Schwetzingen. Bei der Polizei stehen sie nicht oft im Mittelpunkt. Aber wenn sich der Konzertsaal abdunkelt und das Bühnenlicht angeht, überraschen sie mit Können, Präzision und einer großen Klangvielfalt: die Musiker des Landespolizeiorchesters Baden-Württemberg. Die Spieler sind professionell an Musikhochschulen ausgebildet – und viele,, vor allem ältere Beamte, können einen musikalischen Wandel bezeugen. Denn die Polizeimusik hat sich im Lauf der Zeit enorm verändert. Heute gibt es nicht nur Märsche, sondern auch jazzige Big-Band-Sounds und große Symphonische Werke zu hören.
Das Landespolizeiorchester Baden-Württemberg gastiert auf Einladung des Lions Clubs Schwetzingen am Freitag, 21. Juni, um 20 Uhr im Lutherhaus in Schwetzingen. Dieses Konzert hat durch die Ereignisse vor zwei Wochen in Mannheim mit dem getöteten Polizisten Rouven Laur noch einmal eine besondere Note erhalten, wie der Lions Club mitteilt. „Der Lions Club Schwetzingen wird aus aktuellem Anlass das Benefizkonzert den Polizisten in der Region und dem Spendenaufruf für die Polizeistiftung Baden-Württemberg widmen. Wir möchten dadurch unsere Solidarität demonstrieren und hervorheben, dass Lions Club International zu Recht und Ordnung steht und damit vor allem auch für den Respekt für die gesamte Blaulichtfamilie“, teilt er mit.
Wir haben mit dem Dirigenten des Landespolizeiorchesters (LPO) Baden Württemberg, Professor Stefan R. Halder, über dessen Arbeit beim Orchester, über die Proben mit den Musikern und über sein besonderes Dienstjubiläum in Schwetzingen gesprochen.
Herr Professor Halder, beim Stichwort „Polizei“ denken die meisten an Blaulicht, Uniform und Handschellen – die wenigsten hingegen an Blasorchester. Warum gibt es Musiker bei der Polizei?
Professor Stefan R. Halder: Das Landespolizeiorchester ist eine gewachsene Institution und hat eine lange Tradition, die nun schon weit über 100 Jahre alt ist. Seitdem spielen unsere Musiker bei Staatsempfängen oder für die Besucher des Ministerpräsidenten. Aber auch bei kleineren Anlässen ist das Orchester ein fester Bestandteil – zum Beispiel, wenn neue Polizisten auf das Grundgesetz eingeschworen werden. Außerdem gibt es natürlich auch ganz normale Konzerte, wie das in Schwetzingen. Damit sind wir eine Art Bindeglied zwischen Polizei und Bürgern. Besonders erfolgreich funktioniert das in Baden-Württemberg, das ja bundesweit als „Blasmusik-Land“ Nummer eins gilt.
Das heißt, dass LPO hat eine repräsentative Wirkung?
Halder: Ja, das stimmt. Aber noch viel mehr. Besonders wichtig und schön ist es beispielsweise, wenn kleine Kinder ihren ersten (positiven) Kontakt zur Polizei durch uns erleben und sagen: „Die Polizei ist super.“ Durch unsere Musik hinterlassen wir einen guten ersten Eindruck, dieser kann den Kindern nicht mehr genommen werden. Durch mehr als 40 Benefizkonzerte pro Jahr spielen wir zudem viel Geld für die unterschiedlichsten Bereiche wie Ehrenamt, Jugend, Alter, Krankheit, und vieles mehr ein.
Wie ist der Weg von der Musikhochschule zum Polizeiorchester?
Halder: In der Regel werden unsere freien Stellen über ein Onlineportal ausgeschrieben. Ein abgeschlossenes Hochschulstudium und ein Probespiel sind dabei Voraussetzung. In mehreren Runden werden die Bewerber dann angehört und ausgewählt. Nach einem halben Jahr auf Probe gibt es dann eine weitere Abstimmung im Orchester, ob die Musikerin oder der Musiker eine feste unbefristete Stelle bekommt.
War das bei Ihnen persönlich der gleiche Weg?
Halder: Bei mir war es ein wenig anders. 2013 war ich für die Vorbereitung eines Projekts eingeladen. Das Orchester befand sich in einer sehr schwierigen Phase – der Rechnungshof hat vorgeschlagen, das Orchester ganz abzuschaffen, und der damalige Dirigent wurde versetzt. Ich wurde gebeten, mich auf die vakante Stelle zu bewerben. Das habe ich mit mehreren anderen Bewerbern getan und die Stelle bekommen. Im März 2015 wurde ich dann zum neuen Chefdirigenten ernannt.
