Soziales

Kleiderstube Schwetzingen platzt aus allen Nähten

Die Schwetzinger Anlaufstelle kann die Masse an Kleidungsspenden kaum mehr bewältigen. Das sind die Hintergründe.

Von 
Andreas Lin
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Immer wieder werden Altkleider einfach vor den Türen der Kleiderstube abgestellt. © Stadt Schwetzingen

Schwetzingen. Seit vielen Jahren ist die Kleiderstube in der Friedrichsfelder Straße 2 eine bewährte Anlaufstelle für Menschen, die gut erhaltene Kleidung spenden oder selbst günstige Second-Hand-Stücke kaufen möchten. Betrieben von engagierten Ehrenamtlichen, bietet sie Hilfe für Bedürftige und leistet zugleich einen wertvollen Beitrag zur Nachhaltigkeit. Doch inzwischen stößt die Einrichtung an ihre Grenzen - vor allem seit Inkrafttreten der neuen EU-Abfallrichtlinie. Und generell ist der Altkleidermarkt quasi zusammengebrochen. Wir betrachten das Thema von mehreren Seiten.

Die seit 1. Januar geltende EU-Verordnung verbietet die Entsorgung von Kleidung und Textilien über den Hausmüll. Nur stark verschmutzte oder verdreckte Stücke dürfen noch in die Restmülltonne. Alle anderen müssen über Altkleidercontainer oder Sammelstellen wie die Kleiderstube entsorgt werden.

Altkleiderkrise: Fast Fashion belastet Second-Hand-Märkte

Parallel dazu ist der internationale Markt für Altkleider eingebrochen. Billige Massenware aus der Fast-Fashion-Industrie überschwemmt die Weltmärkte – viele Stücke sind von so schlechter Qualität, dass sie sich kaum weiterverkaufen lassen. Die Erlöse für gebrauchte Kleidung sind in den vergangenen Jahren auf ein Viertel des früheren Wertes gefallen. „Früher konnten wir mit dem Verkaufserlös noch die laufenden Kosten decken“, erklärt ein Vertreter einer Sozialorganisation. „Heute müssen viele Einrichtungen sogar draufzahlen – allein um unbrauchbare Ware zu entsorgen.“ Die Folge: steigende Entsorgungskosten, überlastete Lager, rückläufige Spendenbereitschaft der Ehrenamtlichen.

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Immer häufiger ziehen Hilfsorganisationen oder gewerbliche Anbieter ihre Container aus bestimmten Stadtteilen ab, weil die Sammlung unrentabel geworden ist – auch in Schwetzingen sind es viel weniger dieser Sammelbehälter geworden. Und diese verbliebenen Container quellen oft über. Ein weiteres Problem: In immer mehr Altkleidercontainern landet Hausmüll, nasse Wäsche oder verschmutzte Textilien. „Solche Einwürfe verderben ganze Chargen“, erklärt der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU). „Die Sortierung wird dadurch extrem aufwendig und teuer.“

Herausforderung durch unkontrollierte Kleiderspenden und Lagerüberlastung in Schwetzingen

So steht seit Inkrafttreten der neuen EU-Abfallrichtlinie die Kleiderstube Schwetzingen vor einer enormen Herausforderung: Immer mehr Kleiderspenden treffen ein, die Lager platzen aus allen Nähten, teilt die Stadtverwaltung mit. Immer mehr Kleidung wird abgegeben. Verschärft wird die Situation durch die Tatsache, dass einige Spender große Müllsäcke und Kartons voller Kleidung außerhalb der Öffnungszeiten einfach vor die geschlossene Tür stellen. Nicht alles davon ist für den Weiterverkauf geeignet.

Dieser nicht für die Kleiderstube nutzbare Überschuss sei bislang von Freiwilligen des Roten Kreuzes (DRK) in Schwetzingen abgeholt worden. „Diese Möglichkeit entfällt jetzt, da das DRK seit einiger Zeit für die Altkleiderentsorgung bezahlen muss und sich das als gemeinnützige Organisation nicht leisten kann“, erklärt die städtische Pressesprecherin Andrea Baisch.

