Theater am Puls in Schwetzingen

Michael Hecht mit einer glanzvollen Darstellung ohne doppelten Boden

Das Theater am Puls hat sechs Premieren vorbereitet: Nach "Büro, Büro" glänzte nun Michael Hecht in "Heute weder Hamlet" auf der Schwetzinger Bühne.

Von 
Maria Herlo
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Michael Hecht brilliert auf der Bühne mit großartiger Schauspielkunst. © Lenhardt

Das Ein-Mann-Stück „Heute weder Hamlet“ von Rainer Lewandowski und inszeniert von Kristine Greiff feierte seine Premiere im Schwetzinger Theater am Puls. Und weil das Publikum pandemieerprobt ist, ließ es sich nicht einfach nach Hause schicken, als der Vorhangzieher Ingo Sassmann ankündigte, dass die „Vorstellung wegen Beinbruchs des Hauptdarstellers ersatzlos ausfällt, heute weder Hamlet noch sonst was“, es bleibt sitzen.

„Ich räume hier auf, denn morgen wird hier ein ganz anderes Stück gespielt, Sie können ja solange bleiben, ich meine, nicht bis morgen, sondern bis ich aufgeräumt habe.“ Und das Aufräumen dauerte 70 Minuten lang, Zeit, in der Michael Hecht als Ingo Sassmann den fulminanten Monolog Lewandowskis voller Pathos und Komik in Szene setzte.

Zunächst ist er unwillig, will die Zuschauer loswerden, dann kommt er in Fahrt und lässt sein eigenes, wechselvolles Leben Revue passieren. Eigentlich ist er gelernter Schauspieler, nach einem Karriereknick ist er jetzt für den Vorhang zuständig. Den Zuhörern verkauft er seine Tätigkeit als wichtig, es ist nicht egal, wie der Blick auf die Bühne freigegeben wird, denn „so ein Vorhang trennt Oben und Unten, Sein und Schein“. Es gibt, wie er sagte, „tausend Arten, den Vorhang zu öffnen und fallen zu lassen“. Genüsslich demonstriert er es mit seinem Hausmeisterkittel, wie so ein Vorhang im Lustspiel hoffnungsfroh flattern oder im Drama Tragik ahnend, die Bühne einhüllen soll. Dass einige avantgardistische Regisseure dem Modetrend folgen und auf den Vorhang ganz verzichten, findet er ungeheuerlich, denn „der Vorhang gehört zum Theater wie das Glas Sekt zur Pause“. Entspannt, manchmal leidenschaftlich offensiv erzählt er vom „Leben auf der Bühne“, die zur „Bühne des Lebens“ wird, erinnert an Episoden seiner Theaterlaufbahn, an Zufälle und Chancen, an die Erfolge in Trier und Kassel, wie er und seine Frau Rebecca, die nur noch als Souffleuse arbeitet, Intrigen zum Opfer fielen, an das erneute Durchstarten in Bruchsal. Hier schlägt das Schicksal wieder zu: Während einer Vorstellung fällt dem Intendanten das Gebiss aus dem Mund, Sassmann stolpert darüber und kickt es ungewollt vor dem Vorhang. Die Presse schildert dies als Regiegag und der Intendant feuert ihn fristlos.

Improvisation oder nicht?

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Immer wieder kommt er auf seine Rolle als Hamlet zurück, gräbt dabei tief im Ursprung des Theaters, streift die Theaterpraxis, die Klischeevorstellungen rund um Shakespeare, die Schwellenängste der Darsteller, ihr Ausgeliefertsein, die Erwartungshaltung des Publikums.

Dass der Monolog wie improvisiert wirkte, das hat mit der großartigen Schauspielkunst von Michael Hecht zu tun, die er schon in „Der Kontrabass“ bewies. Gut durchdacht und selbstreflektierend gelang es ihm, sehr authentisch in die Rolle des Pechvogels zu schlüpfen, dem alles misslingt und der von der Gesellschaft marginalisiert wird. Vieles lässt er in der Schwebe, immer mit doppeltem Boden, dann wendet er das Bühnenbild um neunzig Grad, um aus der Position des Schwachen selbst zum Star zu werden. Atemberaubend, wie er das gesamte gestische und mimische Repertoire unterschiedlicher Schauspielepochen umsetzt, wie er das Kommunizieren Hamlets mit der Königin, seiner Mutter, vormacht, Polonius hinter dem Vorhang erdolcht, mit dem Degen gegen Laertes kämpft und schließlich noch die Moritat von „Mackie Messer“ interpretiert. Den Zuschauern erspart er aufgesetzte Komik, stattdessen schafft er Spannung mit seinem komödiantischen Talent, das den Saal immer wieder zum Lachen bringt, wie in der Szene, wo er anhand einer Zeichnung, dem Publikum Shakespeares „Hamlet“ näher erklärt.

Die Art, in der Hecht die vielen verschiedenen Facetten von Sassmanns Charakter – kauzig, sentimental, lüstern, herrisch, hilfsbedürftig, provokant, liebenswürdig – mit seiner Gestik und Mimik, mit seinem berlinerisch angehauchten Dialekt zum Ausdruck bringt, macht die Aufführung absolut sehenswert. Und so wollte der Schlussapplaus auch kaum mehr enden.

Freie Autorin

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