Sind beim LPO alle Musiker oder gibt es noch aktive Polizisten?
Halder: Alle Musikerinnen und Musiker des Orchesters sind Berufsmusiker. Tatsächlich haben aber die vier dienstältesten Kollegen nach dem Musikstudium noch eine Polizeiausbildung durchlaufen. Sie dürfen sich also noch „echte“ Polizisten nennen (lacht).
Sie sind heute vor allem ein Repräsentations- und Konzertorchester. War das schon immer so?
Halder: Wir sind, was die Anlässe und die Literatur, die wir spielen, betrifft, heute sehr flexibel. Vom Bach-Choral über den typischen Big-Band-Sound bis hin zu symphonischen Werken können wir alles spielen. Diese Bandbreite werden wir dann übrigens auch bei unserem Benefizkonzert in Schwetzingen zeigen. Neben den Auftritten in und für die Polizei spielen wir Kirchen-Gala- und Benefizkonzerte im ganzen Land. Außerdem sind pädagogische und akademische Konzerte sowie Projekte ein fester Bestandteil unserer Arbeit. Insgesamt spielen wir zirka 120 Auftritte pro Jahr. Früher hatte das damalige Polizeimusikkorps aber auch Arbeitsfelder, die sich heute keiner mehr vorstellen kann. Bis vor etwa 30 Jahren mussten die Polizeimusiker beispielsweise noch in Pferdeställen spielen, um die Tiere für Demonstrationen an Lärm zu gewöhnen (schmunzelt). Die Entwicklung der Polizeimusik von damals zu heute ist also enorm.
Die Arbeit als Dirigent ist bekanntlich sehr vielfältig. Wie sehen Ihre Proben mit dem LPO aus?
Halder: Es geht darum, zusammen mit den Orchestermusikern eine musikalische Idee zu entwickeln. Dabei kommen die Impulse mal vom Orchester, mal vom Dirigenten. Für mich ist es wichtig, das Gesamte immer im Blick zu haben. Eine gute Probe zeichnet sich dadurch aus, eine möglichst positive Vorher-nachher-Entwicklung zu erreichen. Im Prinzip versuchen wir in unserer gemeinsamen Probenzeit in eine Art „Flow“ zu kommen, den wir dann auch beim Konzert abrufen können. So, dass wir die Musik jetzt, in diesem Moment leben können. Nur dann springt der Funke auf das Publikum über.
Gibt es Dirigenten, die Sie bei Ihrer Arbeit besonders inspirieren?
Halder: Natürlich gibt es die. Zunächst will ich da die nennen, die in meiner direkten Umgebung waren. Der erste Dirigent, der mich fasziniert hat, war der damalige Leiter meines Schulchors. Er war studierter Kapellmeister und so viel besser als anderen, die ich kannte. Mein späterer Lehrer an der Musikhochschule, Professor Manfred Schreier, war eine ebenso große Inspiration und Motivation. Von den ganz Großen würde ich Leonard Bernstein und Gustavo Dudamel nennen.
Seit zehn Jahren sind Sie jetzt Dirigent des LPO in Baden-Württemberg – werden Sie Ihr Jubiläum feiern?
Halder: Ich werde drei Jubiläumskonzerte an für mich wichtigen Orten dirigieren – in „meiner“ Hochschulstadt Trossingen, in meiner Heimatstadt Biberach und in Rottenburg, einer Stadt, die mir durch meine Tätigkeit als Dirigent der dortigen Stadtkapelle ans Herz gewachsen ist. Aber eigentlich eignet sich das Konzert in Schwetzingen als Jubiläumskonzert noch besser. Am 21. Juni werden wir dort spielen und fast auf den Tag genau vor zehn Jahren hatte ich meinen ersten Tag als festangestellter Dirigent beim Landespolizeiorchester. Das ist schon ein großer Zufall (lacht). Und wir haben uns vorgenommen, ein „Best-of“ von Stücken der vergangenen zehn Jahre zu spielen.
Karten: Tickets für das Konzert am Freitag, 21. Juni, 20 Uhr, im Lutherhaus in Schwetzingen gibt es im SZ-Kundenforum (Montag bis Freitag, 8 bis 12 und 13 bis 17 Uhr) und via Reservix für 29,50 Euro plus Gebühren.
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