Schwetzingen. Monatelang herrschte im Theater am Puls Stille. Kein Bühnentreiben, kein Publikum, kein Applaus. Davon gibt es hoffentlich an diesem Samstagabend eine Menge, wenn mit der Premiere „Der Goldene Topf“ die neue Spielzeit in der Marstallstraße eingeläutet wird. Intendant Joerg Mohr gewährt Einblicke in das Werk, das eigentlich gar kein Theaterstück ist und zeigt die Herausforderungen bei der Inszenierung auf.
Herr Mohr, „Der Goldene Topf“ gibt nach langer Ruhezeit den Auftakt in die neue Spielzeit. Warum haben Sie dieses Stück ausgewählt?
Zum Stück und zu den Vorstellungen
- „Der Goldene Topf“ ist ein Kunstmärchen des Schriftstellers Ernst Theodor Amadeus – kurz: E.T.A. – Hoffmann, das im Jahr 1814 erstveröffentlicht wurde. Es ist ein Klassiker der deutschen Romantik.
- Das Werk erzählt die Geschichte des intelligenten, jedoch tollpatschigen Studenten Anselmus und dessen Schwierigkeiten, einen Platz in der bürgerlichen Welt zu finden. Unter einem Holunderbusch widerfährt ihm eine Erscheinung und er verliebt sich Hals über Kopf in die Schlange Serpentina, die ihm das Tor zu einer magischen Welt öffnet. Hin- und hergerissen zwischen dem biederen Bürgertum und dem Reich der Fantasie begleitet der Zuschauer den Protagonisten auf der Suche nach seiner Bestimmung.
- Aufführungen im Theater am Puls in Schwetzingen: Samstag, 2. Oktober, Premiere (ausverkauft), Samstag, 16. Oktober, 18 Uhr, Samstag, 30. Oktober, 18 Uhr. Karten kosten 24 Euro, ermäßigt 18 beziehungsweise 12 Euro.
- Tickets gibt es im SZ-Kundenforum in der Carl-Theodor-Straße 2 und unter theater-am-puls.de.
- Aufgrund der aktuellen Bestimmungen ist die Zuschauerzahl auf 45 Personen begrenzt. Es gilt 3 G. vp
Joerg Steve Mohr: Entstanden ist die Idee im November letzten Jahres eigentlich als theaterpädagogisches Projekt für die Stadt Schwetzingen, das in einer etwa einstündigen Version an den Schwetzinger Schulen aufgeführt werden sollte. Wir haben uns bei unserer Suche an den Inhalten der aktuellen Lehrpläne orientiert. Den „Goldenen Topf“ fanden wir unglaublich interessant und wollten ihn auf die Bühne bringen. Beim Schreiben und Proben des Stücks hat das Werk Daniele Veterale, der als Schauspieler auf der Bühne stehen wird, und mich unglaublich fasziniert. Wir haben schnell gemerkt, dass wir dieses Ding größer aufziehen wollen.
Sie sagen, das Werk E.T.A. Hoffmanns hat Sie fasziniert. Was daran genau?
Mohr: Die Art, wie Hoffmann die Sprache wählt und einsetzt, hat mich unglaublich beeindruckt. Ich habe mich beim Lesen direkt verliebt. Selten habe ich so schöne Literatur gelesen, die allein durch Worte so viel Gefühl transportiert und bereits beim Lesen Kopfkino erzeugt. Hoffmann malt regelrecht mit den Lauten. Es war auch beim Schreiben der Bühnenversion wirklich schwierig, Textstellen herauszustreichen. Für uns stand daher auch fest, dass wir unbedingt die Originalsprache des Werkes auf der Bühne beibehalten möchten.
Das Werk lebt ja von dem Verschmelzen der realen mit einer magischen Welt. Gab es für Sie als Regisseur Herausforderungen, die Geschichte in ein Theaterstück zu verwandeln?
Mohr: Man muss sagen, „Der Goldene Topf“ ist kein Theaterstück. Eigentlich bietet er Stoff für eine Disney-Verfilmung. Die Geschichte ist wirklich fantastisch abgefahren und beinhaltet viele Elemente, die man auch bei Disney oder in den Harry- Potter-Büchern wiederfindet. Es wundert mich wirklich, dass das Werk noch nie verfilmt wurde. Man müsste sich da eigentlich draufstürzen. All diese magischen Elemente auf die Bühne zu bringen, dem kann man gar nicht gerecht werden. Wir haben uns daher entschieden, auf die Kraft der Gedanken zu setzen und die Bilder im Kopf der Zuschauer passieren zu lassen.
Interessant – und wie genau machen Sie das?
Mohr: Wir arbeiten beim „Goldenen Topf“ mit mehr technischen Mitteln als je zuvor bei einer Produktion. Mit einer Filmproduktionsfirma haben wir mit unseren Schauspielern im Vorfeld Videos aufgezeichnet, die über LED-Wände eingespielt werden und so Teil der Handlung werden. Außerdem gibt es Feuereffekte und eine Künstlerin, die mit Sandmalereien zur Geschichte beiträgt. Die musikalische Untermalung kommt aus den Harry-Potter-Filmen „Phantastische Tierwesen“.
