Interview

Joerg Steve Mohr zu "Mephisto" im Theater am Puls Schwetzingen

Im Schwetzinger Theater am Puls feiert das Stück "Mephisto" am 17. Februar Premiere. Intendant Jorg Steve Mohr spricht im Interview über die Herausforderungen, die die Inszenierung des Klassikers mit sich bringt.

Von 
Lukas Heylmann
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Marie Eberhardt (v. l.), Ole Pampuch, Johanna Withalm, Max Rohland, Georg-Alexander Geck in nicht finaler Kostümierung bei der Probe für das Stück „Mephisto“, das am 17. Februar im Theater am Puls Premiere feiern wird. © tap

Schwetzingen. Es ist kein alltäglicher Roman, den Klaus Mann mit „Mephisto“ geschrieben hat. Das liegt an den Verbindungen zur Realität in seiner Handlung und auch an der Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte. Am Freitag, 17. Februar, feiert „Mephisto“ im Schwetzinger Theater am Puls seine Premiere. Intendant Joerg Steve Mohr verrät davor, was der Stoff beinahe 90 Jahre nach seiner Veröffentlichung noch transportieren kann und wo die Herausforderungen beim Arbeitsprozess lagen.

Woher kam die Idee, „Mephisto“ aufzuführen?

Joerg Steve Mohr: Ich habe es im Berliner Ensemble in einer Inszenierung von Till Weinheimer gesehen und habe festgestellt, dass das Stück mich ziemlich bewegt hat. Zum einen als Theaterschaffender, weil mich natürlich die Frage bewegt, inwiefern man sich traut, Kritik zu äußern an einem System, von dem man letztendlich Geld bekommt. Zum anderen als Mensch, der sich fragt: „Wann äußere ich meine Meinung und wann nicht?“ Dazu kommt die Frage, wie viel Narzissmus in mir als Theaterschaffender steckt. Ich bin damit lange schwanger gegangen und habe schließlich Kontakt mit dem Berliner Ensemble aufgenommen. Till Weinheimer, der auch die Bühnenfassung geschrieben hat, hat sich sehr gefreut, dass das nicht in der Versenkung verschwindet. Ich habe mich dann reingearbeitet, den Roman gelesen, Interviews angeschaut, zum Beispiel mit Gustaf Gründgens, Klaus Mann oder Golo Mann, also alles, was ich so bekommen konnte. Und daraufhin habe ich entschieden, was ich an der Geschichte spannend finde und dass es für mich keine Abrechnung mit Gründgens ist. Es ist eine fiktive Geschichte, die ich unendlich interessant finde und dem habe ich mich gewidmet.

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"Mephisto" im Theater am Puls Schwetzingen: Dem Publikum Neues vermitteln

Es gibt kaum eine Zeit, der sich die Kunst in Deutschland so viel gewidmet hat, wie dem Dritten Reich. Was kann ein Werk wie „Mephisto“ einem heutigen Publikum noch Neues vermitteln?

Mohr: Ich kann sagen, was es mir vermittelt hat – und da war ich ja noch unbelesen. Es sensibilisiert einen zu einem Thema wie Kunstfreiheit, aber auch zu der Frage, wie leicht es denn ist, eine Meinung zu äußern. Wenn ich mit dem System befreundet bin, ist es sicherlich kein großes Problem. Wenn ich auf der entgegengesetzten Seite stehe, kommt die Frage auf, was es braucht, bis man sich äußert. Das ist ein Thema, das immer aktuell ist. Man bezieht ständig zu gesellschaftspolitischen Themen Stellung - wenn auch vielleicht nicht in dem Sinne politisch wie 1933 bis 1945. Da frage ich mich auch, wie schnell man sich zensiert, um Stress zu vermeiden. Wir haben gar nicht erst versucht, das in die heutige Zeit zu ziehen, da ich glaube, dass man den Transfer als Zuschauer ohne Probleme leisten kann.

„Mephisto“ zeichnet ein sehr kritisches Bild von seiner Hauptfigur. Wie fesselt man ein Publikum, wenn ein sympathischer Protagonist fehlt?

