Schwetzingen. Das Natur- und Landschaftsschutzgebiet Schwetzinger Wiesen – Riedwiesen gehört zu den kostbarsten Naturschätzen der nordbadischen Rheinauen. Zu einer abendlichen Wanderung hatte Dr. Andre Baumann, Staatssekretär und Landtagsabgeordneter der Grünen, eingeladen. 40 Interessierte kamen, darunter Bürgermeister Ralf Göck aus Brühl, Gemeinderatsmitglieder, Aktive des Nabu und viele Landwirte, heißt es in der Pressemitteilung des Abgeordneten
Baumann kennt das Gebiet bestens, da er sich seit 1995 dafür einsetzt – damals als frisch gewählter Schwetzinger Nabu-Vorsitzender, heute als Landtagsabgeordneter im Wahlkreis. Bei der Wanderung stand der Schutz der Moorflächen in den Schwetzinger Wiesen im Vordergrund. „Moorschutz ist Klimaschutz, Moore speichern Kohlenstoff. Durch Ackernutzung und Entwässerung wird das Moor zerstört“, sagt Baumann: „Wichtig ist eine moorverträgliche Landbewirtschaftung – ein Miteinander von Landwirtschaft und Naturschutz.“
Die Exkursionsgruppe wanderte vom Rohrhofer Friedhof aus ins Landschaftsschutzgebiet, das Teil der Schwetzinger Gemarkung ist. „Das Schutzgebiet liegt in der Rheinaue und wird regelmäßig von Rheinhochwassern überschwemmt. Der Sommerdamm, der das Naturschutz- vom Landschaftsschutzgebiet trennt, dient nicht dem Schutz von Siedlungen wie die Hochwasserdämme, die für höhere Wasserstände ausgelegt sind. Diese kommen statistisch gesehen nur alle 100 Jahre vor. Der Sommerdamm schützt landwirtschaftliche Flächen, die trotz Damm alle drei bis vier Jahre überflutet werden “, erklärt Baumann.
Die Exkursionsgruppe machte halt in der Randsenke, die direkt zu Füßen von Brühl-Rohrhof liegt. „Die Senke gehört zu den tiefsten Bereichen unserer Rheinaue. Hier herrschen hohe Grundwasserstände und das Wasser fließt nach einem Hochwasser schlecht oder gar nicht ab.“ Über viele Jahrhunderte hat sich ein Überschwemmungsmoor gebildet. Baumann zeigte auf eine Karte der Landesanstalt für Umwelt: „Hier gibt es Moorböden und torfige Sumpfböden. Vor der Urbarmachung wuchsen wahrscheinlich Erlen-Bruchwälder, in denen viele Monate im Jahr Wasser stand und sich so Torf bilden konnte.“
Schwetzingen: Lange als Weideland genutzt
Bis zum Bau des Sommerdamms und der Anlage von Entwässerungsgräben wurde diese sumpfige Fläche als Weideland genutzt, Ackerbau war nicht möglich. „Nicht umsonst heißen die Flächen Schweinsweide, Pferdweide oder Nachtpferch. Im Boden haben sich langlebige Samen typischer Pflanzenarten von Schweineweiden bis heute erhalten“, sagte der promovierte Biologe. Nach dem Bau des Sommerdamms im letzten Jahrhundert und einer Entwässerung des Gebiets wurden Wiesen angelegt, die mit dem Rückgang der Tierhaltung rund um Brühl und Schwetzingen in Ackerflächen umgebrochen wurden.
