Schwetzingen. Nikolaus Friedrich hat eine große Leidenschaft: die Klarinette. Dass die Musik seine Heimat ist, ist bei ihm mehr als eine Metapher: Friedrich denkt und äußert sich in Tönen, seit er als kleiner Junge die erste Klarinette in die Hand bekam. Schon damals drängte es ihn zum Üben, indem er sich Stellen, die ihm besonders gefielen, einprägte und weiterdachte. Und als er 1991 die Reihe „Ketsch Klassik“ initiierte, hätte sich niemand denken können, dass sie bis heute anhalten wird. Als langjähriger künstlerischer Leiter der Schwetzinger Mozartgesellschaft hat er einmal mehr das Profil des traditionsbewussten wie zukunftsorientierten Mozartfests geprägt. Das Phänomen Mozart in seinen Facetten zu befragen und vielfältig zu beleuchten, ist auch 2022 sein zentrales Anliegen. Dazu gestaltet er zwei Konzerte – am 1. und am 8. Oktober – persönlich mit.
Herr Friedrich, welche Beziehung haben Sie zu Ihrem Instrument, der Klarinette?
Nikolaus Friedrich: Da muss ich ein bisschen ausholen. Schon mein Urgroßvater und mein Großvater leiteten Blaskapellen und auch mein Vater hat dort Klarinette gespielt. Als ich fünf war, wollte auch ich unbedingt sein Instrument spielen. Dann habe ich eine Klarinette bekommen und mein Vater hat mir die Grundlagen gezeigt. Klarinettenunterricht hatte ich als Kind nicht, aber guten Klavierunterricht. In Stuttgart habe ich Schulmusik studiert, da brauchte ich zusätzlich zum Hauptfach Klavier ein Nebenfach, so lag es nahe, Klarinette zu nehmen. Ich hatte das große Glück, zur richtigen Zeit den richtigen Menschen zu treffen, der mir mit viel Aufwand und Zuneigung das professionelle Klarinettenspiel beigebracht hat. Später hatte ich noch einmal viel Glück, dass ich die Stelle beim Nationaltheater Mannheim als Soloklarinettist bekommen habe.
Das war ja nicht nur Glück, Sie waren mit Sicherheit ein sehr guter Klarinettist und das Nationaltheater brauchte solche Leute. Was ist das Besondere an diesem Instrument?
Friedrich: Als Kind wusste ich es natürlich nicht, aber je länger ich spiele, merke ich, was für ein außergewöhnliches Instrument die Klarinette ist. Sie hat unglaublich viele Ausdrucksmöglichkeiten, von ganz feinen bis ganz grellen Tönen, sie hat ein breites Spektrum und kann vielfältig eingesetzt werden. Nebenbei gesagt, sind zudem unglaublich schöne Stücke für sie komponiert worden.
Ihr Alltag war somit ausgefüllt mit einer dreifachen „Belastung“: Beruf, dann waren Sie als Solist und Kammermusiker viel unterwegs, und sind seit 2007 künstlerischer Leiter der Mozartgesellschaft Schwetzingen. Wie haben Sie das alles schaffen können und dazu auf höchstem Niveau?
Friedrich: Da kann ich wieder von Glück sprechen. Schon als Student hatte ich Gelegenheit, viel Kammermusik zu machen und das mit wirklich guten Leuten. Das ist nicht selbstverständlich. Was die Mozartgesellschaft betrifft: Mozarts Musik zieht mich bis heute in seinen Bann. Als Mozartstadt Schwetzingen mit einer Mozartgesellschaft bietet es sich an, die hohe Meisterschaft wie die Zeitlosigkeit seiner Kompositionen zu offenbaren. Dass ich als künstlerischer Leiter des Mozartfestes dies verwirklichen kann, erfüllt mich mit großer Freude, da wird einem nichts zu viel.
Zur Person: Nikolaus Friedrich
Nikolaus Friedrich, geboren und aufgewachsen in Schwäbisch Gmünd, zählt zu den gefragten Kammermusikpartnern und vielseitigsten Klarinettisten unserer Zeit.
Nach dem Abitur studierte er Klavier und Klarinette an den Musikhochschulen in Stuttgart und Düsseldorf. Nach Studienabschluss mit Auszeichnung haben Meisterkurse in England bei Thea King und Anthony Pay seine weitere Entwicklung als Klarinettist nachhaltig beeinflusst.
Neben seiner langjährigen und prägenden Tätigkeit als Soloklarinettist im Opernorchester des Nationaltheaters Mannheim konzertiert er regelmäßig als Solist mit namhaften Orchestern. Vor allem aber prägte seinen künstlerischen Weg die Liebe zur Kammermusik. Seine Kammermusikpartner sind namhafte Streichquartette wie das Minguet-Quartett, Amaryllis-Quartett, Vogler-Quartett und andere. Einen weiteren Schwerpunkt seiner künstlerischen Arbeit bildet die intensive Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Musik.