Mohr: Ich habe durchaus Verständnis für die Hauptfigur. Was mir schwerfällt, ist dieser ausgeprägte Narzissmus, aber auch den kann man verstehen, weil Hendrik Höfgen sich nie genügt, sich immer wieder beweisen muss und ein sehr geringes Selbstwertgefühl hat und das alleine verursacht ja schon Mitgefühl. Wenn ich weiß, dass diese Figur aufgrund von Komplexen handelt und ich die verstehen kann, dann kann ich ein ganz weites Stück mit ihr mitgehen. Irgendwann im Stück wird es schwer mit dem Mitgefühl, aber dann steckt Höfgen schon in einer so verstrickten Handlung, dass man wissen will, wie das Ganze eigentlich endet und das den Zuschauer fesselt.

Ole Pampuch beim gemeinsamen Probenspiel mit Darstellerin Johanna Withalm. © tap

Klaus Mann stellt Hendrik Höfgen als jemanden dar, der gerade auch wegen seines Talents als Schauspieler gesellschaftlich aufsteigt. Wie besetzt man eine solche Rolle?

Mohr: Man könnte jetzt sagen, der Traum wäre, man nimmt den größten Schauspieler Deutschlands und gibt ihm die Rolle. Denn ich denke, dass die richtig coolen Schauspieler, die mir einfallen, nicht so weit von Höfgen entfernt sind – wobei sie zurzeit das krasse Gegenteil des bestehenden Systems vertreten, weil sie es sich erlauben können – oft ist es ja auch en vogue, gegen bestimmte Dinge aufzubegehren. Wir erlauben uns, in unserer Demokratie, unsere Meinung zu sagen und je prominenter man ist, desto mehr hat man auch die Möglichkeit dazu. Ich glaube, man kann diese Geschichte ohne den besten Schauspieler Deutschlands erzählen, man braucht einfach einen sehr guten Schauspieler. Und mit Ole Pampuch haben wir einen wirklich ganz tollen gefunden. Man darf auch nicht unterschätzen, dass alle anderen Figuren super sympathisch und verständlich sein müssen, sonst funktioniert das System Höfgen nicht. Barbara zum Beispiel muss liebenswert sein, damit ich merke, dass Höfgen nicht nett mit ihr umgeht. Selbst Hermann Göring muss man in irgendeiner Form als Mensch darstellen, damit das Publikum sieht, wie Höfgen Zugang zu ihm findet. Das wird am Ende eine Ensembleleistung werden. Dabei spielt auch Daniel Prandl am Klavier eine Rolle, denn es ist eine sehr musikalische Produktion.

"Mephisto" im Theater am Puls Schwetzingen: Herausforderung beim Bühnenbau

Bei der Umsetzung eines Romans mit über 300 Seiten für die Bühne bleibt sicher etwas auf der Strecke. Wie entscheidet man, was erhalten bleibt?

Mohr: Man muss sich darüber klar werden, welche Handlungsstränge man unbedingt erzählen will. Es gibt andere Dramaturgen, die mehr Leidenschaft beim Streichen haben als ich. Für mich ist immer ziemlich vieles wichtig, aber meine Produktionen müssen auch nicht immer nur 80 Minuten dauern. Ich nehme mir die Zeit, die die Geschichte braucht. Bei „Mephisto“ werden es wohl zweimal 60 Minuten. Das ist dem Roman durchaus gerecht. Man muss sagen, dass „Mephisto“ kaum reine Stichwortgeber hat. Auch die Nebenfiguren machen eine Entwicklung durch, da könnte man über jede einen eigenen Roman schreiben. Ich schaue also darauf, was der Protagonist braucht, um weiterzukommen und in diesem Fall musste ich auch herausfinden, was die anderen Figuren brauchen, um ihre Geschichte zu Ende zu erzählen.

