht mehr funktionieren, erzählen die Ehrenamtlichen vor Ort, die sich übrigens jederzeit über Hilfe beim Sortieren der zig Spendenkartons freuen. Diese koordiniert Ulrike Michelt, die auch Ansprechpartnerin für jene Dinge ist, die gerade benötigt werden – Telefon 0173/8 75 74 40.

Hoffen auf ein Tiny House

Im „SpAHRmarkt“ steht ein junger schmächtiger Mann: Mikail Ibragimov hält einen fliederfarbenen Winteranzug für seine zweijährige Tochter in der Hand und ein paar Winterschuhe in seiner Größe. Der 32-jährige Tschetschene lebte mit seiner Frau und den drei Kindern (zwei, neun, zehn Jahre) im Erdgeschoss eines Hauses in Sinzig, das von der Flut zerstört wurde. Das Wasser stand bis unter die Decke, überall war dicker Schlamm, erzählt er und ist froh, dass sie es alle heil rausgeschafft haben. Sie haben nur noch das, was sie am Leib trugen, alles andere ist zerstört. Zu fünft bewohnt die Familie seit Wochen einen Raum in einem Container. Jetzt hoffen sie darauf, in einem Tiny House unterzukommen.

Mit Spendengeldern aus der Aktion „Deutschland hilft“ werden gerade 42 dieser kleinen Behausungen in der Kölner Straße in Sinzig und im Kurpark vom Stadtteil Bad Bodendorf aufgebaut. Sie werden für 90 von der Flut betroffenen Personen bereitgestellt, vornehmlich Familien mit Kindern, die gleichzeitig Hauseigentümer sind und die vor Ort ihr Eigentum wieder aufbauen. Per Punktleitsystem, so hat es der Sinziger Stadtrat gerade entschieden, erfolgt die Zuteilung.

Die Häuser haben ein Standardmaß 8,50 Metern Länge und vier Metern Breite und je nach Ausführung eine Wohnfläche von rund 34 Quadratmetern, dazu kommt eine Terrasse (2 x 4 Meter). Geplant ist eine Nutzung für ein Jahr, bei Bedarf auch länger. Bis dahin müssen sich die Nutzer eine eigene neue Bleibe gesucht oder die bisherige saniert haben, sodass sie wieder bezogen werden kann. Die Miete soll sich einheitlich auf 400 Euro belaufen, die Nebenkosten sind dabei eingeschlossen. Nach der Nutzung gehen die Häuser in das Eigentum der Stadt Sinzig über und können als Übergangswohnung für andere gemeinnützige Zwecke verwendet werden, verdeutlicht Bürgermeister Andreas Geron.

Wer hilft, Treffpunkte zu schaffen?

Weihnachten in eigenen vier Wänden: Ein hoffnungsvoller Ausblick für jene, die eines der Mini-Häuser beziehen dürfen. Andere hingegen sind weiter bei Familie und Freunden untergekommen, arrangieren sich mit den Notunterkünften oder hausen in ihren eigenen Wohnungen, die sie nebenher sanieren. Die Normalität ist von Sinzig, vom Ahrtal, von den betroffenen Flutorten noch weit, weit entfernt. Und doch ist der Wunsch danach groß und sei es nur durch ein bisschen Gemütlichkeit und Charme vor der eigenen Haustür.

Bürger von Sinzig sind an Klimaschutzmanagerin Clarissa Figura herangetreten mit einer Bitte, bei der auch wiederum Spenden und ehrenamtliche Hilfe unterstützen können – auch aus Schwetzingen und Umgebung. Die Menschen wünschen sich nämlich begrünte und bepflanzte Treffpunkte, vielleicht sogar Sitzmöglichkeiten unter einer Überdachung – einfach, um an der frischen Luft zusammenzukommen, Geschehenes zu verarbeiten. Orte hierfür sind beispielsweise die Gerhart-Hauptmann- und die Eichendorffstraße, aber auch der Herzog-Jülich-Ring, nennt Clarissa Figura Beispiele. Dort gab es schon grüne Oasen, die erst von Hochwasser und Schlamm überflutet, dann von Müll zugekippt worden sind. Punktuelle Spenden etwa von Baumärkten, aber auch Garten- und Landschaftsbauer oder tatkräftige Vereine könnten hier Nachhaltiges zur Freude der Menschen vor Ort schaffen – gerne bei Clarissa Figura in Sinzig melden, Telefon 02642/40 01 92, E-Mail: clarissa.figura@sinzig.de.

Helfen Sie mit und zeigen Sie, dass die Kurpfalz die Flutopfer in Sinzig nicht vergisst.

Autor Katja Bauroth liebt Begegnungen und Storys - im Lokalen und auf Reisen.

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