Jazztage

Michael Wollny begeistert bei den Schwetzinger Jazztagen

Der Ausnahme-Pianist Michael Wollny eröffnete die Schwetzinger Jazztage mit einem intensiven Solokonzert im Rokokotheater – ein Abend voller Klangmagie und Emotion.

Von 
Rita Weis
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Michael Wollny im Gespräch mit der Berliner Kulturjournalistin Maxi Broecking © Rita Weis

Schwetzingen. Der Auftakt zu den diesjährigen Schwetzinger Jazztagen am Freitagabend war zugleich ein absolutes Highlight: Der Ausnahmepianist Michael Wollny gab im Rokokotheater ein Solokonzert, das bereits Wochen zuvor ausverkauft war. Für viele Kritiker und Jazzkenner gilt Wollny als derzeit bester deutscher Jazzpianist. Veranstaltet wurde das Konzert von der Jazzinitiative Schwetzingen in Kooperation mit dem Enjoy-Jazz-Festival.

Freie Improvisation über 60 Minuten: Pianist Michael Wollny im Rokoko-Theater © Rita Weis

Rainer Kern, Initiator von Enjoy Jazz, freute sich über die Möglichkeit, „dass Künstler in den schönen Räumen des Schlosses auftreten dürfen“, und kündigte ein neues Format der Jazzkonzerte an: Nach dem Konzert gab es ein Gespräch mit dem Künstler. Zugleich begrüßte er die Anwesenheit des Schwetzinger Oberbürgermeisters Matthias Steffan und des Jazzmusikers Nduduzo Makhathini, der vor ein paar Tagen im Rahmen von Enjoy Jazz aufgetreten war.

Schwetzinger Jazztage: Motto „Knowing“

Die 27. Ausgabe des „Festivals für Jazz und Anderes“ steht unter dem Motto „Knowing“. Manfred Kern, Vorstandsmitglied der Jazzinitiative und Mitinitiator des Konzerts, erläuterte in seiner Begrüßung den Unterschied zwischen den Begriffen knowledge – als abrufbares Wissen – und knowing – als Prozess des Erlebens, Sehens, Fühlens und Spürens.

Wer an diesem Abend eine Reihe geschlossener Jazzkompositionen erwartet hatte, wurde im besten Sinne enttäuscht. Wollny entführte sein Publikum auf eine fortwährende musikalische Reise mit Anklängen an J. S. Bach, Gustav Mahler, Claude Debussy, György Ligeti und Keith Jarrett. Unwillkürlich fühlte man sich an Jarretts legendäres Kölner Konzert erinnert, in dem dieser vor rund fünfzig Jahren eine 65-minütige freie Improvisation darbot und das Solo-Recital als Konzertform etablierte.

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Auch Wollnys erste, rund einstündige Performance – die er „Unknown“ nannte – war eine Auseinandersetzung mit dem Festivalmotto Knowing. Er entwickelte daraus eine Improvisation, die klassische, serielle, atonale, urbane und rockig-jazzige Klänge miteinander verband. Zunächst begann er schlicht, fast suchend, mit einfachen Phrasen im modalen Raum. Bald jedoch steigerte sich sein Spiel zu komplexen, virtuosen Passagen, die in dramatische, ja wild-aggressive Disharmonien mündeten. Wollny schlug mit der flachen Hand auf die Tasten, nutzte die Ellenbogen, erzeugte ekstatische, beinahe chaotisch-zerstörerische Klanggebilde – um die Spannung schließlich wieder in eine fast meditative, harmonische Ästhetik zu überführen.

Michael Wollnys Kreativität ist unerschöpflich

Doch dabei blieb es nicht: Er stand auf, bearbeitete die Saiten und das Gehäuse des Flügels, erzeugte Klangteppiche und Geräusche – zunächst, ohne die Tasten zu berühren. Dann verband er beide Ebenen, schlug Tasten und Saiten nacheinander oder gemeinsam an und kehrte immer wieder überraschend in ruhige, harmonische Passagen zurück. Seine Kreativität und Energie wirkten schier unerschöpflich. Als er nach rund einer Stunde das erste Stück beendete, reagierte das Publikum mit begeistertem, lang anhaltendem Applaus – man spürte deutlich: Ein Meister war am Werk. Es folgte ein kürzeres, strukturierteres Stück, das die Zuhörer ebenfalls mitriss. Schließlich gab es stehende Ovationen, sogar auf den oberen Rängen. Wollny bedankte sich mit einer Zugabe.

Im Anschluss führte die Berliner Kulturjournalistin Maxi Broecking ein Gespräch mit dem Pianisten. Auf die Frage, was „Unknowing“ – der Titel seiner ersten Performance – für ihn bedeute, antwortete Wollny, man wisse vor einem Konzert nie, was geschehen werde: ob das Publikum da sei, wie der Raum klinge, wie sich die Musik entwickle. Früher habe er bei Solokonzerten einige vorbereitete Stücke, „Inseln“, gehabt, die er durch Improvisationen verband. Diesmal jedoch sei er ohne solche Inseln aufgetreten – er habe allein das gespielt, was sich aus seinen musikalischen Erfahrungen und der unplanbaren Präsenz des Augenblicks ergab.

Bühne, so Wollny, bedeute, das Erlernte loszulassen und gleichzeitig Neues zu erfahren. Für die Zukunft wünsche er sich, dass dieser Prozess niemals ende – und dass weiterhin Räume erhalten bleiben, in denen solches Erleben möglich ist. Ein Wunsch, der sich zugleich als dankbare Geste an das kulturinteressierte, musikbegeisterte Publikum und die engagierten Organisatoren verstehen ließ.

Im Rahmen des Enjoy-Jazz-Festivals, das bis 8. November läuft, gibt es noch zwei Konzerte in Kooperation mit der Jazzinitiative Schwetzingen: Das Gee Hye Lee Trio feat. Jakob Bänsch und Sandi Kuhn spielt am Samstag, 25. Oktober, um 20 Uhr im Franz-Danzi-Saal der Musikschule. Gleich am nächsten Morgen, am Sonntag, 26. Oktober, kommen Pianist François Couturier und Violinist Dominique Pifarély ebenfalls in den Franz-Danzi-Saal.

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