Nikolaus Friedrich tritt im TrioBuntrock, Friedrich & Rafalimanana mit Barbara Buntrock (Violine) und Yannick Rafalimanana, (Klavier) am Samstag, 1. Oktober, um 19.30 Uhr im Jagdsaal des Schlosses Schwetzingen auf. Werke: Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791), Sonate für Klavier und Violine Es-Dur KV 58 (in einer Einrichtung für Klarinette), Sonate für Klavier und Violine Es-Dur KV 481 (in einer Einrichtung für Viola), „Kegelstatt-Trio” für Klarinette, Viola und Klavier Es-Dur KV 498; Robert Schumann (1810 – 1856) „Fantasiestücke“ für Klarinette und Klavier op. 73, „Märchenbilder“ – Vier Stücke für Viola und Klavier op. 113, „Märchenerzählungen“ – Vier Stücke für Klarinette, Viola und Klavier op. 132.
Eliot Quartett & Nikolaus Friedrich sind am Samstag, 8. Oktober, 19.30 Uhr, im Jagdsaal des Schwetzinger Schlosses zu hören. Stücke: Wolfgang Amadeus Mozart, Streichquartett F-Dur KV 590 „3. Preußisches Quartett“; Detlev Müller-Siemens (Jahrgang 1957) „Subsong 3“ – Uraufführung; César Franck (1822 – 1890) Streichquartett D-Dur.
Sie sind seit 2007 für das Programm des jährlich stattfindenden Mozartfests verantwortlich. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass es Ihre eigene, unverwechselbare Handschrift trägt.
Friedrich: Schon von Anfang an habe ich mir vorgenommen, in den Konzerten Mozart aufzuführen, auch die weniger gespielten Werke. Das Salzburger Genie ist ja nicht auf zehn Stücke beschränkt. Mozart hat unglaublich viel komponiert. Wichtig ist mir aber auch, in den Konzerten immer Bezüge zu Mozart herzustellen. Im diesjährigen Programm wird ein Stück von Mozart meist Komponisten des 19. Jahrhunderts oder auch seinen Zeitgenossen gegenübergestellt. So gibt das renommierte „Trio Wanderer“ einen Überblick über die Entwicklung des Klaviertrios, indem es auf Mozarts spätes C-Dur-Werk Schumanns Trio in d-Moll und Schuberts himmlisches Es-Dur-Opus 100 folgen lässt. Das Schumann-Quartett geht sogar einen Schritt weiter. Von Mozarts Adagio und Fuge c-Moll spannt es einen Bogen bis hin zu Johannes Brahms, einem Vertreter der Romantik.
Dazwischen erklingt ein zeitgenössisches Werk. Zusammen mit dem Eliot-Quartett bringen Sie „Subsong 3“ des 1957 geborenen Komponisten Detlev Müller-Siemens zur Uraufführung.
Friedrich: Gerne würde ich viel mehr Musik zeitgenössischer Komponisten ins Programm aufnehmen, die Gema-Gebühren sind jedoch für unser Budget kaum darstellbar. Die Mozartgesellschaft gibt jährlich eine Auftragsarbeit an zeitgenössische Komponisten und die Musik von Müller-Siemens kenne ich seit vielen Jahren. Er hat Komposition in Paris bei Oliver Messiaen studiert. Das Besondere an „Subsong 3“ ist, dass hier die selten gespielte Bassettklarinette zum Einsatz kommt. Stücke für dieses Instrument hat zum letzten Mal Mozart für Anton Stadler komponiert, bis zur Moderne niemand mehr.
Ungewöhnlich ist auch der Trio-Abend am 1. Oktober im Jagdsaal. Hier haben die Musiker in den Sonaten von Mozart den Part der Violine für Klarinette und Viola umgeschrieben. Was macht den Reiz einer solch ungewöhnlichen Übertragung aus?
Friedrich: Mozart hat keine Klarinetten- und keine Bratschensonaten komponiert, weil es sich einfach nicht ergeben hat. Anders verhält es sich beim „Kegelstatt“-Trio, das in seiner Original-Besetzung erklingt. Das Werk entstand wohl eher zufällig beim Kegeln, wo die Instrumentalisten, Anton Stadler mit der Klarinette, Mozart mit seinem Lieblingsinstrument, der Bratsche, zusammenkamen. Dem stelle ich Kammermusik für Bratsche, Klavier und Klarinette von Robert Schumann gegenüber, denn diese Instrumente stehen bei Schumann exemplarisch für Musizieren in kleinem, intimem Rahmen.
Mozart im Kontext seiner Zeit, das gibt es auch beim Schwetzinger Mozartfest.
Friedrich: Ja, zum Beispiel das Eröffnungskonzert mit den Stipendiaten der Ponto-Stiftung. Das Philharmonische Orchester Heidelberg kombiniert im Konzert eine frühe Mozart-Sinfonie mit Bläserkonzerten von komponierenden Mitgliedern der Mannheimer Hofkapelle, Anton Rosetti, Ludwig August Lebrun und Peter von Winter.
Vielleicht nennen Sie zum Schluss einige Höhepunkte aus dem Programm des diesjährigen Mozartfests.
Friedrich: Neben der Oper „Bastian und Bastienne“ ist sicherlich das Konzert des Südwestdeutschen Kammerorchesters Pforzheim mit einem herausragendes Violin-Solisten zu nennen. Und zum Schluss gibt es als echtes Highlight am 9. Oktober die Matinee der Ausnahme-Pianistin Anna Gourari.
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