Die Geschichte von Klaus Manns „Mephisto“

  • „Mephisto – Roman einer Karriere“ erschien 1936 im Verlag Querido. Geschrieben hatte Klaus Mann ihn im Exil in Amsterdam, wohin der Schriftsteller 1933 nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler geflohen war.
  • Der Roman wird häufig als Schlüsselroman interpretiert – also als Darstellung einer wahren Geschichte. Nach dieser Deutung ist die Hauptfigur Hendrik Höfgen eine Darstellung des Schauspielers Gustaf Gründgens, der im Dritten Reich zum Staatstheaterintendanten wurde und den Hermann Göring aktiv förderte. Zudem war Gründgens kurzzeitig Manns Schwager gewesen.
  • Klaus Mann bestritt die Auslegung als Schlüsselroman mehrfach. In einem Telegramm an eine französische Zeitung schrieb er nach der Veröffentlichung von „Mephisto“, es handele sich dabei nicht um ein Porträt, sondern um einen symbolischen Typus.
  • Dennoch spielen zahlreiche Romanfiguren auf reale Persönlichkeiten an – neben Gründgens unter anderem auf Hermann Göring, Joseph Goebbels oder auch Klaus Mann selbst.
  • Gründgens Erbe Peter Gorski klagte erfolgreich gegen die Veröffentlichung des Romans in der Bundesrepublik. Erst 1981 erschien er hierzulande, trotz des Urteils, im Rowohlt Verlag. Zuvor war er 1956 in der DDR erschienen.

Waren die vielen verschiedenen Schauplätze des Romans eine Herausforderung beim Bühnenbau?

Mohr: Wir haben eine abstrakte Lösung gefunden. Natürlich werden wir nicht die Kneipe bauen, dann die Künstlergarderobe und dann wieder das Theater. Das ist nicht machbar und deshalb ist es eigentlich einfacher, weil das Bedürfnis wegfällt, den Orten gerecht zu werden. Stattdessen versucht man, ein Oberthema zu finden, in dem alle Szenen funktionieren können. Ich sehe das oft als Erleichterung. In dem Moment, in dem ich entscheide, dass ich keine Wand, kein Fenster, keine Tür brauche, entsteht etwas sehr Kreatives. Wir haben uns für Stufen entschieden, da kann man viel mit Machtposition und Status arbeiten.

"Mephisto" im Theater am Puls Schwetzingen: Figuren sind Schauspieler, Autoren oder Intendanten

Der Roman spielt vorwiegend in der Theaterszene, viele der Figuren sind Schauspieler, Autoren oder Intendanten. Inwiefern hinterfragt man sich da als Kunstschaffender während der Inszenierung auch selbst?

Mohr: Ich habe schon angefangen, mich wieder extrem zu hinterfragen, als ich das Stück gesehen habe. Bei den vier Wochen Vorbereitung war mir dann schon sehr viel klar. Ich habe mir viele Fragen aufgrund des Romans gestellt, den ich zweimal gelesen und viermal gehört habe. Ich bin da wirklich eingetaucht und habe mich permanent abgeglichen. In der Probenarbeit konnte ich dann meine Haltung überprüfen und habe dabei festgestellt, dass Klaus Mann etwas geschaffen hat, das in seiner Struktur sehr klar ist. Ich verstehe Höfgen. Da sind viele Teile von mir drin. Ich würde sagen, ich habe nicht so einen ausgeprägten Narzissmus, aber wann ich meinen Mund aufmache und wann nicht, habe ich mich im Prozess definitiv gefragt zum Beispiel.

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Hat ein Stück über die gesellschaftliche Aufgabe und Verpflichtung von Kultur in einer schweren Zeit für die Kunst und in den Nachwehen der Pandemie eine besondere Aussage- oder Strahlkraft?

Mohr: Was den Inhalt angeht, gibt es im Roman die Figur Hans Miklas, der dem Führer hinterherläuft und dann feststellen muss, dass er verblendet wurde, weil das, was er sich von seinem Führer erhofft hat, genau nicht passiert ist und es ihm nicht besser geht. Da sehe ich Parallelen zur Corona-Zeit, in der Menschen Umstürze wollten und sich mir die Frage gestellt hat, was denn danach stattdessen kommen soll. Was die Kunst betrifft, bin ich manchmal überrascht. Wir haben Phasen, in denen Vorstellungen wieder plötzlich ausverkauft sind und andere, in denen 30 bis 40 Leute im Theater sitzen. Da weiß ich nicht, ob das dann Corona ist oder etwas anderes. Fakt ist: Im Moment geht es wieder bergauf. Die Premiere war relativ schnell ausverkauft, es scheint zumindest ein interessantes Stück zu sein. Inwieweit die Zuschauer das als politisches Stück sehen oder als Werk von Klaus Mann oder Werbewirksamkeit wegen Klaus Maria Brandauer in der Verfilmung entsteht, das kann ich nicht ausmachen. Das lasse ich so ein bisschen auf mich zukommen und hoffe, dass es der richtige Zeitpunkt für das Stück ist.

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