Schwetzingen. Aktuell gibt es nicht viele Kunstwerke, die sich so direkt mit der Coronapandemie auseinandersetzen wie die Keramikbüste „Corona und die Scheibe“, die zurzeit im Ausgangsbereich des Testzentrums Wollfabrik aufgestellt ist. Beim Betrachten fallen zunächst die aus dem Kopf ragenden roten Stacheln auf, die sofort Assoziationen an die kugelförmige Struktur des Coronavirus aufkommen lassen, sowie die weit ausgestreckten Arme. Die linke Hand balanciert eine Erdkugel, die rechte eine Scheibe. Geschaffen hat diesen echten Blickfang die Schwetzinger Künstlerin Hanne Plattner.
Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt sie die Entstehungsgeschichte dieser Plastik, die zum ersten Mal öffentlich gezeigt wird, was sie damit verdeutlichen will und woran sie zurzeit arbeitet.
Frau Plattner, Sie tragen einen berühmten Namen . . .
Hanne Plattner: Das ist kein Zufall, mit Hasso Plattner, dem Mitbegründer der SAP-Softwarefirma, bin ich tatsächlich verwandt, unsere Großväter waren Brüder, aber wir sind uns bisher nie begegnet.
Das kann sich ja noch ändern, vielleicht liest er das Interview und versucht, Sie zu kontaktieren . . .
Plattner (lacht): Schön wäre es, denn sein Engagement für die Kunst durch die Plattner-Stiftung ist ja bekannt und bewundernswert.
Wie kamen Sie eigentlich zur Kunst?
Plattner: Ich habe zwar Architektur studiert, was eigentlich auch zu den Künsten gezählt wird, war aber schon als Kind mit dem Modellieren von menschlichen Figuren aus Plastilin beschäftigt. Erst seit meiner Rentenzeit vor drei Jahren habe ich mich meiner Leidenschaft zugewandt, mich ausschließlich mit Kunst zu beschäftigen, vor allem mit dem plastischen Gestalten. Skulpturen zu kreieren, ist besonders spannend wegen der Dreidimensionalität, der sogenannten „Allansichtigkeit“, der Betrachtung von verschiedenen Seiten.
Haben Sie sich die technischen Grundlagen der Gestaltung selbst erarbeitet?
Plattner: Auf gewisse Weise ja. Um meine Technik zu perfektionieren, habe ich Workshops besucht, die etablierte Künstlerinnen anboten, zurzeit studiere ich an der Freien Kunstakademie Mannheim, wo ich Gelegenheit habe, Seminare in allen künstlerischen Bereichen wie Zeichnen, Malen, Plastik, Druckgrafik, Fotografie und Video zu besuchen.
Mit Ihrer Corona-Plastik haben Sie gleich ins Schwarze getroffen. Wie kam es zu Ihrer Entstehung?
Plattner: Auslöser waren die Arbeiten der Keramikkünstlerin Stephanie Marie Roos, die ich zufällig in der Galerie Bollhorst in Freiburg sah. Sie haben mich sehr beeindruckt und mir die Richtung gewiesen. Im August 2019 und 2020 nahm ich im Rahmen des Illenauer Kultursommers an Keramik-Workshops teil. Von Hannelore Langhans, die Frau Roos vertrat, habe ich Techniken gelernt, mit Hilfe derer ich meine Ideen künstlerisch umsetzen konnte. Gleichzeitig war ich immer schon an wissenschaftlichen Erkenntnissen interessiert. Nicht von ungefähr ähnelt die Krone meiner Plastik den Abbildungen des Coronavirus. Für mich ist es schwer nachvollziehbar, dass in einer so aufgeklärten Zeit, Menschen Gräben zwischen sich schaffen, indem sie an dunkle Verschwörungstheorien glauben bis hin zu der Theorie, dass die Welt eine Scheibe ist. Das beschäftigte mich und ich suchte eine Form, dies künstlerisch zum Ausdruck zu bringen. Vorbild war die Konstanzer Hafenskulptur „Imperia“ des Bildhauers Peter Lenk. Die satirische Darstellung des „Konzils von Konstanz“ beeindruckte mich sehr. Meine Figur hält in der einen Hand den Erdball, der auf die globale Bedrohung durch den Coronavirus hinweist, aber auch das Symbol der Aufklärung ist, und in der anderen Hand, die Erde als Scheibe, die an die 1956 gegründete „Flat Earth Society“ erinnert, Sie steht als Symbol eines drohenden okkulten Zeitalters, wie es schon einige in der Menschheitsgeschichte gegeben hat, für alle wirren Verschwörungstheorien und Fake News, die zurzeit über die Pandemie kursieren.
Virtuos, mit viel Witz und Ironie, spielen Sie auf etwas an, das eigentlich zum Nachdenken anregt. Wie kam es, dass die Arbeit in der Wollfabrik ausgestellt wurde?
Plattner: Nach ihrer Fertigstellung wollte ich sie gerne einer breiten Öffentlichkeit präsentieren. Ich wandte mich diesbezüglich an einige Schwetzinger Apotheken, wo sie sehr gut in die Schaufenster gepasst hätte, leider erfolglos. Joachim Schulz, Geschäftsführer der Wollfabrik, zeigte sich offen und war sofort einverstanden, sie auszustellen. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Schade nur, dass sie von der Straße her nicht zu sehen ist.
Gibt es weitere Arbeiten von Ihnen?
Plattner: Der Kunstverein Viernheim hat unter dem Titel „Ping Pong“ eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Freien Kunstakademie Mannheim und den Künstlernachlässen Mannheim ins Leben gerufen mit Gemälden, Zeichnungen und Installation von Studierenden, die sich von Arbeiten verstorbener Künstler inspirieren ließen. Darunter ist auch eine Keramikarbeit von mir. Dafür diente das Bild der Mannheimer Malerin Ute Petry „Ausgespielt“ von 1982 als Anregung, um eine Gruppe von sechs Händen zu erarbeiten, die beschützen und beschützt werden, von der Kunst erfasst werden wollen und gleichzeitig davon abgehalten werden.
Woran arbeiten Sie gerade?
Plattner: Zurzeit arbeite ich an einer Zweiergruppe aus Ton - zwei beste Freundinnen mit gleichen Wurzeln, von denen eine rückwärtsgewandt ist und die andere in die Zukunft blickt.
Sie sind Mitglied im Kunstverein Schwetzingen. Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Plattner: Ich wünsche mir sehr, diese Plastiken, aber auch weitere Arbeiten an einen prominenten Platz auszustellen, wo sie mehr Leute sehen können. Dafür habe ich einiges unternommen. Zum Beispiel habe ich den Künstlerischen Leiter des Kunstvereins Dr. Dietmar Schuth angeschrieben und ihm den Katalog der Viernheimer Ausstellung „Ping Pong“ beigelegt. Auch den Vorsitzenden des Xylon-Museums, Dr. Wolfgang Naumer, habe ich mich vorgestellt zwecks einer Präsentation von Druckgrafiken. Ich hoffe sehr, dass meine Bemühungen nicht im Sand verlaufen und dass ich weitere Werke in Schwetzingen ausstellen werde.
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