Nachhaltige Entsorgung: Alttextilien sinnvoll weitergeben und verwerten

Im Rhein-Neckar-Kreis wird die getrennte Sammlung von Alttextilien bereits seit dem Jahr 2014 durch die AVR Kommunal AöR umgesetzt. Durch die gesetzliche Verpflichtung zur getrennten Sammlung von Textilabfällen für öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger ab dem 1. Januar 2025 sei das Thema stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt, erklärt ein Sprecher der AVR auf Anfrage dieser Redaktion: „Deshalb erreichen uns mehr Anfragen.“

Diese Möglichkeiten zur Altkleiderentsorgung bietet die AVR

Die Abholung von Altkleidern in den von der AVR bereitgestellten Säcken am Grundstück ist nach vorheriger Anmeldung möglich. Informationen dazu findet man auf der AVR Internetseite https://www.avr-kommunal.de. Dort gibt es auch den Onlineauftrag zur Abholung. Weitere Infos dazu gibt es per Telefon 0726 /93 13 10 und E-Mail: auftragsannahme@avr-kommunal.de (online, telefonisch oder per E-Mail).

Angeliefert werden können die Säcke auch bei den AVR-Anlagen in Sinsheim, Wiesloch, Ketsch und Hirschberg sowie im Service-Center (Dietmar-Hopp-Straße. 8, Sinsheim). Oder sie können an zahlreichen Altkleidercontainern der AVR in Städten und Gemeinden des Rhein-Neckar-Kreises eingeworfen werden.

Die AVR-Kleidertauschbörse ist unter www.avr-kommunal.de/abfallberatung/abfallvermeidung/kleidertauschboerseauf zu finden.

Doch was soll man am besten mit Altkleidern machen? Welche Möglichkeiten bietet die AVR an? „Bürgerinnen und Bürger im Rhein-Neckar-Kreis haben mehrere verlässliche und gebührenfreie Möglichkeiten, ihre Alttextilien zu entsorgen“, teilt die AVR mit. Neben der Abholung am Grundstück und Anlieferung an den Abfallanlagen gebe es Aktionen wie die Kleidertauschbörse. „Wir setzen auf Abfallvermeidung: Nicht jedes Kleidungsstück muss entsorgt werden. Vieles kann weitergegeben oder wiederverwendet werden“, erklärt Pressesprecher Tim Heringer. Stücke, die so sehr verschmutzt oder beschädigt sind, dass sie nicht mehr wiederverwertet werden können, gehören in den Restmüll.

Die von der gesammelten Alttextilien und Schuhe werden zertifizierten Verwertungsbetrieben zugeführt, die diese sortieren und ordnungsgemäß verwerten. Tragbare Kleidung wird als solche wieder verwendet. Nicht mehr tragbare Textilien werden zu neuen Produkten, wie zum Beispiel Putzlappen, Auto- und Dämmmatten und Malervlies verarbeitet.

Herausforderungen und Dankbarkeit in der Kleiderstube

In der Kleiderstube haben letzte Lumpen nichts verloren. „Leider werden auch immer noch schmutzige, kaputte, nicht der Jahreszeit entsprechende Kleidungsstücke abgegeben“, heißt es seitens der Stadt. Diese Herausforderungen zwingen die Mitarbeiter der Kleiderstube dazu, dass abgegebene Kleidung mit dem Spender sortiert und gegebenenfalls auch abgelehnt wird. „Die Mitarbeiter der Kleiderstube bitten um Verständnis für diese Handhabe und freuen sich trotz allem über Kleiderspenden für die vielen Bedürftigen, die in Maßen und in gutem Zustand zu den Öffnungszeiten abgegeben werden“, heißt es weiter.

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Trotz aller Herausforderungen sei die Dankbarkeit derjenigen, die auf die Kleiderstube angewiesen sind, groß. Gerade in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten ist diese Einrichtung ein wichtiger sozialer Anker in der Stadt.

Redaktion Stv. Redaktionsleiter + Lokalsportchef Schwetzinger Zeitung

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