Der Autor selbst bezeichnete sein Werk als „Ein Märchen aus der neuen Zeit“. Erstveröffentlicht wurde es im Jahr 1814. Passt es denn noch in die heutige Zeit?
Mohr: Ja, definitiv. Natürlich merkt man beim Lesen, dass die Geschichte durch die Sprache und Personen nicht in der heutigen Zeit spielt. Für mich stellen die Personen aber nur Mittel dar, um Inhalte zu transportieren, die absolut zeitlos sind. Der Kontaktverlust zu Kunst und Natur beispielsweise. Ein wichtiges Thema, das heute bei unbegrenztem Netflix-Zugang und ökologischen Problemen aktueller denn je ist. Auch das Leben in einer verkopften, bürgerlichen Welt, der der Zugang zur Poesie und dem Glauben an das Fantastische fehlt, wird thematisiert. Als Kind hat man noch unerschöpflich Fantasie. Je älter man wird, desto mehr verliert man das. In Fernsehen wird in Krimis und Co. auch fast immer nur die Wirklichkeit abgebildet. Mit unserer Aufführung des „Goldenen Topfes“ wollen wir das Fantastische zelebrieren und Erwachsene in eine Welt eintauchen lassen, von der sie sich entfernt haben. Raus aus der bürgerlichen Welt – rein ins Fantastische. Das tun wir viel zu selten.
Der „Goldene Topf“ begleitet seit ein paar Jahren zahlreiche Abiturienten im Deutschunterricht durch ihre Oberstufenzeit bis hin zum Abitur. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das Stück bei jungen Leuten unterschiedlich aufgenommen wird und oft auch auf Unverständnis und Ablehnung stößt.
Mohr: Das stimmt. „Der Goldene Topf“ ist definitiv keine einfache Lektüre. Auch mir ist es am Anfang beim Lesen schwergefallen, zu verstehen, was eigentlich hinter dem Text steht, da man sehr damit beschäftigt ist, die Sprache und die Handlung zu verstehen. Ich habe mehrere Wochen gebraucht, bis ich den Stoff wirklich durchdrungen habe. Daher kann ich die Empfindungen der Abiturienten absolut nachvollziehen. Ich kann aber versprechen, dass das Theaterstück, wenn man sich ein bisschen darauf einlässt, einen großen Teil des eigenen Lesens ersetzen wird. Wir versuchen, in unserer Inszenierung Bilder zu kreieren, die als Übersetzung dienen und so den Zugang zu den Inhalten erleichtern. Gleichzeitig haben wir die Sprache beibehalten, um damit so nah wie möglich am Original zu bleiben. Wenn man den „Goldnen Topf“ verstanden hat, ist er wirklich eine Bereicherung, die einen weiterbringt.
Das Werk ist nicht in Kapitel, sondern in zwölf Vigilien (griechisch für „Nachtwache“) unterteilt, die auf Hoffmanns nächtliches Arbeiten an dem Werk hindeuten. Hatten Sie durch das Werk auch schon Nächte mit wenig Schlaf?
Mohr: Tatsächlich gehen unsere Proben vergangene Woche und auch diese Woche teilweise bis drei, vier Uhr nachts. Das Stück an sich dauert mit Pausen ja schon etwa dreieinhalb Stunden. Und dann kommen noch die Korrekturen dazu. Da wurde es dann oft ziemlich spät, bis wir ins Bett kamen.
Und wie fühlen Sie sich jetzt, wenn Sie an die Premiere denken?
Mohr: Ich bin aufgeregt. Aber nicht darüber, dass bei den Schauspielern vielleicht etwas nicht funktioniert, sondern eher wegen der vielen Technik. Während wir diesmal nur zwei Schauspieler auf der Bühne haben, sind sechs Leute dahinter, die dafür sorgen, dass der Abend technisch reibungslos funktioniert. Es ist wirklich eine große Herausforderung, da das Zusammenspiel der Technik mit den Schauspielern sehr komplex ist. Die Szenen sind rhythmisch festgelegt. Es gibt Interaktionen mit den LED-Projektionen auf der Bühne. Lichter müssen genau im richtigen Moment an und wieder ausgehen. Das hat uns auch bei den Proben am meisten Schwierigkeiten bereitet. Ich bin mir aber sicher, dass am Samstag alles funktionieren wird.
Und auf was freuen Sie sich am meisten?
Mohr: Darauf, mich einfach hinsetzen und loslassen zu können. Bis jetzt muss ich bei den Proben immer noch voll da sein und bin angespannt – vor allem wegen der Technik. Muss mir Dinge aufschreiben, Korrekturen machen, Anweisungen geben. Bei anderen Stücken konnte ich in den letzten Proben schon mehr genießen und mich zurücklehnen. Am Samstag bei der Premiere kann ich dann auch endlich zum Zuschauer werden und das Stück richtig genießen.
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