Schwetzingen. Gute Nachrichten für den Handel: Für das Jahr 2024 prognostiziert die Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar steigende Einzelhandelsumsätze vor Ort (wir berichteten). Der Onlinehandel habe in der Pandemie einen Hype erlebt, der zumindest vorläufig an sein Ende gekommen ist, kommentierte dazu IHK-Präsident Manfred Schnabel: „Es ist eben kein Naturgesetz, dass der Onlinehandel auf Kosten des stationären Handels wächst.“ Ein weiteres wichtiges Ergebnis: Innerhalb der Region kommt es zu Verschiebungen. Die Innenstädte, das gilt vor allem für Mannheim und Heidelberg, geben Umsatzanteile an die Stadtteile und das Umland ab. Mit Stadtmarketing-Geschäftsführer Oliver Engert sprechen wir über die Entwicklungen vor Ort.
Herr Engert, in der neuen IHK-Kaufkraftanalyse liegt beim regionalen Umsatzranking pro Einwohner Schwetzingen (13 124 Euro) erneut an der Spitze. Wie bewerten Sie dieses Ergebnis?
Oliver Engert: Ich freue mich natürlich, dass wir den Spitzenplatz verteidigen konnten. Unser Konzept für Schwetzingen funktioniert und unsere Tätigkeiten und Maßnahmen in Zusammenarbeit mit der Stadt beziehungsweise der Wirtschaftsförderung sind die Richtigen.
Die IHK hat für 2024 steigende Einzelhandelsumsätze vor Ort prognostiziert. Gehen Sie bei dieser Prognose für Schwetzingen mit?
Engert: Ja. Ich erlebe viel Positives, was den Handel in Schwetzingen betrifft und gehe daher auch von steigenden Umsätzen aus. Aktuell sind wir gut aufgestellt und ich erhoffe mir vom neu gewählten Gemeinderat und bald auch von einem neuen OB, diesen Weg auch konsequent weiterzugehen.
Die Organisationen „Kauf da“ und „Deutschland kauf lokal“ haben eine Umfrage zum Thema „Bedeutung und Attraktivität der Innenstädte“ gestartet. Dabei wurde deutlich: 93 Prozent der 2000 Befragten ist es (sehr) wichtig, dass neben dem Onlinehandel auch stationäre Geschäfte vorhanden sind. Die direkte Mitnahme des Produkts (70 Prozent) wurde dabei unter anderem klar als Vorteil gewertet. Teilen Sie dieses Ergebnis auch für Schwetzingen?
Engert: Es ist schön, zu lesen, dass der stationäre Handel vielen Menschen sehr wichtig ist. Dafür muss aber auch im lokalen Geschäft eingekauft werden. Die Vorteile liegen auf der Hand und jeder kann seinen Beitrag dazu leisten.
Auch wurde bei der genannten Umfrage deutlich, dass sich 43 Prozent mehr Informationen über Angebote und Aktionen direkt von den Geschäften wünschen. Wie sehen Sie gerade auch bei letztgenannten Punkt den Schwetzinger Einzelhandel und auch das Stadtmarketing hier aufgestellt?
Engert: Ein erfolgreiches Marketing ist die Grundlage eines jeden Unternehmens. Jedoch ändern sich die Parameter im Laufe der Zeit. Werbung muss dort stattfinden, wo auch der Kunde ist. Ein Grund, warum wir mittlerweile neben klassischer und noch immer wichtiger Printwerbung unsere Stadt, den Handel und Veranstaltungen verstärkt Online bewerben. Kanäle wie Facebook, Instagram und Tik-Tok sind nicht mehr wegzudenken. Frei nach dem Motto: „Think global - act local“ (denke global, agiere lokal). Für die Zukunft wünsche ich mir die von vielen Parteien im Wahlkampf geforderte Stärkung des Stadtmarketings, um handlungsfähig zu bleiben.
Es heißt immer im Einzelhandel: Die gute Mischung macht’s. Nun gibt es in Schwetzingen beispielsweise für Herrenmoden nur eine begrenzte Auswahl, nachdem zwei Geschäfte im Vorjahr beziehungsweise dieses Frühjahr geschlossen haben. Gibt es konkrete Maßnahmen, um gewisse unterrepräsentierte Bereiche zu pushen oder sehen Sie da gar keine Veranlassung?
Engert: Eine gute Mischung im Einzelhandel ist essenziell, um auch in Zukunft gegen unsere Konkurrenz - und damit meine ich nicht nur den Onlinehandel - sondern vor allem auch größere Städte oder Einkaufszentren bestehen zu können. Jedoch leben wir in einer freien Marktwirtschaft. Meine Gespräche mit den Ladeninhabern machen deutlich, dass sich zum Beispiel die von Ihnen angesprochene Herrenmode in Relation zu der Ladenfläche als wenig rentabel erweist. Es gibt aber noch weitere Ideen, wie Pop-up-Stores. Gerade letzte Woche habe ich mich diesbezüglich in einem Workshop mit der IHK und anderen Städten zu deren Erfahrungen und Förderungsmöglichkeiten ausgetauscht.
Was fehlt im Handelsangebot der Stadt Ihrer Meinung nach noch?
Engert: Inhabergeführte Einzelgeschäfte werden in Zukunft den Unterschied machen. Wir sehen in Großstädten und Einkaufszentren fast nur noch die bekannten Marken. Eine Chance für uns, sich abzusetzen.
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Sehen Sie den Einzelhandel im Innenstadtbereich generell gut aufgestellt?
Engert: Grundsätzlich ja. Aber wir müssen jetzt die Transformation schaffen. Gerade im Bereich Digitalisierung. Die zukünftigen Käufer haben andere Ansprüche an den Einzelhandel. Von Bezahlmöglichkeiten über die von Ihnen vorhin schon angesprochene digitale Ansprache und Kommunikation.
Wie stehen Sie offensichtlichen Büro- und Serviceansiedlungen bei den Schaufensterfronten in „Flanier- und Verkaufsmeilen“ gegenüber?
Engert: Angebot und Nachfrage dominieren den Markt. Nach klassischem Einzelhandel haben wir konjunkturbedingt aktuell wenig Nachfrage und viele Vermieter legen Wert auf ein sicheres Einkommen aus ihrer Immobilie. Langfristig jedoch schadet dies der Innenstadt und führt zu einer Abwertung der Attraktivität unserer Innenstadt als „Flanier- und Verkaufsmeile“.
Abschließende Frage: Hätten wir eine Glaskugel, die uns aufzeigt, wie Schwetzingen in fünf Jahren in Sachen Einzelhandel und Attraktivität aussieht, was würden wir sehen?
Engert: Ich sehe ein „Gallisches Dorf“, welches sich im Vergleich zum Rest des Landes prächtig entwickelt hat. Ein vielfältiger Mix aus Einzelhandelsgeschäften und Filialen, ein grüner Stadtkern der zum Flanieren einlädt und direkt spüren lässt, dass alle an einem Strang ziehen.
Die IHK-Kaufkraftanalyse 2024 ist abrufbar unter www.ihk.de/rhein-neckar/kaufkraftanalyse
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