„Auf den tiefsten Bereichen wurde nur kurz Ackerbau betrieben“, berichtete ein Landwirt. Dem Nabu sei es vor Jahren gelungen, diese Flächen stilllegen zu lassen. „Heute wächst hier ein dichter Wald aus Schilf.“ Das Moor mitsamt den sumpfigen Flächen in der Randsenke befindet sich im Eigentum der Stadt Schwetzingen. „1999 war ich Vorsitzender der Nabu-Ortsgruppe und der damalige Oberbürgermeister Kappenstein hatte zugesagt, dass auch die weiteren Sumpfflächen mit den Vorstufen der Moorböden, dem sogenannten Anmoor, aus der Ackernutzung entlassen werden.“
„Ich setze mich seit 1995 dafür ein, dass in der gesamten Randsenke eine moorverträgliche Landwirtschaft stattfindet. Das geschieht in vielen Auenschutzgebieten am Oberrhein, warum nicht in Schwetzingen?“ Moore speicherten weltweit mehr Kohlenstoff als alle Wälder. „Wir werden im Sektor Landwirtschaft die Klimaziele für Deutschland und Baden-Württemberg nur erreichen, wenn wir die Nutzung auf Moorböden umstellen. Das geht mit der Landwirtschaft, ist zwar nicht einfach, aber es geht, auch weil es gehen muss“, so Baumann. Die grün-schwarze Landesregierung habe einen Schwerpunkt auf den Moorschutz gelegt, genau wie die Bundesregierung. „ Der Bund stellt vier Milliarden Euro für einen naturbasierten Klimaschutz zur Verfügung – insbesondere für Moorschutz. Auch im Land gibt es Gelder für moorverträgliche Landwirtschaft.“
Klimaschutz in Schwetzingen: Skepsis bei den Bauern vor Ort
Über die Zukunft der Moorflächen wurde in der Gruppe kontrovers diskutiert. Während die Schwetzinger Stadträtin Susanne Hierschbiel einen Schutz der Moorflächen, wie andere Teilnehmer auch, begrüßte, standen die Landwirte konkreten Ideen skeptisch gegenüber. Früher hätten fast alle landwirtschaftlichen Betriebe Tiere gehalten, aber eine moorverträgliche Nutzung mit Rindern, wie sie andernorts auf sumpfigen Wiesenflächen stattfindet, könne von den ansässigen Landwirten nicht mehr geleistet werden. „Wer soll denn Wasserbüffel halten?“, wurde gefragt.
Baumann hatte berichtet, dass Landwirte in ähnlichen Gebieten Wasserbüffel halten. „Wir brauchen auch Unterstandsflächen für Weidetiere. Diese gibt es bislang nicht.“ Ein weiteres Argument für die landwirtschaftliche Bedeutung der Sumpfflächen sei der Klimawandel: Während früher die Sumpfflächen viel zu nass waren, würden bei zunehmender Sommertrockenheit diese Flächen den besten Ertrag bringen. Der Vorschlag, statt Rinderbeweidung blumenreiche Auenwiesen anzulegen, wurde von den Landwirten ebenfalls kritisch gesehen: „Wir können das Heu der Auenwiesen nicht als Futter nutzen.“ Baumann betonte, dass eine moorverträgliche Landwirtschaft nicht von heute auf morgen und nicht von oben herab zu realisieren sei. Aber er warb dafür, dass sich alle aufeinander zubewegen und einen gemeinsamen Weg finden. „In anderen Schutzgebieten geht es doch auch, warum nicht bei uns. Es gibt so viel Geld wie noch nie, damit Landwirte im Moor Klimaschutz betreiben können.“ Noch – denn in ein paar Jahren sei Moorschutz vielleicht gesetzliche Pflicht.
Baumann berichtete, dass das Regierungspräsidium eine Machbarkeitsstudie erstelle. Für diese hatte er sich eingesetzt. „ Sie sollte Ende 2021 vorgestellt werden. Aber die Veröffentlichung lässt auf sich warten. Das ist ärgerlich.“ Sobald die Machbarkeitsstudie für eine moorverträgliche Landwirtschaft vorläge, müsse ein Diskussionsprozess gestartet werden, wie diese auf den Flächen des Landes und der Stadt Schwetzingen mit der Landwirtschaft ermöglicht werden kann. Schon im Dunkeln verließ die Gruppe die Schwetzinger Wiesen. Vielleicht sind ja doch weitere Kompromisse bei nicht zu großen Restriktionen möglich, so die Mitteilung.
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